Hühnerfabrik Leutenegger in Oberwinterthur Aus der Winterthurer AZ vom 23.3.94:
Die Freundin von Ruedi Leutenegger staunte nicht schlecht, als am Dienstagmorgen kurz nach zehn Uhr Erwin Kessler, der hartnäckige Kämpfer gegen Tierfabriken, und eine Schar Reporter und Kameraleute plötzlich vor dem Betrieb am Hobelwerkweg 11 in Oberi auftauchten. Kessler wollte dem Besitzer der "Tierfabriken" einen Ueberraschungsbesuch abstatten, damit sich die Medienleute von den "unhaltbaren Zuständen" überzeugen könnten. Doch Pech gehabt: Leutenegger war nicht da, die Türen blieben geschlossen. Kessler hat die Leutenegger AG vor drei Monaten wegen Verstoss gegen die Tierschutzverordnung angezeigt. Die Hühner verbrächten ihr Leben im schwachen Licht einiger weniger Glühlampen, klagt der Tierschützer. Natürliches Licht jedenfalls, soviel ergab der Augenschein vor Ort, kennen die Tiere nicht: Die beiden Hallen - eine ein-, die andere zweistöckig - sind fensterlos. Die Luft sei ätzend vom Ammoniak und das Gefieder der Tiere zerzaust. "Stellenweise sind die Hühner sogar nackt", kritisierte Kessler und zeigte ein entsprechendes Foto, das er oder andere Tierfabrik-Gegner in Leuteneggers Betrieb geschossen haben sollen. Kessler hat nun prompt eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch am Hals. Auf die Frage, ob er tatsächlich in die Hühnerhalle eingebrochen sei, meinte Kessler vielsagend: "Geschäftsgeheimnis". "Den Hühnern geht es gut" Die Journalisten zogen bereits ab, als der Angeklagte doch noch auftauchte. Einen Einblick in die Anlage gewährte Leutenegger auf Nachfrage indes nicht. Das sei aus "hygienischen Gründen" nicht möglich, lautete seine fadenscheinige Begründung. Immerhin nahm er Stellung zu Kesslers Vorwürfen. Seine Hühnerhaltung sei nicht gesetzwidrig; das Veterinäramt habe noch nie etwas beanstandet. Kesslers Beschreibung der Hühner und der Anlage stritt Leutenegger allerdings in keiner Weise ab. Dass das gezeigte Foto aus seinem "Stall" stammte, verneinte er ebenfalls nicht: "In meiner Anlage sieht es so aus." Die jämmerliche Erscheinung der Hühner mit fehlenden Federn, relativierte Leutenegger, der die Hallen nur mit Staubmaske betritt: Federn seien nur bei Temperaturschwankungen nötig. "Da es in meinem Betrieb immer gleich warm ist, brauchen die Hühner gar keine Federn". Ausserdem meinte der Eierproduzent zynisch, seine Tiere seien glücklich, sonst würden sie gar keine Eier legen. Vor allem Frage der Ethik Scharf ins Gericht ging Kessler auch mit der Verkaufsstrategie der Leutenegger AG. Im Toni-Lädeli in Oberi und anderen Detailgeschäften werden die Eier aus der fensterlosen "Hühnerfabrik" in einer Packung mit der Textaufschrift angepriesen: "10 Schweizer-Eier direkt vom Geflügelhof - Bodenhaltung". Dies sei irreführend, in Wirklichkeit bestehe der "Boden" nämlich aus Drahtgitter. Ausserdem stellten sich die Konsumenten und Konsumentinnen unter "Geflügelhof" wohl etwas Naturgerechteres vor, glaubt Kessler. Die Anzeige gegen Leutenegger hat der Kanton noch nicht beantwortet. Mit seinen Vorwürfen dürfte Kessler und der Verein gegen Tierfabriken rechtlich aber kaum durchkommen, wie zahlreiche ähnliche Fälle gezeigt haben. In der Tierschutzverordnung heisst es nämlich bloss, die Ställe "müssen wenn möglich durch natürliches Tageslicht beleuchtet