Autobahnwerbung EGMR
12. Februar 1999

"Essen Sie heute vegetarisch"-Kundgebung des VgT auf Autobahnbr�cke:
Bundesgericht deckt Verletzung der Meinungs�usserungs- und Kundgebungsfreiheit

Mit Beschluss vom 18. Januar wies das Kantonsgericht des Kantons Schwyz die Nichtigkeitsbeschwerde des VgT ab. Hierauf zog der VgT den Fall an das Bundesgericht weiter:

Staatsrechtlichen Beschwerde:

1. Sachverhalt

Am Sonntagabend, den 20. Juli 1997, f�hrten 4 weibliche Mitglieder des VgT - zwei Erwachsene und zwei Jugendliche - auf einer Autobahn�berf�hrung bei Lachen eine kleine Tierschutzkundgebung durch. Die Kundgebung ersch�pfte sich darin, dass die Frauen zwei Spruchb�nder aufhielten bzw diese behelfsm�ssig an den Br�ckengel�ndern befestigten. Die Dauer der Kundgebung war auf eine Stunde geplant.  

Die Spruchb�nder beinhalteten den Apell an die �ffentlichkeit, weniger Fleisch zu essen. Der Text lautete: "Essen Sie heute vegetarisch - Ihrer Gesundheit und den Tieren zuliebe. VgT Verein gegen Tierfabriken."  

Diese Aufforderung zum Fleischverzicht passte sechs Metzgern und M�stern, welche zuf�llig in der N�he waren, nicht. Sie griffen deshalb die Frauen an, schlugen sie brutal zusammen und entwendeten die Spruchb�nder sowie einiges Privateigentum. Die friedliche Kundgebung musste deshalb vorzeitig abgebrochen werden. 

Bei den zwei Beschwerdef�hrerinnen im vorliegenden Verfahren handelt es sich um die beiden erwachsenen Kundgebungs-Teilnehmer. Sie sind vom Einzelrichter gest�tzt auf SVG-Vorschriften verurteilt worden mit der Begr�ndung, das Reklameverbot auf Autobahnbr�cken verbiete generell auch Kundgebungen in Form des Aufhaltens oder kurzfristigen Anbringens von Spruchb�ndern. Gegen diese Verurteilung sowie menschenrechtswidrige Verfahrensm�ngel richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 2. Verletzung des rechtlichen Geh�rs 
(EMRK = Europ�ische Menschenrechtskonvention)

Die Beschwerdef�hrer haben vor Vorinstanz (Kantonsgericht) die Verweigerung des rechtlichen Geh�rs (Begr�ndungspflicht) ger�gt, weil der Einzelrichter mit keinem Wort auf die von den Beschwerdef�hrern geltend gemachte nicht EMRK-konforme Auslegung der massgeblichen SVG-Bestimmungen durch die absolute Gleichbehandlung von Reklame und grundrechtlich gesch�tzten Kundgebungen eingegangen ist. Die Vorinstanz ist darauf ebenfalls nicht eingegangen, auch nicht auf die in diesem Zusammenhang ger�gte Verletzung des rechtlichen Geh�rs. Damit ist das rechtliche Geh�r im gesamten kantonalen Verfahren verletzt worden.  

 3. Willk�rliche Auslegung von EMRK Artikel 11 (Kundgebungsfreiheit) 

Die Vorinstanz behauptet (Seite 4, Ziffer 4), das Verbot, ein Spruchband aufzuhalten, tangiere EMRK Artikel 11 nicht, da den Beschwerdef�hrern nicht verboten worden sei, "sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschliessen". Nach st�ndiger Rechtsprechung des Europ�ischen Gerichtshofes f�r Menschenrechte (EGMR) schliesst EMRK 11 die Kundgebungsfreiheit, dh das Recht sich zwecks eines Appells an die �ffentlichkeit zu versammeln, ein. Im vorliegenden Fall ersch�pfte sich die Kundgebung im Aufhalten der inkriminierten Spruchb�nder. Ein Verbot dieser Spruchb�nder ist offensichtlich gleichbedeutend mit einem Verbot derartiger Kundgebungen. Indem die Vorinstanz diese grundlegenden Zusammenh�nge als unmassgeblich beurteilte, legte sie EMRK 11 krass falsch, dh willk�rlich aus. Die grobe Verkennung von EMRK 11 durch die Vorinstanz gipfelt in deren Auslegung (Seite 4 unten): "Das Reklameverbot verletzt kein Menschenrecht", was - vorliegend auf eine Kundgebung angewendet - aus den dargelegten Gr�nden eine offensichtlich unhaltbare Beurteilung darstellt. 

