7. September 2008
Ein vom Tages-Anzeiger nicht
veröffentlichter Leserbrief
Das Bundesgericht
ist ein schlechter Hüter der Menschenrechte
Von 1974-2006 hätten von 3475 Beschwerden
nur 62 zu einer Verurteilung geführt. Diese Zahlen geben jedoch ein
völlig falsches Bild der Einhaltung der Menschenrechtsgarantien in der
Schweiz, aus folgendem Grund: Weil die Mitgliedstaaten des Europarates
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGRM) keine
ausreichende Infrastruktur zur Verfügung stellen, ist der Gerichtshof
dermassen hoffnungslos überlastet, dass er lediglich weniger als 5 %
aller eingehenden Beschwerden behandeln kann. Da er aber eigentlich alle
behandeln müsste, welche die formellen
Voraussetzungen erfüllen (und das ist die grosse Mehrheit), missbraucht
der Gerichtshof das Zulassungsverfahren dazu, massenhaft formell
zulässige Beschwerden als angeblich "unzulässig" zurückzweisen,
insgesamt mehr als 95 %. Weil diese als "unzulässig" erklärten
Beschwerden eigentlich zulässig wären, erfolgt die Rückweisung mit einer
nichtssagenden zweizeiligen
Standardphrase. Der bekannte Freiburger Rechtsprofessor Franz Ricklin
hat diese Praxis des EGMR als "verlogen" bezeichnet. Indessen ist dies
nicht nur verlogen, sondern menschenverachtend, wenn ein vom Staat
verfolgter Bürger den langen nationalen Instanzenzug durchläuft mit der
letzten
Hoffnung auf den EGMR und dann von diesem abgespiesen wird, als habe er
eine völlig haltlose, unzulässige Beschwerde erhoben. Vor diesem
Hintergrund sieht die Menschenrechtssituation in der Schweiz ganz anders
aus als die Statistik oberflächlich gesehen glauben macht. Zum Beispiel
wurden von den drei
Beschwerden des VgT - einer in der Schweiz politisch verfolgten
Vereinigung -, welche der EGMR zugelassen hat, alle gutgeheissen.
Insgesamt werden die zugelassenen Beschwerden gegen die Schweiz
mehrheitlich gutgeheissen und führen zu den regelmässigen
Verurteilungen der Schweiz
wegen Menschenrechtsverletzungen - ein sehr schlechtes Zeugnis für das
Schweizerische Bundesgericht als oberster Hüter der Verfassung und der
Menschenrechte. Doch das Bundesgericht hat mit seiner politischen
Justizwillkür (siehe
www.vgt.ch/justizwillkuer) wenig zu befürchten bei
einer EGMR-Zulassungsrate von weniger als 5 %.
Erwin Kessler, Verein gegen Tierfabriken Schweiz VgT.ch
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