sein". Wie Leutenegger zu AZ sagte, sei dies bei ihm aus finanziellen Gründen eben nicht möglich. Auch die gesetzlichen Anforderungen der Bodenhaltung scheinen erfüllt. Nach eigenen Angaben stehe den Hühnern hinter den Gitterstäben ein Scharrkasten zur Verfügung. Laut Leutenegger werden seine rund 8000 Hühner durchschnittlich eineinhalb Jahre alt. Ob eine solche Tierhaltung akzeptal ist oder nicht, scheint weniger eine rechtliche, sondern mehr eine moralische und ethische Frage zu sein. Der Ball liegt schliesslich bei den Konsumenten und Konsumentinnen. Wollen diese wissen, wie die Hühner gehalten werden, reicht die Deklaration der Eier im Laden jedoch nicht aus. Und wie schreibt Leutenegger auf der Innenseite der Eierschachtel: "Eier kaufen ist eine Vertrauenssache." (Ende Bericht in der AZ) Abbildung oben: So sah es im Inneren dieser Hühnerfabrik aus: Hühner, denen das Gefieder ausfällt: Die Eier dieser KZ-Hühner verkaufte Leutenegger unter anderem im Toni-Lädeli in Oberwinter. Die Etikette zeigt Hühner in einem Strohnest. Text dazu: "Schweizer Eier direkt vom Geflügelhof - Bodenhaltung." In Wirklichkeit besteht dieser "Boden" aus einem Stahlgitterrost: Auf der Innenseite der Eierschachtel steht zynisch: "Eier kaufen ist eine Vertrauenssache. Sie haben gut gewählt. Wir garantieren für die Qualität und danken Ihnen für Ihr Vertrauen. Geflügelhof Leutenegger." Nach Gesetz hätte der VgT in Konsumentenchutzangelegenheit ein Klagerecht; das Bundesgericht hat dies aber mit fadenscheinigen und haltlosen Begründungen abgelehnt. So sind unsere rechtlichen Möglichkeiten auch hier derart beschnitten, dass solche Betrügereien fröhlich weitergehen können und tatsächlich auch weitergehen: Leutenegger verkauft weiterhin seine irreführenden Eierschachteln. Einmal mehr in der "Musterdemokratie" Schweiz: Gesetze ohne Richter.
Selbsthilfe-Aktion gegen Hühnerfabrik von Erwin Kessler In der Nacht auf den 1. Juli 1994 haben Aktivisten des VgT Winterthur in einem Grosseinsatz an der Geflügelfabrik Leutenegger in Oberlangenhard ZH die gesetzwidrigen Fensterabdeckungen entfernt. Zur Vorgeschichte vgl auch die Mai-Nummer der TN (5/94). Im Dezember 93 hat der VgT beim Zürcher Veterinäramt Anzeige erstattet. Doch wie üblich wurden die Missstände nicht beseitigt. Das Veterinäramt verweigert auch jede Auskunft über die Behandlung des Falles bzw warum bisher nicht eingegriffen wurde. Erfahrungsgemäss unternimmt das Zürcher Veterinäramt alles, um fehlbare Tierhalter durch Passivität und Verdrehung der Tierschutzvorschriften zu decken. Die Beweisakten über solche Amtspflichtverletzungen häufen sich zu Bergen, doch der VgT hat - wie alle Tierschutzorganisationen - kein Recht zu gerichtlichen Klagen. Auch gegen betrügerische Werbemethoden darf der VgT nicht klagen, wie das Bundesgericht kürzlich in einem skandalösen politischen Urteil entschieden hat: Gesetze ohne Richter. So verkauft Leutenegger in Oberwinterthur heute seine täuschenden Eierschachteln weiter! Die Pressekonferenz mit Tatortbesichtigung Ende März, welche zu einer Sendung in Schweiz Aktuell, einer Radioreportage auf DRS 1 sowie zu verschiedenen Zeitungsberichten geführt hat, konnten diesem Eierbetrüger das Handwerk nur teilweise legen: er hat zwar Kunden verloren, doch verschiedene Winterthurer Geschäfte nehmen