12. Februar 2001

VgT-Beschwerde gegen Falschinformation über Brustgurtanbindung von Mutterschweinen in der Kassensturzsendung

Mit Datum vom 9. Februar hat die Ombudsstelle DRS die Beschwerde des VgT gutgeheissen. Gest�tzt darauf hat der VgT heute bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz UBI Beschwerde gegen die Kassensturzsendung vom 23. Januar erhoben, worin wahrheitswidrig behauptet wurde, die skandalöse Brustgurtanbindung von Mutterschweinen in Österreich sei in der Schweiz (seit über zehn Jahren) verboten.

Die Beschwerde im Wortlaut:

12. Februar 2001

An die
Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI
für Radio und Fernsehen
Postfach 8547
3001 Bern

Hiermit erhebe ich namens des Vereins gegen Tierfabriken Schweiz 

Beschwerde

gegen die

Kassensturz-Sendung über Antibiotika in der Schweinemast vom 23. Januar 2001

mit dem Antrag:

Es sei festzustellen, dass die obgenannte Kassensturztsendung die Pflicht zu sachgerechter Information verletzt hat, indem wahrheitswidrig behauptet wurde, die in einem �sterreichischen Betrieb gezeigte Brustgurtanbindung sei in der Schweiz schon seit über zehn Jahren verboten.

Begründung:

Seit dem Weggang der Herren Gasche und Rätz vom Kassensturz sind in dieser Sendung die tatsächlichen Missstände in der schweizerischen Schweinehaltung nie mehr ungeschminkt gezeigt worden. In all diesen Jahren hat die Kassensturzredaktion immer wieder dokumentierte Hinweise des VgT auf die herrschenden üblen Zustände nicht einmal beantwortet.

In der beanstandeten Sendung wurden Aufnahmen von Mutterschweinen in Brustgurtanbindung in Österreich gezeigt mit dem Kommentar, dies sei in der Schweiz schon seit über zehn Jahren verboten, was ganz klar unwahr ist und vom Zuschauer so verstanden werden musste, diese tierquälerische Haltungsform gebe es nur noch in Österreich, nicht aber in der Schweiz, was völlig unwahr ist. Ein Verbot dieser Haltungsform tritt in der Schweiz für bestehende Betriebe erst im Juni 2002 in Kraft. Auch in der EU (somit auch in Österreich) ist ein Verbot dieser Haltungsart ebenfalls geplant. Die in der Kassensturztsendung behauptete bessere Tierhaltung in der Schweiz gegenüber Österreich ist - wie man es auch dreht und wendet - jedenfalls falsch. Dabei handelt es sich nicht um eine Nebensächlichkeit; solche Fragen sind für die Öffentlichkeit aus tierschutz- und konsumentenschutzpolitischer Sicht wichtig und beeinflussen das Konsumverhalten.

Vor wenigen Monaten haben wir in unserer Zeitschrift "VgT-Nachrichten" einmal mehr aktuelle Aufnahmen dieser tierqu�lerischen Brustgurtanbindung von Mutterschweinen - diesmal im Kanton Bern - dokumentiert ( www.vgt.ch/vn/0004/bern.htm).

Indem der Kassensturz diese tierqu�lerische Haltung von Mutterschweinen in der Schweiz bisher vollst�ndig verschwiegen und nun auch noch wahrheitswidrig behauptet hat, dies sei in der Schweiz schon seit �ber zehn Jahren verboten, wurden die Artikel 3 und 4 des Radio-Fernseh-Gesetzes verletzt, welche eine sachgerechte Information vorschreiben. Diese Auffassung teilt die Ombudsstelle DRS in ihrem Schlussbereicht vom 9. Februar 2001 (Beilage 1).

Die unsachliche Berichterstattung wiegt um so schwerer, als sie fahrl�ssig erfolgte. Es ist unverzeihlich, dass sich die Kassensturzmacher bei einer solchen Sendung nicht wenigstens kurz auch auf der Homepage des VgT, der gr�ssten auf Tier- und Konsumentenschutz im Bereich der Nutztiere spezialisierten Organisation in der Schweiz, informiert haben, womit diese Falschinformation leicht h�tte vermieden werden k�nnen.

Die Kassensturzverantwortlichen zeigen keinerlei Einsicht und betrachten diese nach unserer Sicht gravierende, einer Richtigstellung unbedingt bed�rfenden Falschinformation als unbedeutend. Dies hat sich einerseits in einem Telefongespr�ch gezeigt, wo nichts als Abwiegelungen und Verschleierungen vorgebracht wurden, andererseits ergibt sich dies auch aus dem Bericht der Ombundsstelle. Danach versuchte der Kassensturz die Falschaussage, die Brustgurtanbindung sei in der Schweiz schon seit �ber zehn Jahren verboten, damit zu rechtfertigen, die meisten Bauern h�tten ihre St�lle in den letzten Jahren verbessert und nur noch wenige Schweinehalter h�tten Brustgurtanbindung.

