Tierversuchs-Konzern
Covance: Willkürliche Nichtbehandlung einer willkürlichen Medienzensur durch den EGMR von Erwin Kessler, Präsident VgT Motto: In der Schweiz gibt es keine Zensur - aber sie funktioniert. Kurt Tucholsky Der Verein gegen Tierfabriken Schweiz (VgT) veröffentlichte im Jahr 2004 Foto- und Videoaufnahmen von groben Misshandlungen von Affen in Versuchslabors des internationalen Tierversuchs-Konzerns Covance (www.vgt.ch/covance). Auf Antrag des Konzerns erliess der Vizepräsident des Bezirksgerichts Münchwilen (Thurgau) ohne Anhörung des VgT eine superprovisorische Zensurverfügung: Dem VgT wurde darin unter Androhung von Strafe befohlen, die Aufnahmen im Internet sofort zu löschen und jegliche Publikationen dieser Bilddokummente zu unterlassen. Ein Rechtsmittel gegen diese Verfügung gab es nach thurgauischem Recht nicht. Das Magazin "VgT-Nachrichten" mit einer grossen Reportage über den Fall war jedoch bereits im Druck (Auflage 220'000). Der VgT entschloss sich zu passivem Widerstand gegen diese rechtswidrig-willkürliche Zensurverfügung und liess die VgT-Nachrichten planmässig verteilen. Auch die Aufnahmen im Internet wurden nicht gelöscht. Damit ging der VgT ein grosses Risiko ein und riskierte noch mehr Staatsterror. Monate später wurde die Zensurverfügung aufgrund eines Gutachtens von Prof Franz Riklin wieder aufgehoben (www.vgt.ch/covance). Ein sehr grosser materieller Schaden konnte dadurch vermieden werden, dass sich der VgT über diese Verfügung hinwegsetzte und den Druck und den Versand des Magazines nicht stoppte und das Risiko einer Beschlagnahmung einging. In einem Rekurs gegen den Schlussentscheid (Massnahmeentscheideid; Covance leitete kein Hauptverfahren ein) des Bezirksgerichtes Münchwilen verlangte der VgT vor dem Thurgauer Obergericht eine angemessenere Entschädigung für das erstinstanzliche Verfahren und - mit Blick auf künftige Zensurverfügungen - die Feststellung der Verletzung von Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK (Meinungsäusserungs- und Medienfreiheit). Das Obergericht wies den Rekurs ab. Eine dagegen erhobene Staatsrechtliche Beschwerde wurde vom Bundesgericht hinsichtlich der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Obergericht gutgeheissen, bezüglich des Feststellungsbegehrens mit dubios-formalistischen Erwägungen betreffend Substanzierung der Beschwerde abgewiesen (BGE 5P.314/2004), und dies, obwohl das Bundesgericht bei der Überprüfung von EMRK-Verletzungen freie Kognition hat (Mark Villiger, Handbuch der EMRK, 2. Auflage, Seite 54). Hierauf erhob der VgT Beschwerde beim EGMR und machte fünf EMRK-Verletzungen geltend. Zwei davon betrafen Verfahrensmängel, drei eine materielle Verletzung der Medien- und Meinungsäusserungsfreiheit (www.vgt.ch/covance). Der EGMR erklärte die Beschwerde mit der Begründung für unzulässig, es handle sich nicht um eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne von Artikel 6 EMRK. Diese haltlose, mit der bisherigen Praxis im Widerspruch stehende Auffassung wurde mit keinem Wort begründet, weil es für diese plumpe Behauptung auch keine Begründung gibt, denn die Zensurverfügung wurde in einem zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzverfahren erlassen und solche Verfahren wurden und werden vom EGMR in konstanter Praxis als "zivilrechtliche Streitigkeiten" im Sinne von Artikel 6 EMRK ausgelegt (Mark Villiger, Handbuch der EMRK, 2. Auflage, Seite 247). Auch Schadenersatzforderungen gegenüber dem Staat waren nach bisheriger Praxis des EGMR zivilrechtliche Streitigkeiten im Sinne von Artikel 6 (Villiger Seite 246). Menschenverachtende Willkür vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte! Die Zensurverfügung stellt offensichtlich einen massiven Eingriff in die durch Artikel 10 EMRK geschützte Medien- und Meinungsäusserungsfreiheit dar. Gegen solche Verletzungen von materiellen EMRK-Garantien sind Beschwerden zulässig, unabhängig davon ob für das entsprechende nationale Verfahren die Garantien eines fairen Verfahrens nach Artikel 6 EMRK gelten oder nicht. Der EGMR hätte deshalb prüfen müssen, ob dieser Eingriff gerechtfertigt war oder nicht. Die Unzulässigkeitsbegründung des EGMR geht willkürlich am Kern der Beschwerde vorbei. Die Behebung einer EMRK-Verletzung nimmt der EGMR primär so vor, dass er diese Verletzung in einem Urteil feststellt, allenfalls ergänzt durch Zusprechung einer Entschädigung. Weder das Obergericht noch das Bundesgericht haben schlüssig dargelegt, warum ein solches Begehren um Feststellung einer EMRK-Verletzung durch die vorinstanzliche Zensurverfügung nicht zulässig sein soll. Der Verweis auf den verwaltungsgerichtlichen Weg durch das Ober- und das Bundesgericht ist deshalb geradezu querulatorisch, was sich die Richter wohl bewusst waren, weshalb sie sich mit Andeutungen begnügten. Artikel 13 EMRK verlangt ausdrücklich, dass die EMRK-Konventionsstaaten wirksame Rechtsmittel gegen EMRK-Verletzungen zur Verfügung stellen müssen. In casu gab es kein anderes wirksames Rechtsmittel als den vom VgT ergriffene Rekurs gegen den Massnahmeentscheid. Wie man die Sache auch dreht und wendet, der Unzulässigkeitsentscheid des EGMR gleicht mehr einem Orakelspruch als einem würdigen Entscheid eines modernen Gerichtshofes. Mehr dazu: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte missbraucht das Zulassungsverfahren in verlogener, menschenverachtender Weise zur Arbeitserleichertung |