27. November 2001 / 27. Mai 2002

Gewaltt�tigkeit des Klosters Fahr vor dem Europ�ischen Gerichtshof f�r Menschenrechte

Seit Jahren wird die Tierhaltung auf dem Landwirtschaftsbetrieb des Klosters Fahr vom VgT kritisiert. Einige Verbesserungen sind inzwischen erreicht worden, aber noch immer hat es tierqu�lerische Kastenst�nde f�r Mutterschweine und einen elektrischen Kuhtrainer. Das Kloster Fahr geh�rt zum Kloster Einsiedeln.

Das Bundesgericht (Bundesrichter Nay, Aeschlimann, Catenazzi) hat den willk�rlichen Freispruch des gewaltt�tigen landwirtschaftlichen Betriebsleiters des Klosters Fahr gesch�tz. Darum hat der VgT heute beim Europ�ischen Gerichtshof f�r Menschenrechte in Strassburg eine neue Menschenrechtsbeschwerde gegen die Schweiz eingereicht.

Auszug aus der Menschenrechtsbeschwerde

Die nationalen Instanzen haben den Sachverhalt hartn�ckig ungen�gend und teils falsch dargestellt. Insbesondere ist die Darstellung unwahr, es sei dem Angreifer nicht gelungen, die Beschwerdef�hrerin (BF) vom Verteilen der Flugbl�tter abzuhalten. Dies ist eine irref�hrende Verk�rzung des Sachverhaltes: Es gelang dem Angreifer zwar nicht, der BF die Flugbl�tter zu entreissen, jedoch wurden diese durch das Handgemenbe zerkn�llt. Ferner wurde dabei das Kleid der BF zerrissen. Deshalb, und weil inzwischen das Zielpublikum verschwunden war, wurde die Flugblattaktion durch den Angriff definitiv vereitelt. An willk�rliche Sachverhaltsdarstellungen ist der Europ�ische Gerichtshof f�r Menschenrechte (EGMR) nicht gebunden.

Ausf�hrlich geht es um folgenden Sachverhalt:

Im Laufe des Jahres 1994 sind dem Verein gegen Tierfabriken (VgT), bei dem die Gesch�digte und Beschwerdef�hrerin (BF) aktives Mitglied ist, von Spazierg�ngern verschiedene Beschwerden zugegangen �ber die Nutztierhaltung im Kloster Fahr. Ein Schreiben an die bekannte, im Kloster Fahr residierende Dichterin Schwester Silja Walter brachte die erhofften Verbesserungen nicht. Sie antwortete, dass sie sich in einer Schweigezeit befinde. Auch sonst war niemand im Kloster bereit, sich mit dem tiersch�tzerischen Anliegen zu befassen. Der VgT hatte deshalb keine andere Wahl, als die kl�sterliche Tierhaltung ab Fr�hjahr 1995 �ffentlich zu kritisieren. Dazu wurden die einzigen verf�gbaren legalen M�glichkeiten genutzt: Pressemitteilungen, Verteilen von Drucksachen und Kundgebungen mit Spruchb�ndern - alles Aktivit�ten, welche durch die Meinungs�usserungs- und Kundgebungsfreiheit der Europ�ischen Menschenrechtskonvention gesch�tzt sind. Dabei ging es darum, die Verantwortlichen aus ihrem selbstgef�lligen Schlaf des Ungerechten aufzuwecken. Andererseits ging es auch darum, der �ffentlichkeit zu zeigen, wieviele Tierqu�lereien immer noch "erlaubt" sind bzw von den der Agrolobby nahestehenden Vollzugsbeh�rden als "gesetzeskonform" bezeichnet werden, und wie sogar ein christliches Kloster diese Vollzugsm�ngel schamlos ausn�tzt (neben direkten Verst�ssen gegen Tierschutzvorschriften).

Nachdem seit Fr�hjahr 1995 immer wieder Kundgebungen beim Kloster durchgef�hrt worden waren, kam es am 24. Dezember 1995 zum Zwischenfall, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist: Die BF verteilte - in einem Engels-Kostum - auf der �ffentlichen Strasse vor dem Kloster Couverts mit einem Flugblatt:

fahr-fries.jpg (37633 Byte)

Das Flugblatt enthielt den folgenden weihn�chtlichen Tierschutzappell an die Besucher der Mitternachtsmesse enthielt:

Lieber Gottesdienstbesucher!

Wir w�nschen Ihnen eine frohe, besinnliche Weihnachten in W�rme und Geborgenheit mit Ihren Angeh�rigen. M�gen viele Ihrer W�nsche im neuen Jahr in Erf�llung gehen.

Vielleicht gedenken Sie w�hrend diesen festlichen Stunden auch einmal der Leidenden in Ihrer n�chsten Umgebung, im Kloster Fahr, die nichts von Weihnachten erfahren und deren W�nsche von den Klosterleuten nicht erh�rt werden. Ihr trauriges Schicksal ist unab�nderlich besiegelt: Die Tag und Nacht an der Kette stehenden K�he werden mit Elektro-Schocks misshandelt. Die Fachleute nennen das "Kuhtrainer". Neugeborene K�lber werden sogleich ihren jammernden M�ttern entrissen und einsam und allein in eine Box gesperrt. Sie sehen ihre Mutter nie mehr und Artgenossen erst sp�ter einmal.

Die intelligenten, sensiblen Schweine verbringen ihr leidvolles Leben auf dem harten, einstreulosen und verkoteten Boden. Nicht einmal ein weiches Strohnest zum Schlafen ist ihnen geg�nnt in ihrer trostlosen, engen Eint�nigkeit. Ob vielleicht gerade an Weihnachten eine Schweinemuter eingesperrt in einem Folterk�fig ihre Jungen geb�ren muss? Die Landwirtschaftstechniker nennen diesen nur gerade k�rpergrossen K�fig "Kastenstand". Dieser sei notwendig, damit die Mutter ihre Jungen nicht erdr�cke. Damit tun sie den intelligenten Schweinen Unrecht, denn Schweinem�tter sind gute M�tter, wenn sie nicht von b�sen Menschen so sehr gequ�lt werden, dass sie verhaltensgest�rt werden. Nur dann, im engen, nicht tiergerechten Stall geisteskrank geworden, achten sie zuwenig auf ihre Jungen. W�rden diese Kastenst�nde herausgerissen und den Schweinem�tter genug Platz und Stroh gegeben, passten sie auf ihre frischgeborenen Kinder sehr gut auf - das haben Wissenschafter bewiesen, und im nahegelegenen Juchhof der Stadt Z�rich bew�hrt sich das ausgezeichnet.