Aufgrund dieser Rechthabere k�nnen wir leider nicht davon ausgehen, dass der Kassensturz eine Richtigstellung vornehmen oder k�nftig vorsichtiger sein wird, wenn er �ber "skandal�se Zust�nde" im Ausland berichtet und wahrheitswidrig behauptet, diese g�be es in der Schweiz nicht.

Befremdend ist zudem die Arroganz, mit welcher die Kassensturz-Verantwortlichen auf Kritik an dieser Falschinformation reagiert haben:

Email-Briefwechsel von Fernsehzuschauern mit der Kassensturz-Redaktion zur hier beanstandeten Sendung:

1)

An die Redaktion Kassensturz
Rubrik: Lob/Kritik
Betreff: Kassensturzsendung vom 23.01.2001
Mitteilung: In Ihrer gestrigen Sendung zeigten Sie Aufnahmen von Mutterschweinen in Brustgurtenanbindung in �sterreich mit dem Kommentar, dies sei in der Schweiz seit �ber zehn Jahren verboten, was ganz klar eine Unwahrheit ist. Diese tierqu�lerische Haltungsform ist heute noch erlaubt und weit verbreitet, wie in den VgT-Nachrichten dokumentiert und im Internet unter www.vgt.ch/vn/0004/bern.htm zu erfahren ist. Als Konsumenten haben wir das Recht, vom Kassensturz wahrheitsgetreue und ungeschminkte Informationen zu erhalten, andernfalls k�nnen Sie Ihren Laden schliessen, da er nicht mehr glaubw�rdig ist.
Erica Bl�chlinger, Bern

Antwort des Kassensturz:

Ihre Anfrage an den Kassensturz
Sehr geehrte Frau Bl�chlinger
Wir haben mit Interesse von Ihrem Brief Kenntnis genommen. Es freut uns, wenn Konsumentinnen und Konsumenten kritisch sind und nicht alles un�berlegt hinnehmen. Ihr Vertrauen in den Kassensturz sch�tzen wir besonders. Wir hoffen, Ihnen mit unserer Sendung weiterhin interessante und n�tzliche Informationen vermitteln zu k�nnen. Die Produktion der w�chentlichen Sendung absorbiert unser kleines Team voll und ganz. Wir haben weder Personal, noch Finanzen, um f�r unser Publikum Untersuchungen, Analysen oder juristische Abkl�rungen zu machen. Deshalb kann der Kassensturz nicht die Aufgaben einer Rechtsberatungsstelle, eines Kantonschemikers oder einer Wirtschaftsauskunftei wahrnehmen. Wir k�nnen Ihnen lediglich raten, sich an eine daf�r zust�ndige Stelle zu wenden. Soweit wir Adressen haben, finden Sie diese in der Beilage. Es freut uns trotzdem, dass Sie dem Kassensturz Ihr Vertrauen geschenkt haben.
Mit freundlichen Gr�ssen
Gabriela Kossak
Redaktion Kassensturz

Hierauf schrieb Erica Bl�chlinger zur�ck:

Sehr geehrte Frau Kossak
Sie reden einfach mit einem Standardschreiben an meiner Kritik vorbei. Ich kritisiere mit Emp�rung die unwahren Behauptungen des Kassensturz �ber die angeblich in der Schweiz verbotene tierqu�lerische Brustgurten-Haltung von Mutterschweinen, und Sie tun so, als ob ich irgend eine Information f�r meine eigenen Zwecke bei Ihnen angefordert h�tte. Sind wir denn in in unserem Land schon so weit, dass wir einander nicht mehr zuh�ren, respektive nicht mehr entziffern k�nnen? Ein Kassensturz, der weder zuh�ren, seri�s recherchieren, noch wahrheitsgetreu informieren kann, ist nicht nur unglaubw�rdig, sondern richtet in der Bev�lkerung mehr Schaden als Aufkl�rung an und sollte daher aus dem Verkehr gezogen werden!
Mit freundlichen Gr�ssen
Erica Bl�chlinger

Die Kassensturz-Redaktion hielt eine Antwort nicht mehr f�r n�tig.

2)

An: Kassensturz Redaktion
Rubrik: Lob/Kritik
Betreff: Schweinebericht gestern
Mitteilung:
Bislang kannte ich den Kassensturz als informative Quelle mit objektiver Berichterstattung. Die gestrige Sendung hat mich schwer entt�uscht. Es wird vom Kassensturz eine darartige Falschinformation betrieben, dass es beinahe wehtut. Gurtanbindung der Schweine sei in der Schweiz seit 10 Jahren verboten ist schlicht gelogen! Zudem muss niemand glauben, den Schweinen gehe es in der Schweiz besser als in dem ach so grausamen �sterreich. Kastenst�nde, Einzelbuchten, fehlende Einstreu, keine Besch�ftigungsm�glichkeiten,... um nur einige der schweizer Misst�nde zu nennen. Die Antibiotika-Behandlung ist in �sterreich genauso verboten wie in der Schweiz. Sie wurde nur aufgedeckt. Bei hartn�ckigen Recherchen k�nnte man diesen Misstand in der Schweiz mit Sicherheit genauso aufzeigen. Um Ihren guten Ruf als seri�ser und vor allem unabh�ngiger Berichterstatter nicht zu verlieren, sollten Sie in der n�chsten Sendung einiges korrigieren.
Freundliche Gr�sse
M W, Hedingen