 4. Das generell-ausnahmslose Kundgebungsverbot auf Autobahnbr�cken verletzt EMRK 11 

Sollte die (nicht begr�ndete) vorinstanzliche Auffassung zutreffen, dass das Reklameverbot auf Autobahnbr�cken generell und ausnahmslos auch (kurze) Kundgebungen mit Spruchb�ndern umfasst und eine EMRK-konforme Auslegung nicht m�glich ist, st�nden diese Vorschriften im Widerspruch zur Kundgebungsfreiheit gem�ss EMRK Artikel 11, was die Vorinstanzen h�tten pr�fen m�ssen. Indem sie dies unterliessen, wurde auch zu dieser Frage das rechtliche Geh�r verletzt

Aus folgenden Gr�nden verletzt ein generell-ausnahmsloses Kundgebungsverbot auf Autobahnbr�cken EMRK 11: 

Eingriffe in die Menschenrechtsgarantien sind gem�ss st�ndiger Rechtsprechung des EGMR nur zul�ssig, wenn durch eine zwingende Notwendigkeit und ein �berwiegendes �ffentliches Interesse gerechtfertigt. Davon kann vorliegend nicht die Rede sein. Es kann nicht im Ernst angezweifelt werden, dass es auf dem schweizerischen Autobahnnetz an �bersichtlichen Stellen und bei g�nstigen Sichtverh�ltnissen M�glichkeiten gibt, ohne Verkehrsgef�hrdung auf Autobahnbr�cken f�r kurze Zeit ruhig ein Spruchband aufzuhalten. Andernfalls m�sste - da eine Gef�hrdung des Autobahnverkehrs auf keinen Fall hingenommen werden darf - auch verboten werden, dass �ber solche Br�cken - oder auf Autobahnen ganz allgemein -Lastwagen mit auff�lliger Werbebeschriftung fahren (siehe die bei den Akten liegenden Aufnahmen dazu) oder Kinder stehen bleiben, um den Autofahrern zuzuwinken. W�re jede geringf�gige Ablenkung des Fahrzeuglenkers eine Verkehrsgef�hrdung, dann m�ssten auch Autoradios, Mobiltelefone (mit Freisprechanlage heute erlaubt!) und Gespr�che mit Mitfahrern verboten werden. Gegen alle diese Ablenkungsm�glichkeiten helfen indessen keine Verbote, sondern nur die Konzentration und Disziplin des Fahrzeuglenkers. Fahrzeuglenker, welche wegen kleinen Ablenkungen - sei dies nun eine der zahlreichen Reklameschriften in Autobahnn�he oder ein Spruchband an einem Br�ckengel�nder - ihr Fahrzeug nicht mehr sicher unter Kontrolle haben, w�ren wegen Fahruntauglichkeit aus dem Verkehr zu ziehen. 

Im Gegensatz zur omnipr�senten kommerziellen Werbung, welche Tag und Nacht, bei guter und schlechter Sicht, Regen, Nebel, Glatteis etc st�ndig und im �berfluss vorhanden ist, ist eine Kundgebung zeitlich sehr begrenzt (im vorliegenden Fall 1 Stunde), kann auf g�nstige Witterungszust�nde und �rtlich unbedenkliche Stellen beschr�nkt werden und ist deshalb hinsichtlich der Dauer und H�ufigkeit gegen�ber anderen Ablenkungen quantitativ absolut vernachl�ssigbar.  

