14. Oktober 2005 / VN06-2

Bischofskonferenz: verlogene Heuchler!

In den VgT-Nachrichten VN05-3 (Seite 23) hat der VgT publik gemacht, dass die Schweizerische Bischofskonferenz in der Vernehmlassung zur Revision des Tierschutzgesetzes die Aufhebung des Verbotes des "Schlachtens ohne Betäubung" (Schächten) und damit grausame, perverse Tierquälerei befürwortet hat.

Die Bischofskonferenz liess dies nun durch ihren Generalsekretär wie folgt bestreiten (Schreiben vom 4. Oktober 2005):

Die Schweizer Bischöfe hätten nie etwas gesagt, dass die Vorschrift, wonach Tiere vor dem Schlachten betäubt werden müssen, für Juden und Moslems nicht gelten sollen. Dahingehend habe sich die Bischofskonferenz nie geäussert. Diese Behauptung sei ein "Unsinn" und "es wäre in der Tat bedenklich, wenn sich die Schweizer Bischofkonferenz aktiv ... für das Schächten ohne Narkotisierung einsetzen würde."

Die Wahrheit sieht ganz anders aus. Im Internet ist auf dem "Portal Katholische Kirche Schweiz", www.kath.ch, folgende Stellungnahme der Bischofskonferenz zum Schächten veröffentlicht (diese Veröffentlichung war mindestens am 14. Oktober 2005 noch vorhanden, möglich dass sie jetzt bald entfernt wird):

Stellungnahme der Schweizer Bischofskonferenz im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zur Revision des Tierschutzgesetzes

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement
Generalsekretariat

3003 BERN

Freiburg, 21. Dezember 2001

Sehr geehrte Damen und Herren

Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) bedankt sich für die Einladung, zur vorgesehenen Revision des Tierschutzgesetzes Stellung zu nehmen. Sie kann sich nach Durchsicht des Vorentwurfs und der Er­läuterungen auf zwei Punkte beschränken, nämlich (1) die Umschreibung der Würde der Kreatur und (2) das Schächtverbot.

1. Die Würde der Kreatur

Art. 3 Bst. a des Vorentwurfs gibt eine unhaltbare Definition des Begriffs „Würde der Kreatur“, wenn diese mit natürlicher Integrität und mit selbstständiger Lebensfähigkeit gleichgesetzt wird. Zum einen ist unklar, was „natürliche Integrität“ heisst, d. h. der zu definierende Begriff wird durch einen anderen, ebenso erläuterungsbedürftigen Begriff „erklärt“. So könnte mit gutem Grund etwa auch argumentiert werden, jede Züchtung und jede Haltung eines Tieres in einer anderen als seiner natürlichen Lebensumgebung tangiere dessen natürliche Integrität. Zum anderen ist der Fall durchaus denkbar, wo die Würde eines Tieres bereits verletzt wird, bevor seine selbstständige Lebensfähigkeit in Frage gestellt ist. Abgesehen davon ist auch hier noch einmal unklar, was selbststän­dige Lebensfähigkeit genau bedeutet.

Nun ist es in der Tat bereits vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens schwierig, in einer kurzen Formel eindeutig zu definieren, was „Würde der Kreatur“ inhaltlich heisst. Dazu kommt, dass wohl jede solche Definition weltbildabhängig und somit in einer pluralistischen Gesellschaft kaum konsensfähig ist. Es stellt sich deshalb die Frage, ob ein moderner Staat eine solche ideologisch gefärbte Definition überhaupt in sein Recht aufnehmen soll.

Der SBK erscheint aus diesen Gründen ein funktionaler Zugang zielführender: In Art. 3 ist zu stipulieren, welche allgemeinen Rechtsfolgen die Würde der Kreatur hat: Schmerzempfindlichen Tieren dürfen nicht Leiden oder Stress zugefügt werden.[1] Ausnahmen von diesem Grundsatz sind um so begründungsbedürftiger, je grösser das zugefügte Leiden, je weniger wichtig der Zweck und je eher Alternativen verfügbar sind. Für den Bereich der schweizerischen Landwirtschaft dürften diese Bedingungen nicht erfüllt sein. Hingegen kann diese Notwendigkeit bei Tierversuchen fallweise gegeben sein.

