VN96-1
Vom Nationalfonds unterstützte grausame Tierversuche
Die für den Nationalfonds zuständige Bundesrätin Dreifuss heuchelt: «Selbstverständlich unannehmbar ist Tierquälerei bei Tierversuchen.» Gleichzeitig deckt sie sehr qualvolle Versuche des höchsten Belastungsgrades.
Folgende Tierversuche, die vom Nationalfonds mit Steuergeldern
mitfinanziert wurden, sind bekannt geworden:
Fall 1:
Tierversuche am Anatomischen Institut der medizinischen Fakultät der Universität
Lausanne an 120 Katzen (aus ILÄAT-Newsletter). Die Versuchsbeschreibung lautet:
Junge erwachsene Katzen - Kanüle In der Luftröhre, Blosslegen der linken
Oberschenkelvene und Einführen einer Kanüle zur Perfusion mit einer salzigen Lösung,
Blosslegen der linken Oberschenkelarterie zur Kontrolle des Blutdrucks; die Katzen werden
auf einem Halterungsapparat fixiert und in einen geräuschlosen Raum verbracht. Zwei mit
Mikrophonen ausgerüstete SilasticRöhren werden in den Ohrmuscheln angebracht; das
Trommelfell wird chirurgisch durchlöchert; der Schädel durchbohrt und ein Apparat zur
Aufzeichnung der Schallwellen mit Zement am Schädel angebracht. Die Tiere werden durch
Flaxedil gelähmt und künstlich beatmet. Eine Elektrodennadel steckt in der Duramater
(harte Hirnhaut), damit eine Graphik über die Reaktion der Katzen auf die akustischen
Reize aufgezeichnet werden kann. Am Ende des Experiments wird das Hirn seziert.
Fall 2:
Bundesrätin Dreifuss hat dem Tierexperimentator Prof Volker Dietz, Primarius der
Orthopädischen Klinik Balgrist der Universität Zürich mit Worten lobender
Unterstützung einen Preis übergeben. Dieser preisgekrönte Tierquäler hat in grausamen
Versuchen Katzen und anderen Tieren das Rückenmark durchtrennt und dabei festgestellt,
dass Katzen, denen das Rückenmark durchgeschnitten worden war, trotzdem zu einigen
Bewegungen fähig waren. Nach dieser "sensationellen Entdeckung" folgte jedoch
wie üblich, die Feststellung, dass beim Menschen die Dinge ganz anders liegen: "Die
Kraft, die für diese Bewegung nötig wäre, ist im Vergleich zur Katze bei menschlichen
Paraplegikern viel zu schwach. Sie vermögen ohne gezieltes Training keinen einzigen
Schritt zu gehen." Dies Art von Versuchen verlangen, nach den chirurgischen
Eingriffen, langwierige Versuchssessionen, während denen das behinderte Tier künstlich
am Leben erhalten wird, damit man es langen Kontrolltests unterziehen kann (Quelle:
ILÄAT).
Fall 3:
Ähnliche Versuche wie im Fall 2 beschrieben, hat Prof Martin Schwab am Institut für
Hirnforschung der Uni Zürich durchgeführt, unterstützt vom Nationalfonds. Bundesrätin
Dreifuss, Präsidentin der "Marcel-Benoist-Stiftung" hat diesem Tierquäler
persönlich den Benoist-Preis für Forschung überreicht (Quelle: ILÄAT).
Fall 4:
Am Anatomischen Institut der Universität Lausanne wurden Sehschwäche-Versuche an Katzen
durchgeführt, wobei den Katzen die Augenlider zugenäht oder die Augen herausgenommen,
der Sehnerv durchtrennt, die Pfoten amputiert wurden usw. Die Kätzchen haben danach noch
eineinhalb Jahre gelebt.
Fall 5:
Im National-Fonds-Bericht Nr 18/1993 sind unter der Überschrift "Mäuse zeigen, wo
Retroviren in den Körper gelangen" ein vom NF gefördertes Forschungsprojekt und die
dabei durchgeführten sehr qualvollen Tierversuche beschrieben: Den Versuchstieren
(Mäuse) wurden künstlich schwere Tumore beigebracht. Wörtliches Zitat aus der
Versuchsbeschreibung (NF Bericht 18/1993): «Ein grosser Tumor, der ihren Bauch
anschwellen lässt, hat die Milchdrüse dieser Maus befallen. Beim Säugen überträgt sie
Krebsviren auf ihre Jungen." Solche Tumorversuche werden ohne Narkose oder
Schmerzmittel durchgeführt. Wie extrem schmerzhaft Krebsgeschwüre sein können, ist von
menschlichen Krebspatienten, denen nur noch hohe Morphium-Dosen Linderung verschaffen
können, ausreichend bekannt. Die grossen, lange anhaltenden Schmerzen der Versuchstiere
bei solchen Tumorversuchen sind deutlich: die Tiere krümmen sich vor Schmerz, zeigen
Speichelfluss und rot tränende Augen, werden aggressiv und beissen.
Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften und die Schweizerische
Akademie der Naturwissenschaften verlangen in ihren gemeinsamen Ethischen Grundsätzen und
Richtlinien für wissenschaftliche Tierversuche: Versuche, die dem Tier schwere Leiden
verursachen, müssen vermieden werden, indem durch Änderung der zu prüfenden Aussage
andere Erfolgskriterien gewählt werden, oder indem auf den erhofften Erkenntnisgewinn
verzichtet wird. Als schwere Zustände gelten Zustände, welche beim Menschen ohne
lindernde Massnahmen als unerträglich zu bezeichnen wären.