Die Kundgebung, f�r welche die Beschwerdef�hrer geb�sst wurden, lenkte die Aufmerksamkeit der Autofahrer nicht st�rker ab als andere optische Reize, die es entlang von Autobahnen zahlreich und - im Gegensatz zu der einst�ndigen Kundgebung - �ber lange Zeit oder dauernd gibt (kommerzielle Werbung und auff�llige Firmenanschriften unmittelbar neben der Autobahn, landschaftliche und architektonische Sehensw�rdigkeiten, �berfliegende Flugzeuge in Flughafenn�he, Reklamebeschriftungen auf Fahrzeugen etc). Weniger ung�nstig als autobahnnahe Reklame, welche die Aufmerksam seitw�rts ablenken kann, erschien das inkriminierte Spruchband dem Autofahrer in Fahrtrichtung. Der Autofahrer konnte deshalb das Spruchband lesen, ohne den Verkehr aus den Augen zu verlieren. Wenn sich, wie vorliegend, die Br�cke auf einem reizarmen, monotonen Autobahnabschnitt befindet, die arm an anderen Ablenkungsm�glichkeiten ist, besteht nicht die geringste Beeintr�chtigung der Verkehrssicherheit durch ein solches Spruchband. Im Gegenteil kann eine solche Auflockerung der monotonen Autobahnfahrt die Verkehrssicherheit sogar erh�hen, indem die Aufmerksamkeit von in Gedanken versunkenen Fahrern wachger�ttelt wird. Indem die Vorinstanzen dies alles unbeachtet liessen und einem solchen Spruchband ohne sachliche Pr�fung in unhaltbarer Weise eine Verkehrsgef�hrdung zugeschrieben haben, sind sie in Willk�r verfallen.  

Das generelle Kundgebungsverbot ist unverh�ltnism�ssig. Es w�rde gen�gen, wenn Kundgebungen auf Autobahnbr�cken mit strengen Auflagen an Ort, Art und H�ufigkeit in vern�nftigen Grenzen gehalten w�rden. Das Verh�ltnism�ssigkeitsprinzip ist ein Verfassungsgrundsatz, der auch bei der Anwendung der EMRK zu beachten ist. Das Verh�ltnism�ssigkeitsprinzip ist verletzt, wenn das Ziel - hier die Verkehrssicherheit - mit weniger einschneidenden Massnahmen erreicht werden kann. Die Vorinstanzen haben solche M�glichkeiten �berhaupt nicht gepr�ft. Die konkreten Umst�nde der inkriminierten Kundgebung wurden nicht gepr�ft. Es wurde auch keine Interessenabw�gung vorgenommen. Die Kundgebungsfreiheit wurde als etwas Unbedeutendes behandelt, das nicht zu beachten ist, wenn es bequemer ist, ein vorsorglich generelles Verbot zu erlassen. 

Das Verh�ltnism�ssigkeitsprinzip ist im vorliegenden Fall diskriminierend missachtet worden, da die Strafbeh�rden des gleichen Kantons SZ zur gleichen Zeit auf eine weit gef�hrlichere Situation, die sich an der gleichen Stelle der Autobahn gleichzeitig ergab, nicht mit Sanktionen reagierten: Der Beschwerdef�hrerin 2 (Marl�ne Gamper) wurde von einem Schweinem�ster der Fotoapparat weggenommen und in hohem Bogen auf die Autobahn geworfen. Hier bestand - w�re ein Fahrzeug getroffen worden - die unmittelbare Gefahr einer Schreckreaktion eines Fahrzeuglenkers, was leicht zu einer Massenkarambolage mit t�dlichem Ausgang h�tte f�hren k�nnen. Diese Gef�hrdung ist von der Schwyzer Justiz, also von der gleichen kantonalen Justiz, die vorliegend wegen eines harmlosen Spruchbandes den Teufel einer Verkehrsgef�hrdung an die Wand malt, nicht geahndet worden, da angeblich keine konkrete Gef�hrdung bestanden habe!

Beweis: Beizug der Akten des �berfalls von Metzgern und M�stern auf VgT-Aktivistinnen im Juli 1997. Strafbefehl des Verh�ramtes Schwyz vom 24. Juli 1998, U-Nr 585/ 97 CF. 