Somit möchte die SBK die folgende Formulierung vorschlagen:

Art. 3 Begriffe

a. Die Würde des Tieres ist gewahrt, wenn ihm in Haltung und Züchtung nicht ohne Notwendigkeit Leiden oder Stress zugefügt werden und seine artgerechte Lebensfähigkeit erhalten bleibt.

Gegen die Formulierungen in Art. 4 Abs. 2 und 3, Art. 10 Abs. 3, Art. 15 sowie Art. 25 Abs. 1 Bst. e sind keine Einwände zu machen. Hingegen möchte die SBK vorschlagen, in Art. 9 Abs. 2 nicht allgemein von „Würde der Kreatur“ zu sprechen, sondern zu formulieren:

... dabei berücksichtigt er ihre Würde.

2. Schächtverbot

Das Verbot der Schlachtung von Tieren gemäss jüdischem und islamischem Ritus stellt ohne Zweifel einen ernsten Eingriff in die Religionsfreiheit dar; dieser einhelligen Meinung zahlreicher Staatsrechtler entspricht auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2000. Die SBK hat bei anderen Gelegenheiten die zentrale Stellung der Religionsfreiheit als Menschenrecht und ihre Bedeutung für die Demokratie unterstrichen.[2] Ein derart wichtiges Grundrecht wie die Religionsfreiheit dürfte nur eingeschränkt werden, wenn eindeutige und überwiegende anderweitige Interessen dies unabweislich erforderten.

Die SBK ist nun klar der Meinung, dass diese Notwendigkeit vom Tierschutzgedanken her nicht gegeben ist. Biologen und Veterinärmediziner sind sich in keiner Weise einig darüber, ob Tiere bei der Schächtung unzumutbar leiden. Angesichts dieser unentschiedenen und wohl nie entscheidbaren Kontroverse unter den Fachvertretern ist es diskriminierend, also für einen Rechtsstaat unhaltbar, und für einen weltanschaulich neutralen Staat undenkbar, eine Bestimmung in seinem Recht zu belassen, die sich de facto einzig und allein gegen das Recht auf freie Religionsausübung von Menschen jüdischen und islamischen Glaubens richtet. Die SBK erachtet das Schächtverbot als obsoletes historisches Relikt, das es zu beseitigen gilt.

Bei dieser Gelegenheit möchten die Schweizer Bischöfe weiter darauf hinweisen, dass sie sich wohl bewusst sind, dass das Schächtverbot, neben anerkennungswürdigen Beweggründen des Tierschutzes, historisch eindeutig auch antisemitische Wurzeln hat. Solches Recht ist illegitim und kann nicht beibehalten werden.

Die SBK erklärt sich deshalb ausdrücklich mit Art. 19 Abs. 4 des Vorentwurfs einverstanden. Tierschützerischen Aspekten kann auf Grund der dort vorgesehenen Bewilligungspflicht ausreichend Rechnung getragen werden.

Die Schweizer Bischofskonferenz dankt Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, für die Aufmerksamkeit, die Sie den obigen Ausführungen schenken wollen, und verbleibt mit der Zusicherung ihrer vorzüglichsten Hochachtung

+ Amédée Grab OSB
Präsident der Schweizer Bischofskonferenz

Dr. Agnell Rickenmann
Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz

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[1] Vgl. Justitia et Pax (Hrsg.), Gentechnik und Ethik (J+P Text 3/97), 32.

[2] Vgl. z. B. die Stellungnahme der SBK zum Verfassungsentwurf 1995, in: Justitia et Pax (Hrsg.), Die Schweiz in guter Verfassung, Zürich: NZN 1997, S. 100f., so­wie dort auch die Ausführungen ihrer Stabskommission Justitia et Pax S. 80f.