Wir bitten Sie, lieber Weihnachtsgottesdienstbesucher, haben Sie Erbarmen mit diesen unschuldig leidenden Tieren und bitten Sie das Kloster, die Lebensbedingungen der Tiere zu verbessern. Dazu braucht es nicht viel, nur kleine, aber wichtige Anpassungen. Bitte schreiben Sie dem Kloster oder reden Sie mit Pater Probst, oder unterschreiben Sie ganz einfach diesen Aufruf und senden Sie ihn an das Kloster in Unterengstringen.

Gott wird es Ihnen danken und wir danken Ihnen im Namen der Tiere.

Erwin Kessler, Pr�sident Verein gegen Tierfabriken

Mehr �ber das Kloster Fahr finden Sie in den beiliegenden Tierschutz-Nachrichten auf den Seiten 10, 12, 14 und 16.

 

Auf der R�ckseite des Flugblattes war die folgende, von einer K�nstlerin f�r den VgT gezeichnete Weihnachtskarte mit der �berschrift "Zwei Weihnachten" abgedruckt, welche zum Nachdenken �ber das Leiden der Nutztiere auf Transport und im Schlachthof anregen und den krassen Gegensatz zur Stellung der Tiere in der Weihnachtsgeschichte bewusst machen soll:

 

weihn.gif (17763 Byte)

 

Weiter war in den verteilten Couverts eine Ausgabe des Journals "VgT-Nachrichten" enthalten.

Der Angeklagte im nationalen Verfahren, der landwirtschaftliche Betriebsleiter des Klosters, versuchte - offensichtlich vom schlechten Gewissen getrieben - das Verteilen dieser Drucksachen mit Gewalt zu verhindern: Er stiess und zerrte die BF aus der Umgebung der Kirche weg und versuchte, ihr die Drucksachen zu entreissen. Der Angriff war so heftig, dass das Kost�m der BF zerrissen und die Drucksachen zerkn�llt wurden. Der Angeklagte liess erst von der BF ab, als deren Ehemann, der sich in der N�he befand, zu Hilfe eilte. Inzwischen war der Kirchgang vorbei und damit das Zielpublikum verschweunden, die Strasse leer und die Flugblattaktion definitiv vereitelt.

Am 29. Januar 1996 reichte die BF beim Bezirksamt Baden eine Strafanzeige wegen N�tigung ein, da sie vom Angeklagten mit Gewalt daran gehindert worden war, durch Verteilen der Drucksachen von ihrer Meinungs�usserungsfreiheit Gebrauch zu machen.

Am 21. M�rz 1996 reichte die BF die gleiche Strafanzeige bei der Bezirksanwaltschaft Z�rich ein, da sich in der Zwischenzeit herausgestellt hatte, dass die Tat auf Z�rcher Hoheitsgebiet begangen worden war. (Die Kantonsgrenze verl�uft entlang der Klostermauer; die BF verteilte die Drucksachen auf der �ffentlichen Strasse, die zum Kanton Z�rich geh�rt.)

Am 30. September 1996 stellte die Bezirksanwaltschaft Z�rich (lic iur A Spiller) die Strafuntersuchung mit der haltlosen Begr�ndung ein, der kl�sterliche Betriebsleiter habe von seinem Notwehrrecht gegen Beleidigungen des Klosters Gebrauch machen d�rfen. Die angebotenen Beweise, dass die tiersch�tzerische Kritik am Kloster Fahr berechtigt ist, wurden nicht abgenommen. Bezirksanwalt Spiller stellte nur auf die Behauptungen des Angeschuldigten ab.

Am 19. Dezember 1996 wies der Einzelrichter des Bezirksgerichts Z�rich den Rekurs der BF gegen die Einstellung der Strafuntersuchung ab.

Am 3. Februar 1997 erhob die BF Nichtigkeitsbeschwerde beim Obergericht.

Am 10. Februar 1998 protestierte die BF beim Obergericht gegen die Verschleppung der Nichtigkeitsbeschwerde.

Am 27. Februar 1998 hiess das Obergericht die Nichtigkeitsbeschwerde gut und hob den Rekursentscheid des Bezirksgerichtes auf.

Am 3. April 1998 f�llte der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Z�rich einen neuen, wiederum abweisenden Rekursentscheid.

Am 23. April 1998 erhob die BF zum zweiten Mal Nichtigkeitsbeschwerde beim Obergericht.

Am 17. August 1998 beschwerte sich die BF beim Obergericht �ber die Verschleppung der zweiten Nichtigkeitsbeschwerde.

Am 6. Oktober 1998 hiess das Obergericht auch die zweite Nichtigkeitsbeschwerde gut.

Am 30. Dezember 1998 erliess der Einzelrichter einen neuen, den dritten Rekursentscheid, worin die Sache erstmals gr�ndlich und korrekt behandelt und der Rekurs gegen die Einstellung der Strafuntersuchung gutgeheissen wurde, im wesentlichen mit folgender Begr�ndung:

Die mit dem Flugblatt erfolgte Verletzung der Pers�nlichkeit des Klosters Fahr war indessen nicht rechtswidrig, da sie durch ein �ffentliches Interesse gerechtfertigt war, welches dasjenige des Klosters Fahr daran, in seiner Pers�nlichkeit nicht verletzt zu werden, �berwog.... Der Verein gegen Tierfabriken strebt - was allgemein bekannt ist - seit vielen Jahren eine Besserstellung der Nutztiere in der Schweiz an. Um diesem berechtigten, von einer breiten Oeffentlichkeit geteilten Anliegen mehr und mehr zum Durchbruch zu verhelfen, ist der Verein gegen Tierfabriken aber - als kleine Organisation ohne grosse politische Einflussm�glichkeiten - darauf angewiesen, immer wieder durch gezielte, ein St�ck weit provozierende Aktionen die Oeffentlichkeit daran zu erinnern, dass die Tierhaltungsformen in vielen landwirtschaftlichen Betrieben noch verbesserungsbed�rftig sind. Um solchen Aktionen die n�tige Wirkung zu verleihen, kommt er dabei nicht darum herum, die Tierhaltungsformen auch in ganz bestimmten, in der Oeffentlichkeit n�her bekannten landwirtschaftlichen Betrieben zu kritisieren. Die betroffenen Betriebe haben sich die entsprechende Kritik grunds�tzlich gefallen zu lassen, sofern sie in einer sachlich noch vertretbaren Weise erfolgt. Es besteht n�mlich in einer Demokratie grunds�tzlich ein �ffentliches Interesse daran, dass auch kleinere Organisationen oder Gruppierungen ihre politischen Anliegen wirksam vertreten k�nnen, zeigt doch die Geschichte, dass es vielfach kleine Organisationen oder Gruppierungen sind, die die Verbesserungen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft initialisiert haben. Demnach war aber die Flugblattaktion vom 24. Dezember 1995 - die Kritik an den Tierhaltungsformen im Kloster Fahr erfolgte im Flugblatt in einer sachlich vertretbaren Weise - durch ein �ffentliches Interesse gedeckt, das das Interesse des Klosters Fahr, nicht in seiner Pers�nlichkeit verletzt zu werden, �berwog... Anhaltspunkte daf�r, dass das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt gravierendere unwahre, das moralische Ansehen des Klosters Fahr herabsetzende Tatsachenbehauptungen enth�lt ..., liegen nicht vor.

