20. Dezember  2011 - letztmals aktualisiert am 22. Dezember 2020

Nach zweimaliger Verurteilung der Schweiz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erneute Zensur eines VgT-Werbespots durch das Schweizer Staatsfernsehen

Gemäss Urteil des EGMR vom 22. Dezember 2020 war auch diese Zensur wieder rechtswidrig

Das Schweizer Staats-Fernsehen hat dank staatlichem Konzessionssystem eine markt-beherrschende Stellung. Gemäss übereinstimmender Praxis des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) hat eine solche Institution die Grundrechte, insbesondere die Meinungsäusserungsfreiheit, zu beachten. Unbelehrbar glauben die staatlichen Fernsehmacher jedoch, sie könnten sich nach Belieben gebärden wie irgend eine private Firma.

Erneut hat das Schweizer Staatsfernsehen nun wieder einen TV-Spot des VgT zensuriert, obwohl die Schweiz wegen genau solcher TV-Spot-Zensur durch SF schon zweimal vom EGMR verurteilt worden ist.  

 Den zensurierten TV-Spot ansehen

Das Beschwerdeverfahren:

Die Ombudsstelle SRF versuchte die Beschwerde mit falschen formalistischen Behauptungen abzuwürgen. Der VgT reagierte darauf wie folgt:

27. Dezember 2011 

Ombudsstelle SRF
Kramgasse 16
3011 Bern 

Unsere Beschwerde vom 20. Dezember 2011 gegen eine Werbespot-Zensur 

In Ihrem Schreiben vom 23. Dezember verweigern Sie die Annahme der Beschwerde mit der haltlosen Begründung, Sie und die UBI seien nur für ausgestrahlte Sendungen zuständig, nicht für Zugangsverweigerungsbeschwerden. 

Es nimmt mich schon Wunder, wie Sie Ihre Aufgabe erfüllen, wenn Sie nicht einmal die grundlegendsten Bestimmungen des RTVG kennen, insbesondere Art 91 und 94, wo Sie und die UBI ganz klar auch für Programmzugangsverweigerungsbeschwerden (worunter praxisgemäss auch die Werbung fällt) zuständig erklärt sind. 

Bitte bestätigen Sie mir umgehend, bis spätestens 5. Januar, dass Sie die Beschwerde nun behandeln. Andernfalls sehe ich mich gezwungen, Beschwerde gegen Ihren Entscheid zu erheben

 Dr Erwin Kessler, Präsident VgT

Mit Schreiben vom 3. Januar 2012 räumte die Ombudsstelle schliesslich ein, das Radio- und Fernsehgesetz falsch interpretiert zu haben und erklärt Annahme der Beschwerde zur Prüfung.

Beschwerde an die UBI vom 22. Februar 2012

Am 22. Juni 2012 wies die UBI die Beschwerde mit 5:2 Stimmen ab.

Beschwerde an das Bundesgericht vom 16. Oktober 2012

Stellungnahme (Beschwerdeantwort) der SRG

Replik des VgT zur Stellungnahme der SRG

Am 16. November 2013 hiess das Bundesgericht die Beschwerde des VgT einstimmig gut. Die Zensur des VgT-Werbespots war einmal mehr verfassungs- und menschenrechtswidrig.

Urteil des Bundesgerichts

Einschaltplan Schweizer Fernsehen (letzte Dezemberwoche 2013)

 

Gegen dieses Urteil des Bundesgerichts erhob Fernsehen SRF/SRG Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht EGMR - und ist damit nun abgeblitzt:

EGMR-Urteil vom 22. Dezember 2020

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht
hat die Beschwerde von SRF/SRG abgewiesen, denn:
Die Zensur war rechtswidrig, der Spot musste gesendet werden.

Der EGMR begründet das Urteil so:
Die Verpflichtung des Schweizer Fernsehens zur Ausstrahlung eines Spots des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) verstiess nicht gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung. Der Werbespot enthielt in Bild und Ton die Formulierung "www.vgt.ch - was das Schweizer Fernsehen totschweigt". Das Schweizer Fernsehen verweigerte die Ausstrahlung mit der Begründung, der Spot sei geschäfts- und imageschädigend im Sinne ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der EGMR hält im heute veröffentlichten Urteil fest, dass es sich beim strittigen Spot nicht um eine gewöhnliche Produktewerbung handle. Vielmehr sei der Spot Teil einer nationalen Kampagne des VgT gewesen, mit welchem der Verein seine Tätigkeit im Bereich des Tierschutzes einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen wollte. Dies entspricht gemäss dem Gerichtshof einem Thema von öffentlichen Interesse. Aufgrund der Stellung der SRG in der schweizerischen Medienlandschaft hätte diese die Kritik ihr gegenüber akzeptieren und den Spot ausstrahlen müssen. Dies würden Pluralismus und eine offene Geisteshaltung in einer demokratischen Gesellschaft gebieten. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer sei es darüber hinaus offensichtlich gewesen, dass der Spot die Meinung des VgT in einer provokanten Art und Weise darstelle.