Robin Hood
Kämpfer für Gerechtigkeit und Beschützer der Rechtlosen

Im ausgehenden Mittelalter lebte in der englischen Grafschaft Yorkshire ein Mann namens Robin Hood. Von den Machthabenden geächtet, kämpfte er gegen die Unterdrückung der Rechtlosen. Wer realisiert, dass heute die Tiere die unterdrückten und ausgebeuteten Rechtlosen sind, wird eine erschreckende Analogie zur heutigen Zeit erkennen.

Dritte Folge: Robin übersteht einen Kampf und gewinnt einen neuen Freund

"Das war mein Pferd, das da wieherte", sagte Robin.
"Und da oben im Wald sind bewaffnete Männer", antwortete der Mönch grimmig. "Nimm deinen Bogen auf, Robin Hood, denn mich dünkt, du wirst ihn bald bitter nötig haben."

Rasch eilte Robin zu der Stelle, wo der Bogen im Grase lag, spannte behende die Sehne. Deutlich hörten sie, wie bewaffnete Männer durch das Unterholz brachen. Es blieb ihnen keine Zeit mehr, das kleine befestigte Haus zu erreichen, in dem sich zwei Männer gegen ein ganzes Heer hätten verteidigen können. Sie gelangten nur bis zu einem kleinen Hügel, der in einer der Flußwindungen gelegen war, und dort erwarteten sie ihre Angreifer.

Robin hob sein Jagdhorn an die Lippen und ließ einen Ruf ertönen, so laut, daß seine Männer ihn hören mußten, wenn sie sich im Umkreis einer Meile befanden. Sollten Sie nicht in der Nähe sein, konnte er nichts anderes tun, als sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen: acht Pfeile hatte er in seinem Köcher und an seiner Seite ein scharfes Schwert. Anders aber war die Lage für den Mönch, der mit gezücktem Schwert neben ihm stand. Warum sollte der um eines Fremden willen sein Leben aufs Spiel setzen? Als sich die ersten Krieger unter den Bäumen zeigten - auf ihren Wappenröcken das ihm nur zu gut bekannte gelbe Kreuz der Abtei von St. Mary -, rief Robin seinem Gefährten zu: "Zurück in dein Haus, Freund! Dieser Angriff gilt mir, nicht dir, - du sollst dein Leben nicht für einen Fremden aufs Spiel setzen." Doch der Mönch lachte nur: "Ich habe mein Lebtag lang noch nie einen guten Kampf verweigert", rief er, legte die Finger an die Lippen und stiess dreimal hintereinander einen langanhaltenden, gellenden Pfiff aus.

Als nun die ersten Krieger und Waldhüter aus dem Wald hervorstürzten, gewahrte Robin etwas wie eine Woge schattenhafter Gestalten, die an ihrer Anhöhe vorbeifegten; als er genauer hinschaute, sah er etwa zehn große Kettenhunde, die mit erhobenen Ruten auf die sich nähernden Männer zujagten, und jede ihrer geschmeidigen Bewegungen verhieß sicheren Tod. Da lachte Robin frohlockend, hob den Bogen und schoß. Sein Pfeil traf den Anführer der Mordgesellen des Bischofs in die Brust, - er warf die Arme hoch und stürzte. Die anderen stürmten nach kurzem Zögern weiter vor, und Robin spannte den nächsten Pfeil ein. Auf ungefähr ein Dutzend Männer schätzte er die Stärke des Gegners; seine Augen wurden schmal, als sie auf einen großen Kerl fielen, der mit einem Waffenrock aus Büffelleder bekleidet war, eine Kettenhaube trug und Befehlsgewalt zu haben schien. Guy von Gisborne! Seit Robins Flucht war dieser Rentmeister des Bischofs in Ungnade gefallen, und nichts wünschte er sehnlicher, als Rache zu nehmen an dem Mann, der an seinem Unglück schuld war. "Es scheint dir wohl an der Zeit, eine alte Zeche zu begleichen?" murmelte Robin und legte, sorgfältig zielend, auf ihn an. Aber noch ehe der Pfeil sein Ziel erreichte, brandete die Hundemeute an die Männer heran. Mit Schwertern und Dolchen kämpften sie ingrimmig gegen diesen furchtbaren und unerwarteten Feind, und mitten unter sie schwirrten Robins Pfeile, einer nach dem anderen. Doch Feiglinge waren sie nicht, und so kämpften sie sich langsam auf die beiden zu, die ihnen da auf dem Hügel die Stirn boten.

Drei der Krieger waren gefallen, aber Guy von Gisborne war nicht unter ihnen. Robins Pfeil hatte ihn nicht ins Herz getroffen, nur seine Schulter durchbohrt, und er stürmte weiter vorwärts. Bis auf wenige Schritte waren die Angreifer herangekommen. Von Bruder Tucks Hunden hatten auch einige ihr Leben lassen müssen. Robin zog sein Schwert und warf den nun nutzlos gewordenen Bogen zu Boden. Als die Krieger sahen, daß sie die schrecklichen Pfeile nicht länger fürchten mußten, jubelten sie und stürmten schneller voran.