Die Strassenverkehrsvorschriften, welche Werbung auf Privatgrund entlang von Autobahnen einschr�nken und auf der Autobahn selbst verbieten, haben offensichtlich das legitime Ziel, die Reizflut in Grenzen zu halten. Trotz dieser Vorschriften sind aber auch die Autobahnen selbst alles andere als frei von ablenkenden Beschriftungen: streckenweise, meistens bei Ein- und Ausfahrten und Verzweigungen, sind Autobahnen oft geradezu mit einem Wald von Verkehrsschildern �berstellt, und dies gerade an Stellen, die kritisch sind hinsichtlich Verkehrssicherheit (Spurwechsel). W�hrend man einwenden kann, Verkehrssignalisationen entspr�chen einer Notwendigkeit, zeigt dieser Umstand dennoch, dass es bei der Einschr�nkung von Werbung letztlich nur um eine quantitative Einschr�nkung der optischen Reize auf Autolenker geht. Einem einzelnen Schriftzug an einer Autobahn ohne R�cksicht auf die konkreten Umst�nde eine verkehrsgef�hrdende Wirkung zuzuschreiben - wie das die Vorinstanzen tun -, ist deshalb unhaltbar und willk�rlich.  

Da wie gezeigt die Vorschriften des Strassenverkehrsgesetzes, welche Werbung an oder auf Autobahnen einschr�nken, nur den Sinn einer quantitativen Beschr�nkung haben k�nnen, ist es im Lichte der EMRK unhaltbar, grundrechtlich gesch�tzte Kundgebungen gleich zu behandeln wie sinnlose kommerzielle Werbung. EMRK-Garantien d�rfen gem�ss st�ndiger Praxis des EGMR nur aufgrund einer Interessenabw�gung im Einzelfall eingeschr�nkt werden. Ein generelles Kundgebungsverbot auf Autobahnbr�cken ist nach dem Gesagten mit diesem Grundsatz unvereinbar: Andere, nicht grundrechtlich gesch�tzte optische Reize entlang von Autobahnen m�ssten vorrangig soweit eingeschr�nkt werden, dass wenigstens noch ein minimaler Raum bleibt zur Bewilligung von Kundgebungen an sicherheitsm�ssig unbedenklichen Stellen (gerade, �bersichtliche Autobahnabschnitte, arm an sonstigen optischen Reizen). Es kann nicht angehen, Verordnungsvorschriften, welche zum Zweck haben, eine �berm�ssige Reklameflut im Blickfeld von Autolenkern auf Hauptverkehrsstrassen zu verhindern, unbesehen und undifferenziert auf das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit anzuwenden. Die Meinungs�usserungs- und die Demonstrationsfreiheit geh�ren zu den grundlegenden, durch die EMRK garantierten Freiheitsrechten, die gem�ss Praxis des EGMR nur in zwingenden Gr�nden und nach sorgf�ltigem Abw�gen im Einzelfall eingeschr�nkt werden d�rfen. Generelle Verbote aus Bequemlichkeit, um sich die Arbeit zu ersparen, Einzelf�lle sorgf�ltig zu pr�fen, sind unzul�ssig. Das generelle Verbot von Spruchband-Kundgebungen auf Autobahnen ist deshalb unvereinbar mit EMRK 11. 

