VN 1994-12, Dezember 1994
Gerichtliches Nachspiel der
Tierbefreiungsaktion auf dem Strickhof abgeschlossen
von Erwin Kessler
In der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 1993 drangen Aktivisten der
Tierbefreiungsfront (TBF) in den Rindermaststall der Landwirtschaftlichen Schule
Strickhof bei Lindau ZH ein, öffneten die Laufställe und liessen die Mastmunis
frei. Der Direktor des Strickhofes erstattete hierauf Strafanzeige wegen
Hausfriedensbruches. Am 17. Dezember wurde ich von der Thurgauer Kantonspolizei
einvernommen, wobei ich wahrheitsgemäss zu Protokoll gab, lediglich die Presse
informiert zu haben, selbst aber an dieser Aktion nicht beteiligt gewesen zu
sein. Hierauf stellte die Bezirksanwaltschaft Pfäffikon die Strafuntersuchung
ein, wobei mich Bezirksanwalt Vollenweider - offenbar aus Frust, weil er mir
nichts nachweisen konnte - zu 700 Fr Verfahrenskosten verurteilte. Eine solche
"Verdachts-Strafe" ist jedoch gemäss Bundesgerichtspraxis unzulässig. Das
Bezirksgericht Pfäffikon hat deshalb mit Verfügung vom 6.9.94 meine Einsprache
gutgeheissen. In der Begründung heisst es:
Der Einsprecher hat mit der Versendung der Fax-Mitteilung,
aus welcher hervorging, dass die Tierbefreiungsfront für die Tat
verantwortlich war, vorab nichts anderes getan, als Informationen an die
Medien weitergeleitet. In diesem Verhalten kann jedoch nichts Rechtwidriges
festgestellt werden... Der Einsprecher hat durch sein Handeln von seinem Recht
auf freie Meinungsäusserung Gebrauch gemacht... Demnach ist unter diesem
Gesichtspunkt die verfügte Kostenauflage nicht zu rechtfertigen. Die
Bezirksanwaltschaft Pfäffikon ZH wirft dem Einsprecher sodann vor, er habe mit
seiner Weigerung, den oder die Informanten preiszugeben, die Durchführung der
Untersuchung in verwerflicher Weise erschwert. Eine Kostenauflage wegen
Erschwerung der Untersuchung setzt eine klare Verletzung prozessualer
Pflichten voraus wie aktives Vertuschen der Tat oder Täuschen der
Strafverfolgungsbehörde. Die Verletzung einer solchen Pflicht kann dem
Einsprecher im vorliegenden Fall nicht angelastet werden. Zwar hat er in der
polizeilichen Einvernahme Aussagen bezüglich der Herkunft seiner Informationen
verweigert. Dabei ist allerdings zu beachten, dass er als Angeschuldigter in
eine Strafuntersuchung gezogen worden war und ihm in diesem Verfahren nicht
etwa Zeugenstellung zukam. In dieser Situation ist jedoch das Schweige- bzw
Aussageverweigerungsrecht ein verfassungsmässiges Recht, und die Wahrnehmung
eines solchen darf dem Angeschuldigten nicht zum Nachteil gereichen...
Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass dem Einsprecher weder
bezüglich Veranlassung noch Durchführung der Untersuchung ein rechtswidriges
Verhalten vorgeworfen werden kann.
Die Tierbefreiungsaktion hat übrigens einen tierfreundlichen
Umbau des Rindermaststalles ausgelöst und damit ihren Zweck erreicht (vgl
VN 1994-3).
Inhaltsverzeichnis VN 1994-12
Archiv
VgT-Nachrichten
Startseite VgT
|