Mit seiner heutigen Forschungsförderungspraxis unterstützt der NF grausame Tierversuche,
welche die Richtlinien der Schweizer Wissenschafts-Akademien verletzen. Wir halten diesen
Zustand für unakzeptabel. Erschwerend kommt hinzu, dass das oben beschriebene Beispiel
nicht nur ethisch verwerflich sondern auch vom möglichen Nutzen her sehr fragwürdig ist.
Die Vereinigung "Ärzte gegen Tierversuche" hat uns dazu folgende Stellungnahme
abgegeben:
Dass das Mammatumorvirus (MTV) der Maus über die Milch übertragen wird, also oral, ist
seit den 60er Jahren bekannt. Über eine Generation mutterloser Aufzucht, bzw
Ammenaufzucht mit virusfreien Müttern gelang es deshalb recht leicht, da MTV aus den
Versuchstierbeständen zu eliminieren. Sicher bestehen Parallelen beim
Übertragungsmechanismus zwischen MTV und Aids. Aber gerade diese Art der Übertragung ist
leicht mit entsprechenden Verhütungsmassnahmen zu verhindern. Wo Armut solche
Verhütungsmechanismen verhindert, wird es auch keinen - in seiner Wirkung ohnehin sehr
fraglichen - Impfstoff geben. Die Mäuseversuche werden also keine wirkungsvollen Dienste
in der Aidsbekämpfung leisten. Die Belastung der Tiere ist dagegen sehr hoch, wenn es zur
Tumorentwicklung kommt. Die Kosten/Nutzen-Relation ist somit schlecht. Auf solche Versuche
kann ersatzlos verzichtet werden.
Der Nutzen von humanmedizinischen Tierversuchen wird von immer mehr Fachleuten generell
angezweifelt. In dieser fragwürdigen Situation ist es erst recht nicht verantwortbar,
qualvolle Versuche durchzuführen, in denen die Tiere extremen Schmerzen ausgesetzt
werden.
Wenn es dieser Forschung wirklich um Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen ginge und
nicht nur um das Milliardengeschäft unseres Krankenwesens, dann müssten die finanziellen
Mittel primär in die Prophylaxe fliessen und nicht hauptsächlich in Methoden zur
Bekämpfung von Krankheits-Symptomen. Tatsächlich aber führt die Präventivmedizin heute
ein unbedeutendes Randdasein, obwohl bekannt und wissenschaftlich anerkannt ist, dass der
grösste Teil der schweren Zivilisationskrankheiten durch ungesunde Lebensgewohnheiten
letztlich selbst verschuldet sind. Hiefür wehrlose, gesunde Tiere schwer leiden zu lassen
ist bestialisch und unvereinbar mit einer humanistischen Medizin und einer
sozial-ethischen Einstellung, die auch nicht-menschliche, leidensfähige Lebewesen
einbeziehen muss. Obwohl sich die Zivilisationskrankheiten immer mehr ausbreiten und immer
mehr Todesopfer fordern, weckt die Medizin mit ihren technischen Spitzenleistungen in
Einzelfällen in der Bevölkerung Hoffnungen, die sie nicht erfüllen kann, und welche
dazu verleiten, mit der Gesundheit weiter sorglos umzugehen. Eine Einschränkung der
Tierversuche auf wenig belastende würde die Forschung zwingen, vermehrt nach Alternativen
zu suchen und mehr auf die menschlichen Patienten und die psycho-sozialen Hintergründe
der Krankheiten einzugehen anstatt wie heute üblich die Aufmerksamkeit und die
finanziellen Mittel so masslos auf die in der Schweiz jährlich "verbrauchten"
900 000 Versuchstiere zu konzentrieren Eine Heilmethode an einem künstlich krank
gemachten Tier, das in einem Labor zu Tode geängstigt und gequält wird, zu prüfen und
daraus auf die Wirkung bei einem unter ganz anderen Lebensbedingungen und aus ganz anderen
Gründen (Stress, falsche Ernährung, Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel etc) krank
gewordenen Menschen zu schliessen, ist unwissenschaftlich und entspringt einem
mechanistisch-technokratischen Menschenbild. Kein Wunder, dass unter solchen Umständen
die Krebsforschung seit Jahrzehnten keine entscheidenden Fortschritte erzielt und diese
und andere Zivilisationskrankheiten zunehmende Todesopfer fordern. Es ist ethisch
unverantwortlich, gesunde Tiere - die genauso leidensfähig sind wie wir - künstlich
krank zu machen und derart leiden zu lassen. Es gibt andere Forschungsmethoden als
grausame Versuche am lebenden, nicht narkotisierten Tier. Hier könnte der NF wohltätig
und sinnvoll wirken. Aber solange in der Landesregierung Tierschutz damit abgetan wird,
man dürfe «Tiere und Menschen nicht gleichsetzen» (was wir nicht tun, aber ethisch
unterentwickelte Menschen kommen immer wieder mit diesem dummen Einwand), müssen die
leidenden Tiere wohl noch lange auf Gerechtigkeit und Humanität warten.
In einer vom VgT in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage haben sich 3/4 der
Schweizer gegen qualvolle Tierversuche ausgesprochen, auch wenn dadurch auf
wissenschaftliche Erkenntnisse verzichtet werden muss. Aber die Volksmeinung interessiert
unserer Bundesräte - auch die sozialdemokratischen - schon lange nicht mehr. Es bleibt
die Frage, was an einer solchen Politik noch «sozial» oder «demokratisch» sein soll.
(c) Verein gegen
Tierfabriken Schweiz
VN96-1, Januar 1996
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