 5. Diskriminierende Einschr�nkung der Kundgebungsfreiheit  

Das von den Vorinstanzen behauptete generell-ausnahmslose Verbot, auf Autobahnen irgendwelche "Werbungen" anzubringen, wird von der Schweiz diskriminierend gehandhabt (EMRK 14 in Verbindung mit EMRK 11), da auf Autobahnen - auch an und auf Autobahnbr�cken - oft und regelm�ssig Werbung zugelassen wird, die ebensowenig zwingend auf die Autobahn geh�rt, wie das inkriminierte Spruchband. Auf die diesbez�glichen Ausf�hrungen ist die Vorinstanz ebenfalls unter Verletzung des rechtlichen Geh�rs nicht eingegangen. Dabei h�tte die Vorinstanz Anlass gehabt, sich im Rahmen der Diskriminierungsr�ge ernsthaft insbesondere mit der vergleichbaren Autobahn-Werbung des Bundes f�r Unfallverh�tung (BfU) auseinanderzusetzen: Diese Werbung f�r ein vorsichtigeres Fahrverhalten ist durchaus vergleichbar mit einer Werbung f�r vegetarische Ern�hrung. Verkehrserzieherische Werbung muss nicht unbedingt auf Autobahnen gemacht werden; ebenso wirksam w�ren zum Beispiel Fernsehspots, Zeitungsinserate, Plakate und aufgelegte Brosch�ren auf Autobahnrastst�tten etc. Die Einschr�nkung der Meinungs�usserungs- und der Demonstrationsfreiheit erfolgt in diskriminierender Weise: was unter analogen Umst�nden anderen - dem BfU - erlaubt ist, wird den Angeschuldigten verboten. So l�uft seit einiger Zeit die BfU-Verkehrserziehungskampagne mit dem Plakat "Setzen Sie Zeichen." Diese Tafeln stehen sogar an sicherheitskritischen Stellen wie Autobahneinfahrten (Fotos bei den Akten). Es besteht hief�r keine Standortgebundenheit wie f�r Verkehrssignale und -hinweise. Es geht vielmehr um verkehrserzieherische Appelle allgemeiner Natur, die ebensogut in den Medien verbreitet werden k�nnten. Das allf�llige Argument, an der Autobahn w�rden gezielter bzw selektiver die Verkehrsteilnehmer angesprochen, ist ein rein werbetechnisches Argument, das gleichbedeutend ist mit dem Anliegen der inkriminierten Kundgebung, dass eben auf einer Autobahnbr�cke die �ffentlichkeit besonders gut zu einer vegetarischen Ern�hrung aufgerufen werden kann, gerade wenn die Leute zum Essen fahren. Dazu kommt, dass die BfU-Werbung sich gezielt an die Fahrzeuglenker wendet und damit bewusst deren Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dagegen richtete sich das inkriminierte Spruchband eher an die Mitfahrer, jedenfalls nicht gezielt an die Lenker, die rasch erkennen k�nnen, dass es sich nicht um einen f�r sie wichtigen Verkehrshinweis handelt. Ferner stehen die BfU-Werbetafeln monate- bis jahrelang an sicherheitskritischen Stellen auf Autobahnen, w�hrend das inkriminierte Spruchband nur eine Stunde lang und an unkritischer Stelle aufgehalten wurde. Ein Vergleich der beiden Werbungen - BfU und VgT - aus Sicht der Verkehrssicherheit, f�llt insgesamt eindeutig zugunsten letzterer aus. Trotzdem wird die BfU-Werbung ohne zwingende Notwendigkeit erlaubt und die VgT-Werbung ohne zwingende Notwendigkeit verboten. Das verletzt das Gleichbehandlungsgebot und ist diskriminierend im Sinne von EMRK 14 in Verbindung mit EMRK 11. 

Schliesslich ist auch nicht ohne Bedeutung, dass das vorliegende Kundgebungsverbot nicht allein dasteht, sondern Teil einer systematischen Einschr�nkung der Demonstrationsfreiheit des VgT darstellt, wo immer diese Tier- und Konsumentenschutzorganisation mit friedlichen Kundgebungen an die �ffentlichkeit tritt. Diesbez�glich sind bereits zahlreiche Beschwerden gegen die Schweiz vor dem EGMR h�ngig. Das in den vorausgehenden Verfahren vorgebrachte Argument, der VgT k�nne ja seine Anliegen anderswo in die �ffentlichkeit tragen, w�re - hier erneut wiederholt - geradezu zynisch: Man kann nicht - ohne in Zynismus zu verfallen - jemandem �berall und bei jeder Gelegenheit Kundgebungen und die freie Meinungs�usserung verbieten mit der Begr�ndung, er k�nne seine Anliegen ja anderswo bekannt machen. 