Aus dem vorstehend Ausgef�hrten ergibt sich, dass das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt aus dem Blickwinkel des Pers�nlichkeitsschutzes keinen widerrechtlichen Charakter hat...

Es ist indessen auch aus dem Blickwinkel des strafrechtlichen Ehrenschutzes ein rechtswidriger Charakter des Flugblattes zu verneinen. Anhaltspunkte daf�r, dass das Flugblatt gravierendere unwahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen enth�lt, liegen nicht vor. Es erscheint sodann - aus der Optik eines Tierschutzes, der auch Nutztieren m�glichst viel Leid ersparen will - sachlich durchaus vertretbar, im Zusammenhang mit den sogenannten Kuhtrainern von einer Misshandlung der K�he mit Elektro-Schocks zu sprechen, die Kastenst�nde (Abferkelbuchten) als Folterk�fige zu bezeichnen und die Haltung von Schweinem�ttern in Kastenst�nden als Qu�lerei zu werten (in einem Flugblatt d�rfen durchaus auch provozierende, ja sogar schockierende Ausdr�cke verwendet werden). Damit kann aber nicht gesagt werden, dass das Flugblatt sachlich unvertretbare Werturteile enthalte. Auch nahm der Verein gegen Tierfabriken mit seiner Kampagne gegen das Kloster Fahr wie bereits oben ausgef�hrt durchaus �ffentliche Interessen wahr; Anhaltspunkte daf�r, dass es dem Verein gegen Tierfabriken in erster Linie darum gegangen sei, dem Kloster Fahr zu schaden, bestehen nicht.

Am 8. M�rz 1999 protestierte die BF bei der Bezirksanwaltschaft erneut gegen die Verschleppung des Verfahrens.

Am 29. M�rz 1999 stellte die Bezirksanwaltschaft (vertreten durch Bezirksanw�ltin F Stadelmann, genehmigt von Staatsanwalt R Ramer) die Strafuntersuchung ein zweites mal ein. Dabei wurde einmal mehr nur darauf abgestellt, was der Angeschuldigte behauptete. Weder die Feststellungen des Einzelrichters noch die von der BF angebotenen Beweise wurden beachtet.

Am 19. April 1999 rekurrierte die BF auch gegen die zweite Einstellungsverf�gung.

Am 21. Mai 1999 hiess der Einzelrichter auch den neuen Rekurs wiederum gut und wies die Sache erneut zur�ck an die Bezirksanwaltschaft. Im Rekursentscheid heisst es: "Da sich der Rekurs sofort als begr�ndet erweist, mithin in jedem Fall gutzuheissen ist, ist ausnahmsweise davon abzusehen, eine Stellungnahme seitens der Rekursgegner einzuholen

Am 7. Juni 1999 erhob die BF bei der Justizdirektion Aufsichtsbeschwerde gegen Bezirks- und Staatsanwaltschaft wegen Verschleppung und schludriger Amstf�hrung (im Internet unter www.vgt.ch/news/990607.htm#aufsichtsbeschwerde).

Am 11. Juni 1999 �berwies die Justizdirektion die Beschwerde gegen die Bezirksanwaltschaft zur Behandlung an die Staatsanwaltschaft.

Am 30. Juni 1999 wies die Staatsanwaltschaft (Staatsanwalt Robert Akeret) die Beschwerde ab und auferlegte der BF Verfahrenskosten in un�blicher H�he von Fr 795.-

Am 5. Oktober 1999 wies auch die Justizdirektion die Beschwerde ab.

Am 9. September 1999 protestierte die BF bei der Bezirksanwaltschaft gegen die erneute Verschleppung.

Am 12. November 1999 erhob die BF Verschleppungsbeschwerde bei der Staatsanwaltschaft.

Am 24. November 1999 lud der Einzelrichter zur Hauptverhandlung. Dadurch erfuhr der Vertreter der BF erstmals, dass die Bezirksanwaltschaft Anklage erhoben und zuvor ohne sein Wissen eine Einvernahme mit dem Angeschuldigten durchgef�hrt hatte.

Am 14. Dezember 1999 fand die erstinstanzliche Hauptverhandlung statt. Einzelrichter Lautner sprach den Angeklagten frei mit der Begr�ndung, der Vorwurf der Tierqu�lerei sei ehrverletzend gewesen. Auf die Ausf�hrungen der BF ging er nicht ein, die beantragten Beweise f�r die behauptete Tierqu�lerei nahm er nicht ab. Statt dessen berief er sich auf angefochtene Feststellungen in einem nicht rechtskr�ftigen Urteil des Bezirksgerichtes Baden! Gegen das freisprechende Urteil legte die BF sofort Berufung ein.

Am 19. Mai 2000 fand die Berufungsverhandlung statt (Oberrichter Scheidegger und Spiess, Oberrichterin Kneub�hler Dienst). Der Angeklagte wurde mit mehr als merkw�rdigen Begr�ndungen, auf welche im folgenden ausf�hrlich eingegangen wird, freigesprochen.

Am 18. Juli 2000 erhob die BF beim Kassationsgericht Verschleppungsbeschwerde, weil die schriftliche Urteilsbegr�ndung immer noch nicht zugestellt worden war.

Am 25. Juli 2000 wurde die schriftliche Urteilsbegr�ndung endlich zugestellt.

