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Aus einem Artikel im Thurgauer Tagblatt/Thurgauer Volksfreund:

Stolz - worauf?

von Peter Baumann

Prolog einer Festrede von Bundesrat Moritz Leuenberger anlässlich der Bischofszeller Landsgemeinde:
«Wir wollen mehr als einen wohl-organisierten Wohlfahrts- und Leistungsstaat, wo ein jeder ausrechnet, wieviel Steuern er sparen und welche Leistungen er vom Staat beziehen kann. Wir wollen eine Schweiz, in der sich alle daheim fühlen

Aha, daheimfühlen! Tut gut dies zu hören, oder darüber zu lesen. Besonders nach den von Wirtschaftskoryphäen erstellten Leistungsbilanzen über jene, die politisch das Geschehen im Land zum Wohlergehen desselben bestimmen sollten und jeweils bei vaterländischen Jubiläen so bewegend von Heimat zu reden pflegen. Auch sie, die Brötchengeber zahlloser Lohnempfänger, könnten sich einen etwas anderen Staat vorstellen als den gegenwärtigen mit - ich zitiere das Verdikt von zwei Grossunternehmern - «unfähigen Politikern; überbezahlten Chefbeamten; einer ineffizienten Bundesverwaltung, einem mutlosen Bundesrat und einem wehrlosen Volk.”

Indes sind auch immer mehr Normalverbraucher populistisch verbrämter «Wir-wollen»-Statements prominenter Festtagsredner überdrüssig. Die Schweiz ein Wohlfahrtsstaat? Aber ja! Beispielsweise für einkommenslose Mehrfachmillionäre, worunter auch einige Bundesparlamentarier. So funktioniert im Sozialstaat Schweiz, wo gut ein Drittel der Bevölkerung mit dem Existenzminimum über die Runden kommen muss, Kapitalgewinne jedoch steuerfrei sind und bleiben, die fiskalische Gerechtigkeit.
Doch zumindest noch vor dem Gesetz sind wir Schweizer alle gleich. Selbstverständlich auch in den Bereichen Tiernutz und Tierschutz. Selbstverständlich? Dr Erwin Kessler, seines Zeichens VgT-Präsident, weiss es besser. Bestraft wird in der Regel nicht die artwidrige Haltung von Nutztieren, sondern der Protest dagegen. Und seine Aufklärungskampagne über Importe von Fleisch geschächteter Tiere sowie gegen Bestrebungen, das in der Schweiz geltende Schächtverbot aufzuheben, hat ihm eine zweimonatige Gefängnisstrafe wegen Antisemitismus eingebracht. Erwin Kessler ein Antisemit? Da lachen ja die Hühner. Allerdings nicht lange, ist das Federvieh doch vom Schächtverbot ausgenommen. Zugegeben, ich bekunde etwelche Mühe, zu verstehen: Da protestiert ein praktizierender Tierschützer gegen ein barbarisches Tötungsritual, worauf ihn ein beflissener Richter aufgrund einer Anzeige von Sigi Feigel, wegen Verstosses gegen das Anti-Rassismus-Gesetz verurteilt hat...


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