Zu den bei den Akten befindlichen Foto-Beweis f�r die diskriminierende Anwendung des Reklameverbotes auf Autobahnen haben sich zwischenzeitliche weitere ergeben: 

a) Neue Aufnahmen der BfU-Werbung "Setzen Sie Zeichen" auf Autobahnen (die Nummerierung der Fototafeln setzt die entsprechende Nummerierung vor Vorinstanz fort):
Fototafel 9: BfU-Werbetafel "Setzen Sie Zeichen", aufgestellt im Mittelstreifen auf der Nordumfahrung der Stadt Z�rich.
Fototafel 10: BfU-Werbetafel "Setzen Sie Zeichen" an einer Autobahnbr�cke, an sicherheitskritischer Stelle unmittelbar bei einer Autobahnausfahrt 

b) Wie diskriminierend v�llig anders geurteilt wird, wenn es nicht um den VgT geht, zeigt auch der folgende Fall verbotener Werbung an Hauptstrassen:
Gem�ss Strassensignalisationsverordnung (SSV) ist politische Werbung an �ffentlichen Strassen ausserorts verboten:
SSV Arikel 98 Ziffer 1: "Ausserorts sind Fremdreklamen unzul�ssig."
SSV Artikel 95 Ziffer 4: "Fremdreklamen werben f�r .... Ideen und dergleichen, die mit dem Standort der Reklame in keinem �rtlichen Zusammenhang stehen."

Im Vorfeld der Volksabstimmung �ber die sog "Kleinbauern-Initiative" erstattete der VgT Anzeige gegen eine politische Werbung "VKMB NEIN", angebracht an einem Stapel plastik�berzogenen Siloballen. Die Untersuchung wurde - wie aus der Einstellungsverf�gung gem�ss Beilage 4 hervorgeht - nur widerwillig an die Hand genommen und schliesslich trotz klarer Rechtswidrigkeit eingestellt, mit krass diskriminierender Begr�ndung verglichen mit vorliegender Bussenverf�gung. Um dies zu belegen, gen�gt es, aus der Einstellungsverf�gung zu zitieren:

Ziffer 5 der Einstellungsverf�gung: "Am 2. November erkundigte sich die juristische Sekret�rin bei Herrn Kessler [Pr�sident VgT], ob er nicht bereit w�re, seine Strafanzeige zur�ckzuziehen, da die Abstimmung ja vor�ber sei und die Siloballen mit der Abstimmungswerbung zwischenzeitlch an Aktualit�t verloren h�tten und in der Zwischenzeit wahrscheinlich entfernt worden seien. Da er sich nicht dazu bereit erkl�rte, wurde die Kantonspolizei Z�rich ... gebeten, .. die T�terschaft zu ermitteln."

Nachdem die T�terschaft ermittelt war, wurde die Strafuntersuchung eingestellt mit folgender Begr�ndung (Ziffer 8 der Einstellungsverf�gung):
"Das Statthalteramt ist der Ansicht, dass gegen besagte Abstimmungswerbung auf den Silageballen keine Intervention notwendig war. Weder beeintr�chtigte sie die Wirkung von Strassensignalisationen noch die Verkehrssicherheit. Abstimmungswerbung in dieser oder anderer Form ist vor jeder bevorstehenden Abstimmung gang und g�be und grunds�tzlich ohne Bewilligungsverfahren zugelassen... �hnliche Werbung wie die zur Anzeige gebrachte, waren vor dem Abstimmungswochenende vom 29. September 1998 in der ganzen Schweiz anzutreffen."

Und schliesslich Ziffer 9 der Einstellungsverf�gung:
"Aufgrund obiger Erw�gungen ist die Untersuchung gegen den Beschuldigten einzustellen."
Die Begr�ndung der Einstellung, politische Werbung an �ffentlichen Strassen sei in der ganzen Schweiz �blich und die ein paar Wochen aufgestellte angezeigte Werbung sei ja "in der Zwischenzeit wahrscheinlich entfernt worden" trifft ganz genau auch auf die im vorliegenden Fall inkriminierten Spruchb�nder zu. Es liegt somit eine krasse Ungleichbehandlung und eine diskriminierende Anwendung der Meinungs�usserungsfreiheit vor.  