Am 25. August 2000 erhob die BF Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht.

Am 6. April 2001 erhob die BF Verschleppungsbeschwerde beim Bundesgericht, worauf das Kassationsgericht endlich seinen Entscheid f�llte.

Am 22. Mai 2001 erhob die BF staatsrechtliche Bechwerde beim Bundesgericht.

Am 19. November 2001 ging das Urteil des Bundesgerichtes ein.

 

Stellungnahme zum Urteil des Bundesgerichtes bzw zum Urteil des Obergerichtes

Verfahrensverz�gerung

In obiger Sachverhaltsdarlegung ist der Verlauf des Verfahrens chronologisch dargestellt. Die �berm�ssig lange Verfahrensdauer ist daraus ohne weiteres ersichtlich. Obwohl dies auch in der staatsrechtlichen Beschwerde so dargestellt worden ist, wendet das Bundesgericht ein, die Verfahrensverschleppung sei nicht gen�gend dargelegt worden und die BF habe nicht dargelegt, welche EMRK-Garantie ihr als Gesch�digten einen Anspruch auf z�gige Durchf�hrung des Strafverfahrens gegen den Angeklagten einr�ume. Es ist zutreffend, dass die BF gem�ss nationalen Prozessvorschriften als Gesch�digte keinen solchen Anspruch hat. Hingegen hat sie gem�ss dem �bergeordneten EMRK Artikel 6.1 bei Verletzung der Meinungs�usserungsfreiheit Anspruch auf ein Verfahren in angemessener Zeit. Der Vorwurf des BGer, die BF habe das Verfahren "durch zahlreiche Verfahrensschritte" selber verz�gert, ist haltlos, denn die von der BF eingelegten Rekurse gegen die mehrfache willk�rliche Einstellung der Strafuntersuchung wurden vom Obergericht alle gutgeheissen und dienten offensichtlich nicht der Verz�gerung des Verfahrens, sondern der Korrektur schwerwiegender Verfahrensm�ngel (siehe obige Chronologie des Verfahrens). Zudem kann "dem Beschwerdef�hrer ... kein Vorwurf gemacht werden, wenn er regul�re Fristen ausn�tzt bzw ihm zur Verf�gung stehende reformatorische und kassatorische Rechtsmittel erhebt" (Villiger, Handbuch der EMRK, 2. Auflage, Randziffer 463). ist es gem�ss Praxis des EGMR legitimes Recht eines Beschwerdef�hrers, von Rechtsmitteln Gebrauch zu machen, ohne dass ihm das als Verz�gerung vorgehalten wird.

Gewaltsame St�rung einer Flugblattaktion durch Private - ein Anwendungsfall der Drittwirkung der EMRK

Die von der BF verteilten Drucksachen wurden im nationalen Verfahren als ehrverletzend beurteilt. Gest�tzt darauf wurde die gewaltt�tige St�rung der Flugblattaktion als "Notwehr" gesch�tzt. Es geht deshalb im vorliegenden Verfahren um einen Eingriff in die Meinungs�usserungsfreiheit.

Das Bundesgericht (BGer) hat die geltend gemachte Verletzung der Meinungs�usserung durch staatliche Gutheissung der gewaltsamen Verhinderung einer Flugblattaktion durch einen Dritten nicht gepr�ft mit der Begr�ndung, die BF sei in ihrer Eigenschaft als Gesch�digte nicht legitimiert, dies mit staatsrechtlicher Beschwerde zu r�gen, da gem�ss nationalem Recht der Strafanspruch allein dem Staate zustehe. Damit h�lt sich das BGer - wie schon das Kassationsgericht - eng an das nationale Verfahrensrecht, ohne die in diesem Fall mitspielende Verletzung von EMRK-Garantien zu beachten.

Nach Hans Reinhard, Allgemeines Polizeirecht, Verlag Paul Haupt, 1993, Seite 53 und 78, besteht ein Anspruch darauf, dass der Staat die Wahrnehmung von Grundrechten vor St�rungen durch Dritte sch�tzt. Diese Pflicht wurde dadurch verletzt, dass die nationalen Instanzen das St�rverhalten des Angeklagten gutgeheissen haben. Die BF muss, wenn dieser Entscheid nicht aufgehoben wird, damit rechnen, k�nftig bei der Wahrnehmung dieser Grundrechte erst recht von Dritten angegriffen zu werden und keine polizeiliche Hilfe zu erhalten.

Gem�ss Artikel 1 der Europ�ischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist die Schweiz verpflichtet, allen ihrer Rechtsprechung unterstehenden Personen die in der EMRK niedergelegten Rechte und Freiheiten zu gew�hrleisten. Die EMRK bildet unmittelbar anwendbares Recht. Zu diesen menschenrechtlich garantierten Freiheiten geh�rt auch die Meinungs�usserungs- und Kundgebungsfreiheit. Zwar gelten die Menschenrechte nicht zwischen Privatpersonen, doch hat der Staat gem�ss EMRK 1 eine umfassende Verpflichtung zu deren Gew�hrleistung. Dazu geh�rt es, die n�tigen gesetzlichen Regelungen zu erlassen und diese durchzusetzen. Duldet ein Staat rechtswidrige, gewaltsame Unterdr�ckung der freien Meinungs�usserung durch Private, indem er die Rechtswidrigkeit nicht ahndet, so wird dadurch die Meinungs�usserung- und die Kundgebungsfreiheit der Gesch�digten verletzt (EMRK-Kommentar von Frowein/Peukert, 2. Auflage, Seite 21-24).

Das Obergericht hat den Angeklagten freigesprochen mit der Begr�ndung, die Flugblattaktion der Gesch�digten sei rechtswidrig gewesen. Diese Feststellung und der daraus abgeleitete Freispruch verletzen die Meinungs�usserungsfreiheit der BF, und zwar in schwerwiegender Weise, weil dieses Urteil einen Freipass an die Agro-Lobby darstellt, auch k�nftig gewaltt�tig gegen solche Flugblattaktionen vorzugehen. Die BF ist aktives Mitglied des Vereins gegen Tierfabriken, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die �ffentlichkeit immer wieder �ber Missst�nde in der Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren aufmerksam zu machen.

Willk�rliche Bejahung des Notwehrtatbestandes durch die nationalen Instanzen

Anmerkung: Mit "Pl�doyer" ist im folgenden stets das Pl�doyer des Vertreters der BF vor Obergericht gemeint.

