30. Oktober 2002 / 29. Juli 2003:

Volksinitiative gegen das bet�ubungslose Sch�chten:

Verfassungswidrige Behinderung der Unterschriftensammlung in Aarau
 
VgT erh�lt gegen Stadtrat Aarau Recht
 
 
Am Nachmittag des 16. Oktober 2002 sammelte ein VgT-Mitglied in Aarau im Gebiet Holzmarkt/Graben Unterschriften f�r die eidg Volksinitiative gegen das bet�ubunglose Sch�chten (www.vgt.ch/vn/0202/schaecht-initiative.htm). Dies wurde ihm von der Polizei  auf der Stelle verboten mit der Begr�ndung, das Sammeln von Unterschriften auf �ffentlichem Grund ohne Polizeibewilligung sei verboten. Der Stadtrat vertrat die gleiche Auffassung und wies eine Beschwerde gegen diese Polizeiwillk�r ab. Diesen abweisenden Entscheid focht der VgT mit Verwaltungsbeschwerde beim Departement des Innern des Kantons Aarauan - und erhielt Recht. Die Beschwerde hatte folgenden Wortlaut:



Hiermit erhebe ich namens des Vereins gegen Tierfabriken VgT sowie in eigenem Namen als Mitglied des Initiativkommites der eidg Volksinitiative gegen das bet�ubungslose Sch�chten

Verwaltungbeschwerde

gegen den

Entscheid des Stadtrates Aarau vom 20. Januar 2003
betreffend
Unterschriftensammlung auf �ffentlichem Grund

mit dem Antrag:

Es sei festzustellen, dass es Einzelpersonen ohne Bewilligung erlaubt ist, auf �ffentlichem Grund Unterschriften f�r eine eidgen�ssische Volksinitiative zu sammeln und dass der widersprechende Entscheid der Stadt rechtswidrig ist,
unter Kosten- und Entsch�digungsfolge zu Lasten der Stadt Aarau

Begr�ndung:

1. Sachverhalt

Am Nachmittag des 16. Oktobers 2002, um ca 14 Uhr, erkundigte sich VgT-Mitglied R..., wohnhaft an der G...str in 5000 Aarau, auf der Hauptwache der Stadtpolizei Aarau, ob es einer Bewilligung bed�rfe, um in der Stadt Unterschriften f�r eine eidgen�ssische Volksinitiative des VgT zu sammeln. Dies wurde verneint. Um ca 15 Uhr hielt sich R dann beim Fischlibrunnen auf der Kreuzung der Fussg�ngerpassage Igelweid-Graben mit dem �usseren Graben auf. Er war allein, hielt Unterschriftenb�gen in der Hand und sammelte bei den Passanten Unterschriften. Diese Kreuzung bildet einen freien Platz von ca 15 m Durchmesser; die Reihe der dem �usseren Graben entlang aufgestellten Marktst�nde ist an dieser Stelle unterbrochen. R wurde hier von Stadtpolizist Wm Umbricht angehalten, der ihm das weitere Sammeln von Unterschriften verbot mit der Begr�ndung, dies sei auf �ffentlichem Grund ohne Polizeibewilligung nicht erlaubt. Umbricht erl�uterte ihm, ohne Bewilligung d�rfe �ffentlicher Grund nur dazu ben�tzt werden, um sich von A nach B zu bewegen; jede dar�ber hinausgehende T�tigkeit auf �ffentlichem Grund bed�rfe einer Bewilligung aufgrund eines schriftlichen Gesuches. Es ergab sich ein kurzes Gespr�ch, in dem R sein Erstaunen �ber dieses Verbot ausdr�ckte und ob es denn auch einer Bewilligung bed�rfe, wenn Marktbesucher stillstehen, um �ber das Wetter, die Politik und Gott und die Welt zu diskutieren. Schliesslich f�gte er sich jedoch dem polizeilichen Verbot, brach das Sammeln von Unterschriften ab und erkundigte sich beim VgT, ob das Sammeln von Unterschriften tats�chlich einer Polizeibewilligung bed�rfe.

