In der aktuellen Ausgabe der Gastro-Info "Messer&Gabel" verbreitet die halbstaatliche "Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung" (GSF) erneut faustdicke Unwahrheit über helles Kalbfleisch
Und: Coop täuscht die Konsumenten: in Wahrheit erhalten die Coop-Kälber keine artgerechte Fütterung
In der aktuellen Ausgabe 4/98 von "Messer&Gabel" führt die mit Steuergeldern finanzierte GSF erneut einen Propaganda-Feldzug zugunsten von hellem Kalbfleisch. Einmal mehr werden die wahren Motive - kommerzielles Interesse an einer farblichen Unterscheidung des teuren Kalbfleisches vom billigern Rindfleisch - hinter Unwahrheiten versteckt. Manipulation der Öffentlichkeit in staatlichem Auftrag und mit Steuergeldern.
Hier ein paar Müsterchen aus der raffinierten Desinformation:
"Kälber, die älter sind als drei Wochen, erhalten Stroh, Heu oder ähnliches Futter zur freien Aufnahme. Ist jedoch die Versorgung mit Vollmilch, Magermilch und Schotte, kombiniert mit Milchersatzfutter ausreichend, ist das Bedürfnis der Kälber nach Stroh, Heu und Ähnlichem gering."
Die Tierschutzverordnung verlangt in Artikel 16 eine Fütterung der Kälber mit "Stroh, Heu oder ähnlichem Futter". Der Haken an dieser schönklingenden Vorschrift ist, dass es genügt, wenn Kälbern nur Stroh erhalten. Stroh ist aber kein Futter für Kälber und ersetzt artgemässes Rauhfutter wie Heu oder Gras nicht. In der Praxis erhalten die Kälber nur Stroh, damit das Fleisch hell bleibt. Das gilt auch für die Coop-Kälber, obwohl in der Werbung behauptet wird, Coop verkaufe nur Kalbfleisch von Tieren, die artgerecht gehalten und tiergerecht gefüttert würden.
Aus der Verhaltensbiologischen-Fachliteratur ist über die natürlichen Bedürfnisse der Kälber folgendes bekannt:
In naturnaher Umgebung bringt die Kuh ihr Kalb an einem geschützten, versteckten Ort zur Welt (Hecken, Maisfeld) und bleibt zu seinem Schutz in seiner Nähe. Schon nach wenigen Tagen folgt das Kalb seiner Mutter zur Herde, kennt dann auch schon die Stimme seiner Mutter, beginnt mit anderen Jungen zu spielen, entdeckt in übermütigen Sprüngen seinen Körper, erkundet im Umherstreifen die Welt, ruht im weichen Gras liegend und beginnt ab der zweiten Lebenswoche schon auch mit Grasen und Wiederkäuen. Die Aufnahme von Rauhfutter (Gras, Heu) zusätzlich zur Muttermilch ist notwendig für das Wohlbefinden dieses mit einem Wiederkäuermagen ausgerüsteten Tieres. Grasen und Wiederkäuen stellen einen wesentlichen Teil im Tagesablauf dar und dienen auch der natürlichen Beschäftigung.
Unter dem Titel "Die Verwendung von Grobfutter bei der Mast von Kälbern mit Flüssigmilch aus der Sicht der Ethologie" schrieben Bogener/Franckh/Grauvogel in der Tierärztlichen
Rundschau 11/1986: "Aus der Sicht der Ethologie sind auch für sogenannte Milchmastkälber Gaben von Grobfutter, insbesondere von Heu, in der Grössenordnung von mindestens 0,2 kg pro Tier und Tag entsprechend einer angemessenen, artgemässen Nahrung im Sinne des Tierschutzes zu fordern." Die Untersuchung zeigt insbesondere, dass die Fresszeiten bei Heu-Beifütterung wesentlich länger war, als bei Stroh-Beifütterung (40,4 resp 14,4 min).
Auch Untersuchungen von Kooijman/Wierenga/Wiepkema ("Verhaltensanomalien bei Mastkälbern in Gruppenhaltung mit und ohne Rauhfutteraufnahmemöglichkeit", KTBL-Schrift 342, 1989) bestätigen die Überlegenheit von Heu gegenüber Stroh. Bei diesen Versuchen mit einer Gruppenhaltung auf Vollspaltenböden bewirkte Heu eine stärkere Reduktion von Verhaltensanomalien als Stroh.
Die Behauptung der GSF, "das Bedürfnis der Kälber nach Stroh, Heu und Ähnlichem" sei gering, ist eine irreführende Vertauschung von Ursache und Wirkung: Kälber haben ein geringes Bedürfnis nach Stroh, weil Stroh kein artgemässes Futter ist - und Heu und Gras erhalten sie keines. Wenn die Tiere dann das allein angebotene Stroh verschmähen, schreibt die GSF, die Tiere hätten nur ein geringes Bedürfnis nach "Stroh, Heu oder Ähnlichem"!