Weil das Bundesgericht ebenso wie das Kassationsgericht nicht materiell auf die Beschwerde eingetreten sind, dh die geltend gemachte Verletzung der Meinungs�usserungs- und Kundgebungsfreiheit nicht gepr�ft haben, mit der Begr�ndung, die BF sei nicht legitimiert, dies mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde bzw mit staatsrechtlicher Beschwerde zu r�gen, ist diesbez�glich das Urteil des Obergerichtes als Endentscheid anzusehen.

Das Obergericht behauptet auf Seite 8, der Vertreter der BF habe in seinem Pl�doyer einger�umt, dass die Tierhaltung im Kloster Fahr nach den damals geltenden Vorschriften erlaubt gewesen sei. Diese Feststellung ist aktenwidrig, allenfalls eine willk�rliche Beweisw�rdigung, denn im Gegenteil wurde im Pl�doyer, gest�tzt auf ein Gerichtsgutachten und Urteil aus dem Jahr 1993, dargelegt, dass die Kastenstandhaltung von Mutterschweinen den Artikel 3 des Tierschutzgesetzes verletzt. Dazu wurde festgehalten, dass der VgT dem Kloster vorwerfe, Tierschutzvollzugsl�cken schamlos auszun�tzen. Vollzugsl�cken sind keine Gesetzesl�cken. Im Pl�doyer sind lediglich Vollzugsm�ngel einger�umt worden. Bez�glich der Kastenstandhaltung wurde darauf hingewiesen, dass bei der letzten Revision der Tierschutzverordnung mit einem ausdr�cklichen Verbot der Kastenstandhaltung von geb�renden und s�ugenden Mutterschweinen der fr�here Widerspruch zum Tierschutzgesetz beseitigt worden ist. Nirgends wurde jedoch - wie das Obergericht aktenwidrig behauptet - "einger�umt", die Tierhaltung des Klosters Fahr sei (pauschal) gesetzeskonform gewesen. Im Gegenteil wurden im Pl�doyer neben der Kastenstandhaltung weitere Verletzungen von Tierschutzvorschriften angef�hrt:
- Fehlende Stroheinstreu in den Abferkelbuchten (Verletzung von Artikel 23 der Tierschutzverordnung)
- Elektrischer Kuhtrainer (Verletzung von Artikel 1 der Tierschutzverordnung)
- Fehlender Auslauf f�r den Muni (Verletzung von Artikel 18 der Tierschutzverordnung).

Zu allen von der BF kritisierten Haltungsarten und Stalleinrichtungen des Klosters Fahr gibt es praxiserprobte, tierfreundliche und wirtschaftliche Alternativen. Der Angeklagte, der kein ungebildeter Stallknecht ist, sondern Ing Agr HTL, weiss dies ganz genau und ist auch in der Lage, Artikel 2 TSchG zu verstehen. Es war deshalb ein starkes St�ck, als er sich am 24. Dezember 1995 wider besseres Wissen dem friedlichen Versuch der BF, ihren Beitrag zur Durchsetzung der geltenden Rechtsordnung im Kloster Fahr zu leisten, mit K�rpergewalt entgegensetzte und damit auch die primitivsten Manieren verletzte, letztlich nur um das falsch verstandene Prestige eines Klosters oder dessen Profitgier zu wahren und/oder seine eigene Bequemlichkeit bei der Arbeit im Umgang mit den Tieren vor Kritik zu sch�tzen.

Das Verhalten des Angeklagten am 24. Dezember 1995 ist �brigens der Beweis daf�r, dass ein roher Umgang mit Tieren zu einer allgemeinen sittlichen Verwehungen f�hrt, die auch vor der Misshandlung von Menschen nicht Halt macht, denn eine echte - nicht nur egoistisch-selektive - Ethik ist unteilbar (siehe "Lexikon der Tierschutzethik" von Gotthard M Teutsch). Um so weniger darf zugelassen werden, dass die Justiz alle Augen schliesst, wenn es um Tierqu�lerei geht. Vielmehr sollte ber�cksichtigt werden, dass die Duldung von Tierqu�lerei nicht nur gegen�ber den Tieren unverantwortlich und gesetzwidrig ist, sondern gleichermassen auch gegen�ber den Tiersch�tzern, also besonders wertvollen Menschen, die noch zu Mitleid und ethischer Verantwortung f�hig sind und deshalb unter den Tierqu�lereien (mit-)leiden. "Mensch-sein heisst Verantwortung f�hlen" (Philipp Emanuel von Fellenberg).

Im Pl�doyer vor Obergericht ist f�r alle Ausf�hrungen zur Tierhaltung des Klosters Fahr der rechtsgen�gende Beweis offeriert und die Durchf�hrung eines Beweisverfahrens beantragt worden. Durch die Weigerung des Obergerichtes, diese entscheidenden Beweise abzunehmen, wurde das Recht auf den Beweis verletzt.

Das Obergericht h�tte die im Pl�doyer geltend gemachte Verletzungen des Tierschutzgesetzes durch die Verordnung in Bezug auf die Kastenstandhaltung adh�sionsweise pr�fen m�ssen, anstatt einfach willk�rlich zu behaupten, die kritisierte Tierhaltung des Klosters sei vorschriftsgem�ss gewesen (willk�rliche Beweisw�rdigung). Der EGMR ist nach konstanter Praxis nicht an willk�rliche Sachverhaltsfeststellungen und willk�rliche Gesetzesauslegungen gebunden. (Das BGer ist wegen der angeblich fehlenden Legitimation der BF nicht darauf eingetreten.)

Ob bestimmte Formen der Intensivtierhaltung tierqu�lerisch sind oder nicht, stellt eine Sachfrage dar, die nach wissenschaftlichen Kriterien, insbesondere der Verhaltensbiologie und der Tierpsychologie, zu beurteilen ist. Es ist allgemein bekannt, dass nicht alle tierschutzrelevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse ihren Niederschlag in entsprechenden konkreten Tierschutzvorschriften finden und eine ganze Reihe von tierqu�lerischen Methoden der Intensivtierhaltung in der Tierschutzverordnung geduldet werden, obwohl diese gem�ss Artikel 1 bis 3 des Tierschutzgesetzes nicht erlaubt sind. Die Tierschutzverordnung kann aus diesem Grund und weil staatliche (und kirchliche) Vorschriften - wie seit Kepler bekannt - nicht festlegen k�nnen, was wissenschaftlich wahr ist, keine absolute Beurteilungsgrundlage daf�r sein, was tierqu�lerisch ist und was nicht. Der vom Obergericht aufgestellte gegenteilige Grundsatz, eine Tierhaltung d�rfe nicht als tierqu�lerisch bezeichnet werden, egal ob sie objektiv-wissenschaftlich erwiesen ist, wenn diese Haltungsform nicht ausdr�cklich durch "Tierschutzvorschriften" verboten ist, und die darauf abgest�tzte Beurteilung der Kritik an der kl�sterlichen Tierhaltung als rechtswidrig, ist unhaltbar.