Beweisantrag:
R sei zur obigen Sachverhaltsdarstellung als Zeuge zu befragen


2. Rechtliches

a) Widerspr�chlichkeit des vorinstanzlichen Entscheides

Die Sachverhaltsdarstellung der Vorinstanz ist unrichtig und widerspr�chlich und gibt offensichtlich v�llig einseitig und unreflektiert Schutzbehauptungen des fehlbaren Stadtpolizisten Wm Umbricht wieder. Dass der Stadtrat (Vorinstanz) dessen Sachverhaltsbehauptungen in keiner Weise kritisch gepr�ft, sondern einfach mechanisch in seinen Entscheid �bernommen hat, zeigt sich an der chaotischen Darstellung verschiedener �rtlichkeiten, die in Wirklichkeit - f�r den unbefangenen Leser nicht erkennbar - alle mit der oben erw�hnten Kreuzung beim Fischlibrunnen identisch sind.

Widerspr�chlich ist der vorinstanzliche Entscheid mit der Behauptung, Wm Umbricht habe R das Sammeln von Unterschriften nicht verboten, sondern ihn lediglich auf die Bewilligungspflicht aufmerksam gemacht. Mit der Wegweisung wegen fehlender Bewilligung hat Wm Umbricht effektiv R zu jenem Zeitpunkt verboten, weiter Unterschriften zu sammeln. Weiter widerspr�chlich ist auch die Behauptung der Vorinstanz, Wm Umbricht habe R lediglich einen anderen Standort zugewiesen. Wie kann f�r eine ohne Bewilligung verbotene T�tigkeit ein (anderer) Standort zugewiesen werden, wenn keine Bewilligung vorliegt?

Unwahr oder zumindest unglaubw�rdig ist die Behauptung der Vorinstanz, Marktfahrer wie Marktbesucher h�tten sich bei Wm Umbricht �ber das Unterschriftensammeln durch R beschwert, weil die Marktbesucher behindert worden seien und "weil seine T�tigkeit naturgem�ss noch mehr Leute anzog". Dass eine Einzelperson mit einem Unterschrifenbogen in der Hand, ohne irgendwelche Werbe-Utensilien, Leute anziehen soll, welche den �brigen Fussg�ngerverkehr behindern, widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Gew�hnlich stehen Passanten (leider) nicht Schlange, um eine Initiative unterschreiben zu k�nnen! Und dass R angeblich mehr Leute auf den Markt gelockt haben soll, geh�rt ins Reich der unfreiwilligen kabarettistischen T�tigkeit des Aarauer Stadtrates. Es gereicht R und dem VgT zur Ehre, dass das Sammeln von Unterschriften f�r eine VgT-Initiative die Bev�lkerung Aaraus derart exorbitant anziehen soll, dass der Marktverkehr zum erliegen kommt. Das ist zuviel der Ehre und leider nicht "naturgem�ss", wie der Stadtrat behauptet, so sehr wir uns das w�nschten.

Beweisantrag:
Wm Umbricht sei nach den Namen der Marktfahrer zu befragen, die sich angeblich �ber R beschwert haben, und es seien diese Marktfahrer als Zeugen zu befragen.

Wm Umbricht kennt den Markt gut; er wird sich sicherlich mindestens noch an einzelne dieser Marktfahrer erinnern, die sich bei ihm angeblich beschwert haben. R seinerseits konnte seltsamerweise niemanden beobachten, der sich bei Wm Umbricht beschwert haben k�nnte und hat selber keine Beschwerden erhalten. Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich Marktfahrer durch R gest�rt gef�hlt haben sollen, da er sich ja im Bereich des Fischlibrunnens aufhielt, wo es gar keine Marktst�nde hat. Weiter ist wenig glaubhaft, dass sich Marktfahrer direkt bei der Polizei beschweren, ohne vorher mit R, einem umg�nglichen Menschen, gesprochen zu haben. Unglaubw�rdig ist �berhaupt die von der Vorinstanz behauptete Behinderung der Marktbesucher auf diesem Platz. Entsprechend unglaubw�rdig ist auch, dass Fussg�nger wegen dem von R angeblich verursachten Volksauflauf unvermittelt in gef�hrlicher Weise h�tten die Fahrbahn betreten k�nnen, hier beim Fischlibrunnen, wo w�hrend des Marktes die Fahrbahn des Grabens sowieso st�ndig vom Fussg�ngerstrom der Igelweid-Passage gekreuzt wurde! Diese Darstellungen des Stadtrates sind reine Schutzbehauptungen des fehlbaren Polizisten.