Weiter schreibt die GSF in "Messer&Gabel":
"Empfohlen wird eine Zugabe von 20 mg Eisen pro kg Trockensubstanz des Futters, wie dies für industriell hergestelltes Kälbermastfutter vorgeschrieben ist. Mit dieser Zugabe wird bei Schlachtreife ein durchschnittlicher Bluthämoglobingehalt von ca 9 g/dl erreicht. Der Produzent kann so gesunde Tiere liefern, die mit ihrem hellen Fleisch den Ansprüchen des Marktes genügen. Vom Tierschutz immer wieder geforderte höhere Eisenzugaben sind für die Gesamtpopulation der Kälber nicht gerechtfertigt."
Auch diese Behauptung ist unwahr:
Eine vor ein paar Jahren an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Nutztiere in Posieux durchgeführte Untersuchung (publiziert in "Landwirtschaft Schweiz" 1991, Seite 41) beurteilt einen Hämoglobingehalt von 11,4 g/dl Blut (immerhin höher als der oben von der GSF angegebene Wert!) nur deshalb als "optimal", da weniger zu einer Einbusse an Wachstumsfreudigkeit und mehr zu rotem Fleisch führe. Eine solche Beurteilung, die sich rein an der Wirtschaftlichkeit orientiert, ist vom tierschützerischen Standpunkt aus unhaltbar, denn Artikel 16 der Tierschutzverordnung verlangt:
"Kälber müssen so gefüttert werden, dass sie mit genügend Eisen versorgt sind."
Was "genügend" ist, misst sich selbstverständlich am Wohlbefinden der Tiere - es ist ja eine Tierschutzvorschrift! - nicht an maximalen Mast-Leistungen oder an der Fleischfarbe! Aus dem gleichen Grund ist auch der in dieser Arbeit als "optimal" beurteilte Eisengehalt im Futter von 20 mg pro kg Trockensubstanz, auf den sich die GSF bezieht, verfehlt. In einem persönlichen Schreiben datiert vom 18. Januar 1990 hat mir Dr Gutzwiller von der Forschungsanstalt in Posieux mitgeteilt, dass bei 20 mg Eisen pro kg Trockensubstanz des Futters wegen der biologischen Streuung die einen Kälber blutarm (also krank infolge Mangelfütterung)m die andern eventuell rotfleischig seien. Das Tierschutzgesetz dient gemäss Artikel 1 ausdrücklich dem Schutz des Wohlbefindens der Tiere und nicht nur der Vermeidung einer suboptimalen Wachstumsgeschwindigkeit. Im übrigen ist diese Arbeit aus Posieux insofern einseitig, als keinerlei Bezug zum Normal-Hämoglobingehalt gesunder Kälber bei naturnaher Fütterung und Aufzucht hergestellt wurde.
Artikel 16 (Rauhfutter-Vorschrift) der Tierschutzverordnung ist - wie fast alle anderen Tierschutzvorschriften - toter Buchstabe geblieben. Das Bundesamt für Veterinärwesen und die kantonalen Veterinärämter behandeln die Tierschutzvorschriften als blosse Empfehlungen. Als ob das Schweizer Volk nie mit überwältigendem Mehr ein eidgenössisches Tierschutzgesetz gutgeheissen hätten, wird einfach alles dem Markt überlassen, und der Bund finanziert über die von der Fleischlobby gesteuerten staatlichen und halbstaatlichen Institute - GSF und Forschungsanstalt Posieux - die systematische Falschinformation der Konsumenten.
Der Direktor der Forschungsanstalt Posieux, Jacques Morel, schrieb in der Fachzeitschrift "Berater-Information" 2/1991 zu den vorgeschriebenen 20 Milligramm Eisen je kg Milchpulver, welche noch weisses Kalbfleisch ergeben:
"Sie (die 20 Milligramm) ermöglichen, Kälber zu produzieren, welche die Anforderungen sowohl der Konsumenten als auch der Landwirte und nicht zuletzt des Tierschutzes bestens erfüllen."
Wie bestochen muss ein Fachmann sein, von dieser widernatürlichen Kälber-Fütterung zu behaupten, sie erfülle die Anforderungen des Tierschutzes bestens! Dieser Eisengehalt im Kälber-Futter wurde vom Bundesamt für Veterinärwesen offensichtlich nicht zum Schutz der Tiere, sondern zum Schutz der Tierhalter festgelegt: damit soll verhindert werden, dass Tierhalter aufgrund von weissfleischigen Kälbern wegen Verletzung des Tierschutzgesetzes angezeigt werden.
Die konsequente Alternative zu diesen ewigen Konsumententäuschungen: Gesunde, schmackhafte vegetarische Ernährung - Ihrer Gesundheit und den Tieren zuliebe! Erst noch preisgünstiger!
(c) Verein
gegen Tierfabriken Schweiz
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