Im "Lexikon der Tierschutzethik" des bekannten Tierschutzethikers Prof Gotthard Teutsch (Verlag Vandenhoeck&Ruprecht) steht zum Stichwort "Tierqu�lerei" folgendes:

Tierqu�lerei ist ein seit 1821 gebrauchter Sammelbegriff f�r Handlungen, durch die Tiere Schmerzen, Leiden oder Sch�den zugef�gt werden... Nach traditionellen Vorstellungen wird Tierqu�lerei auch heute noch als meist vors�tzliches, grundloses und unvern�nftiges Qu�len verstanden. Solche und �hnliche Tierqu�lerei gibt es zwar heute noch, sie spielt aber zahlenm�ssig keine Rolle oder wird, weil seit Jahrhunderten so praktiziert und weil das Qu�len als solches nicht ins Auge f�llt, als eine f�r unvermeidbar gehaltene Nebenerscheinung sinnvoller Nutzung angesehen und daher ohne Unrechtsbewusstsein hingenommen. Vermutlich kommt hier auch noch die gesinnungsethische �berlieferung zum Zuge, die vieles rechtfertigt, solange es nicht in b�ser Absicht getan wird. Dies ist der verst�ndliche Grund, warum sich viele Tierhalter, Wissenschaftler und andere Betroffene oft so heftig gegen den Vorwurf der Tierqu�lerei verwahren. Die Masse der tierqu�lerischen Handlungen wird heute ohne jede b�se Absicht und oft auch ohne unmittelbare T�ter begangen, und zwar von Apparaturen und technischen Haltungssystemen, wie bei der Nutztierhaltung und nicht selten auch im Tierversuch. Die Qu�lerei ist also unbeabsichtigt und h�ufig auch gar nicht sichtbar, zumindest f�r den Laien nicht, weil es sich weniger um das Zuf�gen von Schmerzen, als vielmehr um Erzeugung psychischer Leiden handelt. Sp�testens seit der ethischen Begr�ndung des Tierschutzes soll das Tier aber nicht nur gegen absichtliche und direkte Qu�lerei, sondern grunds�tzlich, also auch gegen das unbeabsichtigte und nur als Begleiterscheinung auftretende Zuf�gen von Schmerzen, Leiden oder Sch�den gesch�tzt werden. Dies ist sicher richtig. Aber auch wer an dieser Zuf�gung nicht pers�nlich beteiligt ist, sondern nur durch Anordnung oder durch das Erfinden neuer wirtschaftlicher Nutzungsm�glichkeiten unter Inkaufnahme der f�r die Tiere damit verbundenen Schmerzen, Leiden oder Sch�den zum Verursacher wird, handelt zumindest dann verwerflich, wenn es um wirtschaftlicher Vorteile willen geschieht...

In �bereinstimmung mit dieser Definition des Begriffes "Tierqu�lerei" ist in dem im Pl�doyer zitierten Gerichtsgutachten festgehalten worden, die Kastenstandhaltung von Mutterschweinen werde zu Recht im umgangssprachlichen Sinne als "Tierqu�lerei" bezeichnet.

Entgegen dieser heutigen Bedeutung des Begriffs "Tierqu�lerei" h�lt das Obergericht fest, dieser d�rfe nur f�r mutwillige (gemeint ist offensichtlich sadistische) Tierqu�lerei verwendet werden. Als Begr�ndung wird angef�hrt, wer sich an die geltenden Tierschutzvorschriften halte, der m�sse sich nicht den Vorwurf der Tierqu�lerei gefallen lassen. Begr�ndet wird diese Auffassung nicht. Eine Interessenabw�gung mit der Meinungs�usserungsfreiheit wurde nicht vorgenommen. Eingriffe in die Meinungs�usserungsfreiheit sind gem�ss Praxis des EGMR nur zul�ssig, wenn hief�r eine zwingende Notwendigkeit besteht. Indessen besteht kein �ffentliches Interesse daran, Klosterleute, welche Vollzugsm�ngel oder "Gesetzesl�cken" schamlos zu einer tierqu�lerischen Ausbeutung der sogenannten Nutztiere ausn�tzen, vor tiersch�tzerischer Kritik zu sch�tzen. Es muss vor dem Hintergrund der Meinungs�usserungsfreiheit vielmehr erlaubt sein, solche kl�sterliche Scheinheiligkeiten mit scharfen Worten anzuprangern. Die Auffassung des Obergerichtes, die durch Vollzugsm�ngel und ungen�gende Verordnungsvorschriften rechtlich erm�glichten Tierqu�lereien d�rften nur rein abstrakt und allgemein, ohne Nennung konkreter F�lle und Namen, kritisiert werden, ist realit�tsfremd und l�sst ausser Acht, dass Tiersch�tzer in der Schweiz keine rechtlichen und demokratischen M�glichkeiten haben, direkt etwas gegen den Nichtvollzug des Tierschutzgesetzes zu unternehmen. Gesetze, Verordnungen und der Nichtvollzug von Gesetzen sind dem Initiativrecht des Volkes entzogen, und nicht einmal das Parlament kann - ausser deklaratorischen R�gen - etwas gegen Bestimmungen in der Tierschutzverordnung, welche das Tierschutzgesetz verletzen, und gegen den Nichtvollzug des Tierschutzgesetzes unternehmen.

Da f�r die vom Obergericht vorgenommene, realit�tsfremde Einengung des Begriffs "Tierqu�lerei" kein �ffentliches Interesse und schon gar nicht eine Notwendigkeit besteht, ist mit der unhaltbaren Bejahung des Notwehrtatbestandes und damit Gutheissung der gewaltsamen Verhinderung der Flugblattaktion das Recht auf freie Meinungs�usserung verletzt worden.