Im gleichen Augenblick ertönten laute Rufe oben im Walde, und heruntergejagt kamen braungekleidete Gestalten, im Laufen spannten sie ihre Pfeile; allen voran lief ein riesiger Mann, der den entsetzten Kriegern groß wie ein Baum erschien. Von dieser neuen drohenden Gefahr schauten die Leute des Abtes zu den beiden Männern, die sie auf dem Hügel erwarteten. Einen Augenblick zögerten sie unentschlossen, blickten noch einmal zu den heranstürmenden Geächteten - und flohen. Sie rannten Hals über Kopf davon. Guy von Gisborne war der letzte, der kehrtmachte: sein Gesicht war aschfahl, aus der Schulterwunde rann das Blut, einen letzten haßerfüllten Blick warf er Robin noch zu, dann lief er leicht taumelnd ebenfalls davon. Bellend und geifernd folgten die Hunde ihnen auf den Fersen, und auch die Männer vom Greenwood nahmen mit lautem Geschrei die Verfolgung auf. In wenigen Augenblicken waren Jäger wie Gejagte im Walde verschwunden.

Allein auf dem Hügel zurückgeblieben, blickten Robin und Bruder Tuck heftig atmend einander an, während das Getöse der wilden Verfolgung immer schwächer wurde und endlich erstarb. Dann hob Robin seinen Bogen auf und stieg an der Seite des großen Mönchs den Abhang hinunter. Drei Tote lagen im zertrampelten Grase. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, ging der Mönch an ihnen vorbei, beugte sich über den ausgestreckten Leichnam eines der Hunde und streichelte sein zottiges Haupt; voller Staunen gewahrte Robin, wie sanft dessen große Hand sein konnte. "Gute Jagd, mein alter Gelert", sagte der Mönch leise, "auch euch, Beaufort und Cavell, gute Jagd unter den Sternen am Himmel. Ihr wart treue Freunde." Damit richtete er sich auf und sprach zu Robin gewandt: "Deine Freundschaft kommt mich teuer zu stehen, Verfemter!"

Robin blickte nieder auf die toten Hunde; und plötzlich mußte er an Trusty denken, und sein Herz wurde schwer. "Das tut mir leid", sagte er. "Auch ich hatte einst den Tod eines treuen Hundes zu beklagen." Impulsiv streckte er seine Hand aus, die Bruder Tuck ergriff und zur Besiegelung ihrer Freundschaft herzlich drückte.

Unter den Bäumen raschelte es, der Mönch lauschte und stieß wiederum einen Pfiff aus. Scharfes aufgeregtes Bellen antwortete ihm, und sieben Hunde sprangen aus dem Unterholz hervor. Sie rasten auf ihren Herrn zu, drängten sich um ihn und stießen ihn mit ihren großen wilden Köpfen an. Er rief sie alle beim Namen, begrüßte und lobte sie, kraulte jeden von ihnen hinter den Ohren und liebkoste ihre Schnauzen. "So, Luath! Ho, Levin! Brav habt ihr das gemacht, Bran und Orthros! Sch, sch, meine kleinen Brüder!"

Während er so mit ihnen beschäftigt war und Robin lächelnd zusah, kamen auch Robins Männer wieder aus dem Walde hervor. Atemlos und lachend lief Little John auf seinen Herrn zu. "Wir haben das Gesindel des Abtes bis fast vor die Tore von York gejagt, Herr. Die werden wohl erst aufhören zu rennen, wenn sie innerhalb der Stadtmauern sind. Und außerdem haben sie ihre Pferde zurückgelassen." "Das ist eine gute Nachricht", sagte Robin, "Pferde können wir brauchen!" Stolz betrachtete er seine Schar und wandte sich dann an den riesigen Mönch. "Bruder Tuck, ich hatte gehört, daß man dich als einen gerechten und gütigen Mann preist, und heute fand ich heraus, daß du tapfer bist. So will ich dich fragen, ob du zu uns kommen willst? Meine Männer und ich brauchen einen Priester. Willst du uns die tägliche Messe lesen und an den Festtagen das Hochamt?" "Gerne will ich mit euch gehen", antwortete der Mönch. "Sehr gerne sogar. Denn auch ich habe von euch gehört, daß ihr gute Freunde der Armen und Unterdrückten seid und Feinde der feisten Prälaten und grausamen Barone, die auch meine Feinde sind."

Little John trat auf ihn zu und streckte ihm seine Pranke hin; Mitch, Scarlet und Will-the-Bowman folgten, und auch die übrigen drängten sich heran. Der gewaltige Mönch drückte jedem seiner neuen Freunde die Hand, und sein ruhiges Antlitz erhellte sich vor Freude, denn er war ein Mann, der seine Mitmenschen liebte - trotz seines einsamen Lebenswandels.

So kam es, daß Tuck an diesem Abend, als die Geächteten ihr Lager erreichten, in ihrer Mitte schritt, die Kutte bis zu den Knien geschürzt, seinen Schild auf dem Rücken. Und die sieben großen Hunde tappten leise neben ihm her.

Fortsetzung im nächsten Heft


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