b) Gemeingebrauch �ffentlichen Grundes und Bewilligungspflicht

Die Vorinstanz hat die Auffassung von Wm Umbricht gesch�tzt, das Sammeln von Unterschriften durch Einzelpersonen auf st�dtischem Grund sei ohne Polizeibewilligung nicht erlaubt.

Der Gemeingebrauch �ffentlichen Grundes beschr�nkt sich nicht auf die Fortbewegung von A nach B, sondern umfasst alles �bliche, sozialvertr�gliche Verhalten. Dazu geh�rt insbesondere auch die Aus�bung der Grundrechte (Meinungs�usserungs- und Kundgebungsfreiheit) und die Wahrnehmung politischer Rechte im �blichen Umfang. Die Unterstellung nichtkommerzieller T�tigkeiten auf �ffentlichem Grund unter eine Polizeibewilligungspflicht stellt einen Grundrechtseingriff dar, welcher nur zur Aufrechterhaltung der �ffentlichen Ordnung, insbesondere zur Verhinderung von unverh�ltnism�ssigen oder gef�hrlichen Verkehrsbehinderungen zul�ssig ist. Unabh�ngig davon ob Polizeibewilligungen geb�hrenpflichtig sind oder nicht, ist ein solcher Eingriff um so unverh�ltnism�ssiger und unzumutbarer, je unbedeutender der Anlass, dh die zu bewilligende T�tigkeit ist. W�hrend Grossanl�sse im voraus geplant und organisiert werden m�ssen und das Einholen einer Bewilligung deshalb keine besondere Erschwernis darstellt, ist dies bei spontanen Aktivit�ten von Einzelpersonen anders; solche werden durch eine Polizeibewilligung geradezu verunm�glicht oder doch schwerwiegend behindert, denn gem�ss allgemeiner Lebenserfahrung werden individuelle Kleinaktivit�ten einzelner B�rger in der Regel nicht lange im voraus geplant, sondern richten sich nach Zeit, Lust und Wetter. Gem�ss Bundesgerichtspraxis geht es deshalb zu weit, das Verteilen von Flugbl�ttern auf �ffentlichem Grund durch Einzelpersonen einer Bewilligungspflicht zu unterstellen. Analog muss das erst recht gelten f�r das Sammeln von Unterschriften, steht doch die Aus�bung politischer Rechte unter besonderem verfassungsrechtlichen Schutz.

Aus diesen Gr�nden ist der angefochtene Entscheid klar verfassungs- und menschenrechtswidrig (BV Art 9, Art 10 Abs 2, Art 16, Art 22, Art 34, Art 35, EMRK Art 10 und 11) und deshalb im Sinne des Antrages aufzuheben.

Literatur:
- Urs Saxer, Die Grundrechte und die Benutzung �ffentlicher Strassen, Schulthess Polygraphischer Verlag Z�rich, 1988
- Hans Reinhard, Allgemeines Polizeirecht, Verlag Paul Haupt, 1993


Mit freundlichen Gr�ssen
Dr Erwin Kessler, Pr�sident VgT

 

 
Eine Bewilligungspflicht f�r Einzelpersonen ist derart unverh�ltnism�ssig, dass der VgT mit einer Beschwerde beim Europ�ischen Gerichtshof f�r Menschenrechte grosse Chancen gehabt h�tte, wenn die nationalen Instanzen den verfassungs- und menschenrechtswidrigen Entscheid des Stadtrates Aarau gesch�tzt h�tten. Diese politische Blamage wollte die Aargauer Regierung offensichtlich vermeiden. Mit Entscheid vom 25. Juli 2003 hat das zust�ndige Departement des Innern dem VgT Recht gegeben und festgestellt:
 