ihm seine Eier aus der fensterlosen zweistöckigen Tierfabrik in Oberwinterthur weiter ab, und die folgenden Läden verkaufen diese sogar weiter in den täuschenden Schachteln, auf denen glückliche Hühner auf Strohnestern abgebildet sind: Mini-Star-Discount an der Langgasse, Lebensmittelgeschäft Primo an der Eckwiesenstr 20, Metzgerei Sieber an der Wieshofstr. Leutenegger plant jetzt sogar noch eine Vergrösserung seiner Hühnerfabrik in Oberlangenhard. Anbauten sind ausgesteckt. Ein solcher Ausbau einer bodenunabhängigen Tierfabrik in der Landwirtschaftszone verletzt das eidgenössisches Raumplanungsgesetz. Doch auch hier hat der VgT kein Klagerecht. Allzu oft müssen wir tatenlos zusehen, wie kantonale Behörden derartige Geflügelfabriken illegal bewilligen. In der Legehennenfabrik in Oberwinterthur verbringen die Tiere ihr ganzes Leben im schwachen Licht einiger weniger Glühlampen, ohne Tageslicht, die Luft ist drückend, ammoniakgeschwängert. Das Gefieder der Tiere ist zerzaust, abgebrochene Feder; die Hühner sind stellenweise nackt. Das ist ein Hinweis auf stark eingeschränktes Wohlbefinden der Tier (infolge Haltungs-, Zucht- oder Fütterungsfehler). Im Fachbuch "Das Gefieder des Huhns" von Burckhardt/Fölsch/Scheifele, Birkhäuser Verlag, heisst es dazu: "Das Gefieder ist eines der optischen Merkmale, wonach wir das Befinden des Huhnes primär einschätzen." Das Tierschutzgesetz schützt gemäss Artikel 1 das "Wohlbefinden" der Tiere. Artikel 2, Absatz 2 lautet: "Wer mit Tieren umgeht hat, soweit es der Verwendungszweck zulässt, für deren Wohlbefinden zu sorgen." Der Betrieb gehört der Leutenegger AG, die sich selbst (zB im Telefonbuch) als "Geflügelfarm" bezeichnet. Eine Legehennenfabrik dieser AG befindet sich am Hobelwerkweg 11, 8404 Winterthur, Tel 052 27 18 73. Der Aufzuchtbetrieb liegt in Oberlangenhard, 8486 Langenhard, Tel 052 35 21 11 (wo der VgT in der vergangenen Nacht die Bretter vor den Fenstern entfernt hat). Diese "Geflügelfarm" verkauft ihre Eier mit täuschender Aufmachung: Bild mit Hühner im Strohnest (in Wirklichkeit nicht vorhanden). Der Text verspricht "10 Schweizer-Eier direkt vom Geflügelhof - Bodenhaltung". In der Metzgerei Sieber hängt ein gleichermassen täuschendes Plakat. Auf der Innenseite des Schachteldeckels heisst es: "Eier kaufen ist eine Vertrauenssache. Sie haben gut gewählt. Wir garantieren für die Qualität und danken Ihnen für Ihr Vertrauen. Geflügelhof Leutenegger / Geflügelhof Zingg". Artikel 14 der Tierschutzverordnung lautet: "Ställe, in den sich die Tiere dauernd oder überwiegend aufhalten, müssen wenn möglich durch natürliches Tageslicht beleuchtet sein." Beim Aufzuchtbetrieb in Langenhard waren die Fenster trotz Anzeige vom vergangenen Dezember mit Brettern zugenagelt. Der Betrieb in Oberwinterthur hat keine Fenster, obwohl solche technisch einfach zu machen wären. Auch hier hat die Anzeige nichts bewirkt. Zur Frage des Tageslichtes in der Geflügelhaltung gibt es eine strenge Gerichtspraxis. Daraus geht ganz klar hervor: Die Zustände in den Betrieben der Leutenegger AG sind auch in dieser Hinsicht illegal - wie üblich wissentlich geduldet von den verantwortlichen Behörden. Zur Dunkel- bzw Dämmerlichthaltung: Am 3. Aug 92 haben wir gegen den staatlichen Gutsbetrieb Wülflingen eine Disziplinarbeschwerde eingereicht, da