Antwort Kassensturz:

Sehr geehrter Herr W
Besten Dank f�r Ihre Zuschrift. Wir nehmen kritische Zuschriften ernst und setzen uns mit den Einw�nden unserer Zuschauerinnen und Zuschauer auseinander. Sie helfen uns, unsere Sendung noch besser zu machen. Wir bedauern, dass Sie diesmal nicht mit uns einverstanden waren, hoffen jedoch, dass Sie unsere Sendung im allgemeinen n�tzlich und informativ finden.
Mit freundlichen Gr�ssen
Redaktion Kassensturz
Gabriela Kossak

Replik:

Sehr geehrte Frau Kossak
Ihre Antwort (eine typische Standard "blabla" Antwort) ist so nichtssagend wie �berfl�ssig. Damit k�nnen Sie vielleicht Zuschauer befriedigen, die gl�cklich sind einmal eine Antwort vom Kassensturz zu erhalten. Mir geht es aber um die Sache und diese wurde von Ihnen falsch und irref�hrend dargestellt. Daher nochmal meine Frage etwas konkreter: Welche Massnahmen ziehen Sie aus meiner Kritik? Werden Sie ihre schwerwiegenden Fehler in der n�chsten Sendung korrigieren? Falls seitens Kassensturz nichts passiert, w�rde ich Sie bitten, ihre vorgefertigten Standard "blabla" Antworten k�nftig nur an die vielen unkritischen, blinden und tauben Konsumenten zu versenden, nicht aber an die, denen es um Tatsachen geht. Schade, dass Ihre Redaktion scheinbar doch nicht so selbstkritisch ist, wie sie nach aussen hin immer tut.
M W

Duplik des Kassensturz:

Sehr geehrter Herr W
Wir haben in der Sendung nicht behauptet, dass in der Schweiz bez�glich Antibiotika-Einsatz alles i.O. sei. Im Gegenteil: Der Verbrauch ist trotz Leistungsf�rderer-Verbot stabil geblieben, was wir auch so gesagt haben.
Mit freundlichen Gr�ssen
Daniel Mennig

Triplik:

Sehr geehrter Herr Mennig
Ist Ihr Mail eine Antwort auf meine Beschwerde �ber die "BlaBla" Standardantwort Ihrer Kollegin? Wenn Ihr Mail unabh�ngig davon ist, dann muss ich Ihnen Recht geben. Dieser Punkt wurde in Tat und Wahrheit von Ihnen angesprochen. Allerdings rhetorisch so geschickt verpackt, dass es dem "normalen" Zuschauer kaum aufgefallen sein d�rfte, zumal anschliessend der Chef von Swissporc seinen Standpunkt zum besten geben durfte, und was soll ein Schweinem�ster schon anderes sagen, als dass bei ihm alles in bester Ordnung ist?
Ist Ihr Mail allerdings die Antwort auf meine Beschwerde zur vorherigen "Blabla" Antwort, so haben sie leider keinen einzigen Punkt der Fragen beantwortet, die noch offen sind. Insofern ist Ihr Mail ein politisch sehr korrektes Mail.
Also frage ich nochmal: Wie wird Kassensturz seine Falschinformation und irref�hrenden Ausf�hrungen korrigieren? Freundliche Gr�sse
M W

Darauf wusste der Kassensturz nichts mehr. Hartn�ckigkeit in der Sache ist er offenbar nicht gewohnt.

Aufgrund dieser Uneinsichtigkeit der Kassensturzredaktion ist f�r uns die Sache mit der Gutheissung unserer Beschwerde durch die Ombudsstelle DRS noch nicht erledigt, weshalb wir uns entschlossen haben, mit dieser Beschwerde an die UBI zu gelangen.

Mit freundlichen Gr�ssen
Dr Erwin Kessler, Pr�sident VgT

Kopie an:
- Eric Lehmann, Pr�sident SRG SSR id�e suisse, Giacomettistr. 3, 3000 Bern 15
- Armin Walpen, Generaldirektor SRG SSR id�e suisse, Giacomettistr. 3, 3000 Bern 15
- Peter Schellenberg, Direktor SF DRS, Fernsehstr 1-4, 8052 Z�rich
- Adrian Marthaler, Programmdirektor SF DRS, Fernsehstr 1-4, 8052 Z�rich
- Filippo Leutenegge, Chefredaktor SF DRS

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Entscheid der UBI


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