Quelle: SBK/CES/CVS, 21.12.2001

 

Kommentar von Erwin Kessler, Präsident des VgT:

1. Die Behauptung, gemäss einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2000 stelle ein Schächtverbot einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, ist unwahr. Mehr dazu: Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte von 27.6.2000 lässt offen, ob ein
Schächtverbot die Religionsfreiheit verletze

2. Es besteht in der Schweiz kein Verbot des Schächtens und ein solches ist nie von irgend einer Seite, auch nicht vom VgT, verlangt worde. Es besteht lediglich die ausnahmslose Vorschrift, dass Säugetiere vor dem Schlachten betäubt werden müssen. Die schweizerischen Tierschutzorganisationen, einschliesslich der VgT, haben nie mehr als die Betäubung der Tiere vor dem Schächten geforert. Damit wird aber nach orthodox-jüdischer Auffassung das jüdische Schächten verunmöglicht, weil die Tiere beim jüdischen Schächten angeblich bei Bewusstsein sein müssen. Deshalb wird die Betäubungsvorschrift in der von den Schächtjuden dominierten öffentlichen Diskussion kurzernhand als "Schächtverbot" bezeichnet und unter "Schächten" das betäubungslose Schlachten verstanden.  (Die Moslems akzeptieren mehrheitlich das Betäuben vor dem Schächten. Wenn der VgT gelegentlich um der Klarheit willen von "betäubungslosem Schächten" spricht, ist dies aus jüdischer Sicht ein Pleonasmus.)

3. Bei der Revision des Tierschutzgesetzes wollte der Bundesrat, das Juden und Moslems von der Betäubungspflicht entbunden würden. Nur das stand bezüglich Schächten im Vernehmlassungsverfahren zur Diskussion, nichts anderes. Der Bundesrat musste dieses Ansinnen dann aber fallen lassen angesichts des geschlossenen Widerstandes der schweizerischen Tierschutzorganisationen, der Schweizerischen Tierärztegesellschaft, des Bauernverbandes, des Metzgermeisterverbandes und eine breiten, sich in Leserbriefen artikulierende Öffentlichkeit.

4. Die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) gehörte zu den wenigen Vernehmlassern, welche das Ansinnen des Bundesrates - Aufhebung der Betäubungspflicht für Juden und Moslems -unterstützte. In obiger Stellungnahme heisst es dazu ganz klar: "Die SBK ist nun klar der Meinung, dass diese Notwendigkeit vom Tierschutzgedanken her nicht gegeben ist."  Die SBK begründet dies in obiger Vernehmlassung damit, es sei umstritten, ob die Tiere beim (betäubungslosen) Schächten "unzumutbar" leiden und erkärt unmissverständlich: "Die SBK erachtet das Schächtverbot als obsoletes historisches Relikt, das es zu beseitigen gilt." Und weiter: "Die SBK erklärt sich deshalb ausdrücklich mit Art. 19 Abs. 4 des Vorentwurfs einverstanden."

5. Der in die Vernehmlassung geschickte, von der SBK offiziell untersützte Art 19 Abs 4 hatte folgenden Wortlaut:

"Das Schlachten von Säugetieren ohne Betäubung vor dem Blutentzug ist nur mit einer Bewilligung der zuständigen Behörde in bewilligten Schlachtanlagen, welche über eine Bewilligung nach Artikel 16 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände verfügen, zulässig, um den Bedürfnissen von Religionsgemeinschaften zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften das betäubungslose Schlachten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch von Tieren untersagen, die vor dem Blutentzug betäubt worden sind."

Und da hat nun die Schweizerische Bischofskonferenz die Kaltblütigkeit, ihre Unterstützung des Schächtens bestreiten zu lassen, mit folgendem Schreiben:

 

Geht es noch verlogener und scheinheiliger?

In der Auseinandersetzung mit der Gemeinde Röschenz, welcher das Bistum Basel ihren beliebten Pfarrer Sabo wegnehmen will, beruft sich Bischof Koch aufs Kirchenrecht. Der Kritik an der klösterlichen Schweinefabrik St Elisabeth weicht das Bistum mit Berufung aufs (völlig ungenügende) Tierschutzrecht aus. Auf das Evangelium beruft sich das Bistum kaum je, wenn es um Fragen der Menschlichkeit geht.


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