c) Abstimmungswerbung "NEIN ZUR LSVA" unmittelbar am Autobahnrand: Fotofafel 11 

6. Verletzung der Unschuldsvermutung / aktenwidrige Feststellung 

Die Angeklagten wurden wegen einer blossen �bertretung verurteilt (vorschriftswidriges Anbringen von Strassenreklamen im Sinne von � 99 SSV iVm � 114 I SSV). In der Urteilsbegr�ndung erkl�rt das Bezirksgericht March (Seite 10) die Angeklagten jedoch der Verkehrsgef�hrdung schuldig, also eines Vergehens im Sinne von SVG Artikel 90 Absatz 2, und begr�ndet damit ausdr�cklich das trotz teilweisen Freispruchs nicht reduzierte Strafmass (und Verweigerung einer Entsch�digung):

"Das Verschulden der Angeklagten wiegt nicht leicht. Mit dem Anbringen von Spruchb�ndern auf der Autobahnbr�cke hat die Angeklagte eine Gef�hrdung der Verkehrssicherheit auf der Autobahn geschaffen."

Verkehrsgef�hrdung ist gem�ss SVG Artikel 90 Absatz 2 ein Vergehen.  

Die Unschuldsvermutung gem�ss EMRK Artikel 6 "verbietet einer Beh�rde jederzeit die Feststellung, eine Person habe eine strafbare Handlung begangen, wenn sie nicht formell wegen dieser Handlung gerichtlich verurteilt wurde." Vorliegend erfolgte der strafrechtliche Vorwurf der Verkehrsgef�hrdung nicht im Schuldspruch, sondern nur in der Urteilsbegr�ndung, die gem�ss BGer-Praxis nicht anfechtbar ist (Christian Ferber: Die eidgen�ssische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, 1993, Seite 46). Zudem beruht dieser Vorwurf einer strafbaren Handlung auf einer blossen Verd�chtigung (ungen�gend gesicherte Befestigung der Spruchb�nder am Br�ckengel�nder), zu welcher sich die Angeklagten vor erster Instanz nicht �ussern konnten, da diese Anschuldigung erstmals in der Urteilsbegr�ndung erhoben wurde. Die Vorinstanz (kantonale Beschwerdeinstanz) hat festgehalten (Seite 5), diese Frage spiele "keine Rolle". Diese Feststellung ist aktenwidrig, hat doch der Einzelrichter damit ausdr�cklich das Strafmass gerechtfertigt. Indem die Vorinstanz die 'Verurteilung ohne Urteil' wegen Verkehrsgef�hrdung nicht zur�cknahm, bleibt die verfassungs- und menschenrechtswidrige Verletzung der Unschuldsvermutung aktuell und ist hier erneut zu r�gen.  

 7. Willk�rlicher Kostenentscheid und Verletzung der Unschuldsvermutung

In einem von zwei Anklagepunkten erfolgte ein Freispruch (Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Urteils des Einzelrichters). Trotzdem sind den Angeklagten die vollen Verfahrenskosten auferlegt worden und es wurde ihnen keine Entsch�digungen zugesprochen. Das l�uft dem Gerechtigkeitsgedanken in stossender Weise zuwider und verletzt damit gem�ss BGer-Praxis das Willk�rverbot.  

In den Augen der �ffentlichkeit signalisiert der Kostenentscheid, dass die Angeklagten aus rein juristischen Gr�nden zwar in einem von zwei Anklagepunkten freigesprochen wurden, jedoch auch im freigesprochenen Punkt nicht ganz unschuldig seien. Anders l�sst sich die volle �berbindung der Verfahrenskosten in den Augen der �ffentlichkeit nicht verstehen. Damit verletzt der Kostenentscheid den Grundsatz der Unschuldsvermutung in EMRK-widriger Weise. 

