4. September 2006, aktualisiert am 6. März 2008 web-code: 200-030 Kanton
Nidwalden:
Der VgT hat am 4. September 2006 den Nidwaldner Strafbehörden folgende Strafanzeige eingereicht: Hiermit erstatte ich gegen Landwirt Alois Scheuber-Fuchs, Tuftloch, 6382 Büren NW wegen Vergehen gegen das Tierschutzgesetz. Begründung: Der Angezeigte betreibt in einem Stall gegenüber Allmendstrasse 8 in Büren eine Schweinemast. Dabei missachtet er die sehr wichtige Beschäftigungsvorschrift gemäss Artikel 20 der Tierschutzverordnung, wonach Schweine täglich über längere Zeit mit Stroh, Rauhfutter oder ähnlichem zu beschäftigen sind. Die Missachtung dieser Vorschrift hat fatale Folgen, wie durch Aufnahme vom 29.8.06 (veröffentlicht unter www.vgt.ch/news2006/060904-bueren.htm) belegt ist: Abgefressene, blutige Schwänze. Das bedeutet Kannibalismus, eine schwere Verhaltensstörung, die ausschliesslich bei nicht artgerechter Haltung vorkommt, insbesondere bei fehlender Beschäftigung. Der Angezeigte ist deshalb nicht nur wegen Übertretung einer Tierschutzvorschrift, sondern wegen eventualvorsätzlicher oder fahrlässiger Tierquälerei im Sinne von Artikel 27 Absatz 1 lit a zu bestrafen. Gestützt auf das Öffentlichkeitsgebot für
Strafverfahren ersuche ich Sie mir, eine Kopie Ihres Schlussentscheides
bzw eine Einladung zu einer allfälligen öffentlichen Gerichtsverhandlung
zuzustellen. BGE 124 IV 234 und Öffentlichkeitsgebot gemäss EMRK Artikel 6 (siehe Hauser/Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, fünfte Auflage, Seite 388, Rz 24, sowie das Urteil des Thurgauer Obergerichtes, veröffentlicht unter www.vgt.ch/id/200-003). Dr Erwin Kessler, Präsident VgT
Am 9. Mai 2007 erhob der VgT Beschwerde beim Obergericht: An das Obergericht des Kantons Nidwalden Hiermit erhebe ich Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen das kantonale Verhöramt mit dem Rechtsbegehren: Das kantonale Verhöramt sei anzuweisen, dem Beschwerdeführer eine Kopie des Schlussentscheides in Sachen Alois Scheuber-Fuchs, 6382 Büren NW, betreffend Missachtung des Tierschutzgesetzes, zuzustellen. Begründung: Am 4. September 2007 reichte der Beschwerdeführer (BF) in seiner Funktion als Präsident des Vereins gegen Tierfabriken Schweiz dem Verhöramt eine Strafanzeige gegen Alois Scheuber ein. Darin ersuchte der BF das Verhöramt, unter ausdrücklichem Hinweise auf die Rechtslage, ihm zu gegebener Zeit eine Kopie des Schlussentscheides zuzustellen oder ihm eine allfälligen öffentliche Gerichtsverhandlung anzukündigen. Das Verhöramt ignorierte dieses Ersuchen. Mehrmalige Ermahnungen per Email liess das Verhöramt unbeachtet. Am 9. Mai 2007 schickte der BF eine letzte Mahnung mit der Ankündigung einer Rechtsverweigerungsbeschwerde, sollte darauf wieder nicht reagiert werden. Hierauf antwortete Verhörrichterin Carmen Kaufmann, das Verfahren sei seit längerem abgeschlossen, der BF habe aber kein Recht auf Einsicht in den Schlussentscheid. Auf die rechtlichen Hinweise dazu in der Strafanzeige ging sie mit keinem Wort ein. Sie verkennt offensichtlich gröblich die Rechtslage, verletzte das rechtliche Gehör und beging eine klare Rechtsverweigerung. Mit freundlichen Grüssen
Anmerkungen: Wenn sich kantonale Behörden unter Missachtung des Öffentlichkeitsgebotes weigern, ihren Strafentscheid bekannt zu geben, stehen erfahrungsgemäss meistens Eigeninteressen der Beamten dahinter: Man will nicht, dass die skandalösen Trinkgeldbussen, welche gegen Tierquäler ausgesprochen werden, öffentlich bekannt werden. Diese Trinkgeldbussen zeigen andererseits, dass die Behörden solche Zustände als "normal" und kaum strafwürdig ansehen. Der vorliegende Fall scheint im Kanton Nidwalden kein Einzelfall zu sein, sondern halt das Übliche. Der VgT wird sich in nächster Zeit intensiver um den Kanton NW kümmern, der bisher noch nie richtig durchleuchtet wurde, da der VgT nicht in allen 25 Kantonen gleichzeitig tätig sein kann. Dass solche grausame Missstände von den Nidwaldner Behörden nicht ernst genommen werden, ergibt sich auch daraus, dass dieser Betrieb im Frühjahr 2006 vom Landwirtschaftsamt "kontrolliert" wurde (siehe den Bericht in der Obwaldner Zeitung) und der VgT im August darauf den oben fotografisch dokumentierten blutigen Kannibalismus feststellen musste (siehe den Bericht in 20minuten). Inzwischen hat sich wenig geändert in diesem Schweinestall. Die Schweine haben jetzt Ketten und Autoreifen als Spielzeug zur Verfügung, das sie von Kannibalismus ablenken soll:
Es ist wissenschaftlich untersucht und erwiesen und unter Fachleuten bekannt, dass Ketten und Autoreifen kein geeignetes Beschäftigungsmaterial für Schweine ist. Das ist eine reine Alibi-Massnahme. Tiergerecht im Sinne des Tierschutzgesetzes ist nur täglich frisches, zerkaubares Material wie Stroh, Heu oder Silage oder Weichhölzer. Solches ist in den Richtlinien zur Schweinehaltung des Bundesamtes für Veterinärwesen ausdrücklich vorgeschrieben. Auf dem Boden sind nicht die geringsten Reste von Rauhfutter zu sehen. Das belegt, dass die Schweine auch heute noch nicht die nötige, gesetzlich vorgeschrieben Beschäftigungsmöglichkeit in ihrem extrem eintönigen, dunklen Verliess erhalten, währen draussen die Sonne scheint und die Frühlingswiesen blühen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis in diesem Nidwaldner Schweinestall - und wohl auch andernorts - wieder blutiger Kannibalismus unter den KZ-artig gehaltenen Tieren ausbricht. Eine Gesellschaft, die - staatlich geduldet - so mit ihren Tieren umgeht, ist eine moralisch degenierte Gesellschaft. Keine der bestehenden politischen Parteien kümmert sich ernsthaft darum. Der VgT wird deshalb künftig auch als politische Partei, als Tier- und Konsumentenschutzpartei, versuchen, das traurige Schicksal der Schwächsten und Wehrlosesten in diesem Staat zu verbessern. Weil das Tierschutzgesetz toter Buchstabe bleibt, besteht die Hoffnung für die Tiere vorallem darum, dass immer mehr Menschen immer weniger (Schweine-)Fleisch essen. Der VgT empfiehlt deshalb:
Ausstandsbegehren gegen den Präsidenten des Nidwaldner Obergerichtes: Gemäss Bericht in der Neuen Nidwaldner Zeitung vom 15. Juni 2007 äusserte sich der Präsident des Nidwaldner Obergerichtes, Albert Müller, unqualifiziert und sachverhaltsverdrehend über die Rechtsverweigerungsbeschwerde des VgT. Der VgT verlangte deshalb am 16. Juni 2007 mit folgendem Begehren beim Verwaltungsgericht, dass Müller in den Ausstand zu treten habe:
Stellungnahme von Gerichtspräsident Albert Müller vom 18. Juni 2007:
Aufgrund dieser Stellungnahme hat der VgT das Ausstandsbegehren zurückgezogen. Der Entscheid des Obergerichtes Gegen diesen krass rechtswidrigen, willkürlichen Entscheid erhob der VgT am 10. September 2007 Beschwerde an das Bundesgericht Mit Urteil vom 18. Februar 2008 hiess das Bundesgericht die Beschwerde des VgT gut und stellte fest, dass das Obergericht des Kantons Nidwaldens das durch die Verfassung und durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantierte rechtliche Gehör gleich mehrfach verletzt hat, nämlich durch die Verweigerung der Einsicht in den Strafentscheid Scheuber und indem das Obergericht dem VgT die Stellungnahme des Verhöramtes nicht zur Kenntnis gab. Das Zeitalter der Aufklärung scheint Nidwalden noch nicht erreicht zu haben. Gutheissender Entscheid des Bundesgerichts Gegen die sinnlose Schikane, dass die Kopie des Strafbefehls persönlich auf der Kanzlei in Nidwalden abgeholt werden muss (eine Tagesreise), während diese ohne Mehraufwand per Post oder Email zugestellt werden könnte, hat der VgT Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben. Der EGMR trat wegen Arbeitsüberlastung nicht auf die Beschwerde ein (siehe EGMR-Zulassung). Inzwischen hat der VgT den Strafbefehl gegen Scheuber wegen seiner tierquälerischen Schweinehaltung erhalten (Schreiben des Obergerichts). Diese grobe Tierquälerei wurde von der Nidwaldner Justiz wie vermutet als blosse Übertretung (ohne Eintrag ins Strafregister) behandelt. Es sind ja nur Tiere..... |