die Hühner im Dunkeln gehalten wurden (Fenster abgedeckt, im Stall brannte keine Lampe). Der Betriebsleiter rechtfertigte sich, es seien nur Junghennen aus Dunkelhaltung erhältlich, er könne diese nicht plötzlich Licht aussetzen. Hierauf reichten wir gegen das Veterinäramt eine Beschwerde ein, weil dieses offenbar überall die Dunkelhaltung von Aufzuchthühner dulde. Die Direktion der Volkswirtschaft lehnte die Beschwerde ab mit der Begründung, es würden im Kanton Zürich keine Legehennen im Dunkeln. Der Fall Leutenegger beweist das Gegenteil. Tierschutzanliegen werden immer wieder mit amtlichen Lügen vom Tisch gewischt. Es ist unverständlich, ja unfassbar, dass die Verwaltung ständig solche Tierfabriken schützt, die mit "Land"wirtschaft nichts zu tun haben und mit der offiziellen Landwirtschaftspolitik des Bundesrates (7. Landwirtschaftsbericht) nicht in Einklang stehen. Seit der DemagOgie um die Alpeninitiative ist es kein Geheimnis mehr, wie die Landesregierung mit das Volk mit scheinheiligen, täuschenden und unwahren Stellungnahmen manipulier. Das Tierschutzgesetz, das toter Buchstabe bleibt, gehört auch zu diesen Manipulationen. Eierbetrüger wie Leutenegger gibt es massenhaft; insbesondere mit "Freilandeiern" wird ständig betrogen. Doch wir haben kein Klagerecht - der Konsument ist schutzlos. Gesetze ohne Richter. Deshalb die folgenden Konsumenten-Empfehlungen * Weniger Eier konsumieren (weniger tierisches Fett und Eiweiss ist gesünder) * Nur kontrollierte Freilandeier im Coop oder KAG-Eier bei Detaillisten. * Andere "Freilandeier", insbesondere jene der Migros, sind nicht empfehlenswert, auch nicht solche aus "Bodenhaltung" (wie Beispiel Leutenegger zeigt). Versteckte Eier: Warendeklaration beachten und auf ei-haltige Produkte verzichten; auf Produkte ohne Eier umstellen oder mit Freilandeiern selber backen und kochen. Importierte Käfigeier hat es häufig in Kuchen, Lebkuchen, Christstollen, Cakes, Panettone, Zwieback, Zopf, Crèmen, Patisserie, Guezli, Haselnussstengel, Eimalzin und teilweise andere Schockoladengetränke, Majonnaise, Eierteigwaren, Tortelloni, Ravioli, Salatsaucen, Pfeffersaucen, Currysaucen. Flugblattaktionen: Der VgT hat die Eier-Kunden von Leutenegger mit einem Flugblatt über die Missstände inforiert. Letzte Meldung: Die Hühnerfabrik Leutenegger in Oberwinterthur wird stillgelegt und der Aufzuchtbetrieb in Rikon (Oberlangenhard) verkauft und in eine Freiland-Farm umgebaut. In Rikon stehen bereits die Bauvisiere, welche einen überdeckten Auslauf markieren. Noch in diesem Jahr soll der Umbau erfolgen. Geplant ist eine Freilandhühnerhaltung nach den Normen von Coop-Naturaplan. Der VgT unterstützt dieses tierfreundliche Markenprogramm. Wie der für Coop-Naturaplan zuständige Experte bestätigt hat, entsprechen die Umbaupläne den Naturaplan-Normen. Der VgT wird unter diesen Umständen vorderhand auf weitere Kampfaktionen gegen den Betrieb Leutenegger verzichten, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die geplanten Änderungen nicht verzögert werden. Mit dem in Raumplanungsfragen beschwerdeberechtigten Rheinaubund hat der VgT vereinbart, dass unter diesen Umständen auf die vorgesehene Baueinsprache - der Betrieb liegt in der Landwirtschaftszone - verzichtet wird.
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