Die Vorinstanz wendet dazu ein, das Einholen einer Bewilligung und das Anbringen von Reklame stellten nicht zwei selbst�ndige Einzelakte dar. Diese von der Vorinstanz zwar wortreich aber unverst�ndlich und nicht nachvollziehbar "begr�ndete" Feststellung widerspricht der Logik und dem gesunden Menschenverstand: Das Nichteinholen einer Bewilligung einerseits und die Durchf�hrung der Kundgebung andererseits waren unabh�ngige Handlungen bzw unterlassene Handlungen, die je auf unabh�ngigen Entschl�ssen basierten und zwar erst noch von verschiedenen zust�ndigen Personen: F�r die Einholung von Kundgebungsbewilligungen ist regelm�ssig die VgT-Leitung zust�ndig, nicht die einzelnen Kundgebungsteilnehmer, welche gar nicht �ber die rechtlichen Kenntnisse verf�gen, ob, wie und wo allenfalls eine Bewilligung einzuholen ist. Es handelte sich bei der vorliegend inkriminierten Kundgebung eindeutig und unzweifelhaft um eine VgT-Kundgebung, nicht nur der vereinsinternen Organisation nach, sondern auch �ffentlich erkennbar an der Kundgebung selbst: das inkriminierte, dem Verein geh�rende Spruchband war deutlich mit "Verein gegen Tierfabriken" unterzeichnet. Auch diese Umst�nde wurden von den Vorinstanzen willk�rlich nicht beachtet. 

Ferner wendet die Vorinstanz ein - und das d�rfte offensichtlich der wahre Grund f�r die Abweisung der Beschwerde in diesem Punkt sein - es entspreche der "kantonsgerichtlichen Praxis", dass die Kostenauflage im Strafprozess nicht nach Obsiegen oder Unterliegen wie im Zivilprozess erfolge, "sondern dass die Kosten dann auferlegt werden k�nnen, wenn das Verfahren durch den zur Verurteilung f�hrenden Sachverhalt ad�quat verursacht worden ist." Dazu ist vorerst festzuhalten, dass eine rechtswidrige Praxis kein Recht begr�ndet und keine Rechtm�ssigkeit beweist. Sodann legt die Vorinstanz nicht dar, was "ad�quat verursacht" hier heissen soll und inwiefern damit die offensichtliche Tatsache widerlegt werden k�nnte, dass das Verfahren wegen zweier Delikte - gef�hrt wurde und sich sowohl die Verteidigung wie auch das Gericht nicht ohne Aufwand auch mit der ersten Anschuldigung befassen musste, bez�glich derer schliesslich ein Freispruch erfolgte, die Angeschuldigten/Beschwerdef�hrer hief�r aber die vollen Kosten tragen m�ssen.  

Diese von der Vorinstanz geltend gemachte "kantonsgerichtliche Praxis" ist willk�rlich, weil sie nicht verallgemeinerungsf�hig ist. Rechtsprechungsregeln m�ssen Allgemeing�ltigkeit beanspruchen k�nnen, andernfalls sie das Willk�rverbot verletzen, was vorliegend der Fall ist aus folgendem Grund: Unbestritten ist, dass bei vollem Freispruch dem Freigesprochenen - abgesehen von bestimmten Ausnahmen - keine Kosten �berb�nden werden. (Die m�glichen Ausnahmen sind vorliegend nicht geltend gemacht worden und interessieren deshalb nicht weiter). Die von der Vorinstanz geltend gemachte Praxis hat nun - konsequent befolgt - zur Folge, dass einem zu 99 Prozent Freigesprochenen noch die vollen Verfahrenskosten zu �berbinden w�ren. Demgegen�ber ist - ohne in stossender Weise gegen den Gerechtigkeitssinn zu verstossen - bei Teilfreispruch nur eine anteilm�ssige Kosten�berbindung vertretbar, etwa im Verh�ltnis des f�r die Untersuchung und Beurteilung der bez�glichen Anschuldigungen erforderlichen Aufwandes. Das Gleiche gilt f�r die Entsch�digung der Beschwerdef�hrer in dem Punkt, in welchem ihre Verteidigung erfolgreich war und die Bussenverf�gung zu Unrecht erfolgte.

 

Das Bundesgericht wies die Beschwerde mit willk�rlicher Begr�ndung ab. Dagegen reichte der VgT eine Beschwerde beim Europ�ischen Gerichtshof f�r Menschenrechte (EGMR) ein. Dieser erkl�rte die Beschwerde ohne Begr�ndung als unzul�ssig und trat nicht darauf ein. Siehe die missbr�uchliche Zulassungspraxis des ERMG.


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