Das Obergericht behauptet, die Zeichnung "Zwei Weihnachten" auf der R�ckseite des Flugblattes m�sse als Illustration des im Kloster Fahr �blichen Umganges mit Tieren verstanden werden. Anstelle einer Begr�ndung dieser Auffassung behauptet das Obergericht einfach, ein anderer Sinn k�nne die Wiedergabe der Zeichnung nicht haben. Bei dieser Beurteilung hat das Obergericht in willk�rlicher Weise Massgebliches einfach unbeachtet gelassen:

1. Die dem Kloster vorgeworfenen konkreten Tierqu�lereien sind auf der Vorderseite des Flugblattes einzeln aufgef�hrt. Von Schlachtung und Transport ist nicht die Rede.

2. Wer das Kloster Fahr auch nur einigermassen kennt - und dies trifft zweifellos f�r die Besucher der Klosterkirche, mithin f�r die Empf�nger des Flugblattes zu -, weiss, dass im Kloster nicht geschlachtet wird.

3. Den Kirchenbesuchern war aus der schon ein Jahr dauernden tiersch�tzerischen Auseinandersetzung um die Tierhaltung des Klosters Fahr bekannt, was kritisiert wurde. Das Flugblatt hatte nur den Zweck, daran zu erinnern, dass diese Zust�nde auch �ber die Weihnachtszeit unver�ndert fortdauerten. Es war deshalb f�r die Adressaten offensichtlich, dass mit der r�ckseitigen Zeichnung nicht spezifisch die Zust�nde im Kloster gemeint waren.

4. Aus dem Flugblatttext ergibt sich keinerlei Hinweis, welche der beiden "Weihnachten" das Kloster darstellen soll. Die Behauptung des Obergerichtes, mit der dargestellten Schlachtszene werde behauptet, so w�rden die Tiere im Kloster behandelt, geht schon deshalb fehl. Man k�nnte ja ebenso gut als selbstverst�ndlich annehmen, dass mit der links oben dargestellten biblischen Hirtenweihnacht das Kloster gemeint sei, im Gegensatz zur profanen Weihnachtsszene rechts unten im Bild.

5. Die R�ckseite des Flugblattes gibt eine VgT-Weihnachtskarte wieder mit einer von einer K�nstlerin angefertigten Zeichnung, die ganz allgemein den Gegensatz zwischen der Situation der Tiere in der biblischen Weihnachtsgeschichte und dem Umgang mit den Tiere in der heutigen profanen Weihnachtszeit andeuten soll. Insofern die untere, h�ssliche Szene mit dem Kloster in Verbindung gebracht wird, ist sie jedenfalls zutreffend: Das Kloster vermarktet seine Tiere konventionell. Diese erleiden also genau das in der unteren Zeichnung dargestellte Schicksal. Das Kloster unternimmt nichts, damit seine Tiere auf Transport und bei der Schlachtung schonender behandelt werden als leider �blich.

Die Behauptung des Obergerichtes, mit der Zeichnung "Zwei Weihnachten" k�nne nur gemeint sein, die Tiere im Kloster w�rden so behandelt, wie in der Schlachtszene dargestellt, ist aus den dargelegten Gr�nden willk�rlich und stellt auch eine Verletzung des rechtlichen Geh�rs dar, denn dabei bleibt v�llig unbeachtet, was im Pl�doyer dazu ausgef�hrt wurde. Ungeh�rt blieb insbesondere auch der Hinweis, dass der in der Zeichnung dargestellte allgemein �bliche Umgang mit den Tieren auf Transport und bei der Schlacht tats�chlich auch f�r die Klostertiere zutrifft.

Das Kassationsgericht vertritt die Auffassung, die inhaltliche Trennung von Vorder- und R�ckseite sei nicht zwingend, die Zeichnung auf der R�ckseite verst�rke den Eindruck der Vorderseite. Auf die Vorbringung der BF, dass die R�ckseite jedenfalls auch auf die Klostertiere zutreffe und deshalb auch dann nicht falsch oder gar rechtswidrig sei, wenn sie als direkte Aussage �ber das Kloster (miss-)verstanden werde, ging das Kassationsgericht nicht ein, obwohl es sich hierbei um einen entscheidenden Punkt handelt. Das BGer setzte der R�ge der Verletzung des rechtlichen Geh�rs einfach die Behauptung entgegen, das Kassationsgericht habe sich "mit den Vorbringen der Beschwerdef�hrerin eingehend auseinandergesetzt". Diese nichtssagende Behauptung l�sst die BF v�llig im Ungewissen, warum und weshalb dieser wichtige Einwand nicht beachtet wurde. Das Urteil ist deshalb im Kern unverst�ndlich. Deshalb kann nicht gesagt werden, dem rechtlichen Geh�r sei Gen�ge getan worden.

Auf Seite 8 behauptet das Obergericht, im Flugblatt werde dem Kloster eine "mutwillige, strafbare Tierqu�lerei" vorgeworfen. Begr�ndet wird diese Behauptung mit den im Flugblatttext verwendeten Ausdr�cken "Folter", "so sehr qu�len" und "Misshandlung". Dem Leser war indessen im Zusammenhang ohne weiteres klar, dass damit nicht ein sadistisches, mutwilliges Qu�len, sondern tierqu�lerische Stalleinrichtungen gemeint waren: Der Text erkl�rt, dass mit "Folterk�fig" die in der Landwirtschaftstechnik verwendeten Kastenst�nde f�r Mutterschweine gemeint sind. Auch die Formulierung "so sehr gequ�lt" steht unmissverst�ndlich im Zusammenhang mit dieser Kastenstandhaltung. Auch bei der "Misshandlung" der K�he wird erkl�rt, dass damit der Kuhtrainer gemeint ist. Indem das Obergericht sein Urteil auf aus dem Zusammenhang gerissene Formulierung abstellt und den Textzusammenhang v�llig unbeachtet l�sst, hat es massgebliche Umst�nde nicht beachtet bzw die Sachlage willk�rlich gew�rdigt; daran ist der EGMR nicht gebunden.