... Gerade im hier zu beurteilenden innerst�dtischen Bereich, mit seinen teilweise verkehrsfreien Zonen, oder auch auf grossen Pl�tzen und in ausgedehnten Alleen beschr�nkt sich der bestimmungsgem�sse Gebrauch �ffentlichen Grundes nicht ausschliesslich auf den Verkehr. Es geh�ren aufgrund der baulichen Anlage auch kommunikative Bet�tigungen zur Zweckbestimmung. Das Sammeln von Unterschriften durch Einzelpersonen ohne festen Standort ist zudem auch gemeinvertr�glich. Die St�rungen, die von einer Einzelperson ausgehen k�nnen, sind als gering einzusch�tzen und �bersteigen den Rahmen des Gewohnten nicht. Ein eigenes Bewilligungsverfahren zu diesem Zwecke w�re unverh�ltnism�ssig. Schliesslich sind gem�ss Regelung von � 103 BauG �ber den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzungsarten nicht nur bewilligungspflichtig, sondern auch geb�hrenpflichtig. Diesbez�glich d�rfte es kaum zul�ssig sein, von Einzelpersonen, welche auf �ffentlichem Grund Unterschriften f�r Initiativen sammeln, eine Geb�hr zu verlangen.

 
Mit dieser klaren Feststellung, ist der Antrag des VgT gutgeheissen worden. Dagegen sch�tzte das Departement den verantwortlichen Polizisten ebenso willk�rlich wie schon der Stadtrat: Dieser habe das Recht gehabt, dem Unterschriftensammler einen anderen Standort zuzuweisen. Tats�chlich wurde dem Aarauer VgT-Mitglied jedoch verboten, ohne Bewilligung Unterschriften zu sammeln. Sowohl der Stadtrat wie auch das Departement st�tzten sich in ihren Erw�gungen v�llig einseitig auf die Schutzbehauptungen des Polizisten. Die wesentlich abweichende Sachverhaltsdarstellung des betroffenen Unterschriftensammlers wurden kurzerhand ignoriert, er wurde nicht einmal angeh�rt. Dies ist um so willk�rlicher, als letzerer offensichtlich glaubw�rdiger ist, da er keinen Anlass hatte, die Situation unwahr darzustellen, w�hrend der von der Beschwerde betroffene Polizist versuchte, sich mit Sachverhaltsverdrehungen zu rechtfertigen. Gegen diese Willk�r und Verweigerung des Rechts auf den Beweis (verweigerte Zeugeneinvernahme des Unterschriftensammlers) hat der VgT leider kein Rechtsmittel, da der Beschwerdeantrag nur die Feststellung verlangte, dass Einzelpersonen ohne Bewilligung Unterschriften sammeln d�rfen, und dieser Antrag gutgeheissen wurde.
 
VgT-Pr�sident Dr Erwin Kessler empfiehlt seinen Mitgliedern, sich k�nftig solchen Behinderungen bei der Unterschriftensammung mit passivem Widerstand zu widersetzen, wie das ein Gerichtsurteil zu einem analogen Fall nahelegt: Zwei jugendliche VgT-Mitglieder, die auf �ffentlichem Grund friedlich Drucksachen verteilten, wurden von einem B�lacher Polizisten weggewiesen. Auf eine Klage des VgT hin wurde gerichtlich festgestellt, dass diese Wegweisung rechtswidrig erfolgte. Konsequenzen f�r den Polizisten, der seine Wegweisung damit begr�ndete, bei den Drucksachen handle es sich sowieso nur um "dem Kessler seinen Seich" hatte dieser Amtsmissbrauch indessen kein. Er wurde vom B�lacher Stadtpr�sidenten gedeckt, ebenso wie vom B�lacher Einzelrichter ... Fischer, der im Urteil sinngem�ss festhielt, die beiden Jugendlichen seien selber Schuld, dass sie dieser polizeilichen Wegweisung Folge geleistet h�tten. Mehr dazu: www.vgt.ch/justizwillkuer/Polizeiwillkuer-Buelach.htm
 
Mehr �ber die st�ndige Justiz- und Vewaltungswillk�r gegen den VgT: www.vgt.ch/justizwillkuer/index.htm
 

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