Die Behauptung, das Wort "misshandeln" beinhalte Vorsatz, ist willk�rlich, da dem allgemeinen Sprachgebrauch zuwiderlaufend. Im 24-b�ndigen "Meyers Enzyklop�dischem Lexikon" wird unter dem Stichwort "Misshandlung" auf das Stichwort "K�rperverletzung" verwiesen, wo folgendes zu lesen ist: "vors�tzliche oder fahrl�ssige k�rperliche Misshandlung oder Besch�digung der Gesundheit eines anderen. Unter k�rperlicher Misshandlung versteht man eine �ble, unangemessene Behandlung nicht unerheblicher Art, die das k�rperliche Wohlbefinden beeintr�chtigt. Die Einwilligung des Verletzten ist regelm�ssig ein Rechtfertigungsgrund (zB Sportverletzungen, �rztliche Eingriffe), es sei denn, die Tat verstosse trotz Einwilligung gegen die guten Sitten." Daraus folgt, dass eine Misshandlung der Wortbedeutung nach nicht vors�tzlich erfolgen muss. Zudem ist im vorliegenden Fall des Klosters Fahr jedenfalls Eventualvorsatz gegeben, da der Angeklagte die Tiere zwar nicht als Selbstzweck betreibt, das Leiden der Tiere aber um des Profites und/oder der Bequemlichkeit willen in Kauf nimmt.

Insoweit das Obergericht aus der Kritik an der Tierhaltung des Klosters ein strafbares Verhalten herausliest, trifft dies sogar zu, denn die Missachtung von Tierschutzvorschriften ist laut Tierschutzgesetz strafrechtlich zu ahnden. Indessen ist es willk�rlich, da krass unwahr, wenn das Obergericht behauptet, im Flugblatt selbst werde der Vorwurf strafbaren Verhaltens erhoben. Wenn das Obergericht schon willk�rlich behauptet, das Flugblatt erhebe den Vorwurf strafbaren Verhaltens, dann h�tte es die dazu angebotenen Beweise, dass tats�chlich strafbare Missachtungen der Tierschutzgesetzgebung vorliegen, pr�fen m�ssen, anstatt aktenwidrig zu behaupten, die BF habe einger�umt, die Tierhaltung des Klosters sei gesetzeskonform. Gem�ss Art 29 Ziffer 2 der Tierschutzverordnung ist �brigens auch die fahrl�ssige Missachtung von Tierschutzvorschriften strafbar.

Wie schon das Obergericht, behauptet auch das Kassationsgericht, das Flugblatt m�sse so verstanden werden, als werde dem Kloster ein "vors�tzliches und sinnloses Zuf�gen von Schmerzen" vorgeworfen. Je nachdem, was man unter dieser Feststellung versteht, trifft diese zu oder eben nicht. Richtig ist, dass die Tiere des Klosters vors�tzlich so gehalten werden, wie sie eben gehalten werden. Klar ist auch, dass die Verantwortlichen die damit verbundene Tierqu�lerei zwar nicht als Selbstzweck anstreben, jedoch in Kauf nehmen. Die in der Feststellung des Obergerichtes und des Kassationsgericht mitschwingende Unterstellung, es handle sich dabei geradezu um ein saddistisches Verhalten des Klosters, wird durch nichts gest�tzt. Im Gegenteil erkennt der Leser aus dem Zusammenhang leicht, dass dem Kloster nicht Saddismus, sondern eine r�cksichtslose und herzlose Ausbeutung der Tiere vorgeworfen wird. Die angebotenen Beweise daf�r, dass dies der Wahrheit entspricht, wurden - wie im ganzen nationalen Verfahren immer wieder erfolglos ger�gt - nie abgenommen.

Im �brigen ist die Verwendung drastischer und provokativer W�rter, um auf einen groben Missstand aufmerksam zu machen, gem�ss Praxis des EGRM durch die Meinungs�usserungsfreiheit gesch�tzt. Das Flugblatt ist zwar provokativ, aber nicht unwahr und in der Formulierung dem Elend der Tiere, auf welches aufmerksam gemacht werden soll, angemessen. S�mtliche Vorinstanzen haben diesen entscheidenden Punkt nicht gew�rdigt. Im gesamten Verfahren ist in keiner Form Fachwissen �ber die im Flugblatt kritisierten tierqu�lerischen Haltungsformen beigezogen worden. Alle Hinweise der BF in dieser Richtung blieben stets ungeh�rt. Drastische W�rter im vornherein als rechtswidrig zu beurteilen ohne gr�ndliche und objektive Pr�fung ihrer Berechtigung ist mit der Meinungs�usserungsfreiheit nicht vereinbar.


Der EGMR hat die Beschwerde ohne Begr�ndung als unzul�ssig erkl�rt.

Zur Beschr�nkung seiner Arbeitslast erkl�rt der EGMR gem�ss Statistik 19 von 20 Beschwerden f�r "unzul�ssig". Da gem�ss Verfahrensvorschriften des Gerichtshofes Beschwerden eigentlich nur f�r unzul�ssig erkl�rt werden d�rfen, wenn offensichtlich keine Verletzung der EMRK vorliegt, erkl�rt der EGMR die "Unzul�ssigkeit" jeweils in einem Kurzbrief pauschal mit der Floskel, es sei keine Verletzung der EMRK ersichtlich, ohne dies sachlich zu begr�nden. Der Freiburger Strafrechtsprofessor Franz Riklin hat diese Praxis als "verlogen" bezeichnet. Zutreffender w�re die Bezeichnung "unmenschlich" f�r diese Behandlung von Rechtsuchenden, die in der Hoffnung auf den Menschenrechtsgerichtshof die M�he, die Kosten und den Frust des ganzen nationalen Verfahrens (eine notwendige Voraussetzung f�r eine Menschenrechtsbeschwerde) auf sich genommen haben.

Um nicht zu oft wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt zu werden, halten die Mitgliedstaaten des Europarates - darunter die Schweiz - den Menschenrechtsgerichtshof finanziell an kurzer Leine.  Der VgT l�sst sich durch diese geringe Chance, dass der Gerichtshof auf eine Beschwerde �berhaupt eintritt, nicht abschrecken und wird auch k�nftig alle rechtlichen M�glichkeiten gegen die schweizerische Justizwillk�r aussch�pfen und f�r seine Grundrechte k�mpfen, ohne welche politische Tierschutzarbeit nicht m�glich ist. Das willk�rliche, verlogene Verhalten der Justiz bis hinauf zum Eurp�ischen Gerichtshof f�r Menschenrechte ist neben dem Holocaust an de Nutztieren ein Merkmal unserer Zeit (wie vom 14. bis zum 18. Jahrhundert die Hexenverfolgung), das wir f�r die sp�tere Geschichtsforschung dokumentieren. mmen.


News-Verzeichnis

Startseite VgT