Robin Hood
Kämpfer für Gerechtigkeit und Beschützer der Rechtlosen
Im ausgehenden Mittelalter lebte in der englischen Grafschaft Yorkshire ein Mann
namens Robin Hood. Von den Machthabenden geächtet, kämpfte er gegen die
Unterdrückung der Rechtlosen. Wer realisiert, dass heute die Tiere die
ausgebeuteten und unterdrückten Rechtlosen sind, wird eine erschreckende
Analogie zur heutigen Zeit erkennen.
Siebte Folge:
Robin findet Zuflucht auf der Burg von Sir Richard
Was bisher geschah:
Die Geächteten, Robin und seine Männer, nehmen verkleidet an einem festlichen
Wettschiessen teil. Robin schiesst am besten. Als er den Preis übernimmt, wird
er erkannt. Eine wilde Verfolgungsjagd setzt ein. Robin und seine Männer
flüchten dem rettenden Wald zu.
Einige Krieger, die sich von der Hauptgruppe abgespalten hatten, waren ihrer
linken Flanke gefährlich nahe gekommen. Nur wenige Pfeile hatten sie noch übrig,
und der Wald schien noch immer weit. Nach rechts blickend sah Robin, dass ganz
in der Nähe sich ein Tal öffnete und zwischen niedrigen Hügeln entlangzog. Und
nur wenig weiter als ein Pfeilschuss von den Kämpfenden entfernt stand eine
kleine feste Burg auf dem grünen Talboden; ihre grauen Mauern erhoben sich aus
dem schimmernden Dunkel des mit Wasser gefüllten Burggrabens und waren von
schönen Gärten und Obstbäumen umgeben. Es war die Burg von Sir Richard-at-Lea,
das wusste Robin. Er wusste auch, dass man ihm und seinen Männern bereitwillig
Zuflucht hinter jenen Mauern gewähren würde; doch ebenso wusste er, dass er den
Untergang von Sir Richard, seinem Freund, heraufbeschwören würde, wenn er diese
Zuflucht in Anspruch nähme. In Sekundenschnelle stellte er diese Überlegungen
an, und fest entschlossen wandte er sich wieder dem Walde zu, der so weit
entfernt schien wie zuvor. In diesem Augenblick ertönte ein tiefes gefährliches
Brummen und ein Schwarm von Pfeilen sauste teils zwischen die Flüchtlinge, teils
über sie hinweg. Sie richteten keinen Schaden an und bohrten sich ins Gras - bis
auf zwei: Diggery taumelte, erblickte einen klaffenden Riss in seinem Arm und
versuchte weiterzurennen; gleichzeitig schwankte Little John, stürzte vornüber
und rollte zur Seite, ein Pfeil steckte in seinem linken Knie.
Sofort hielten alle an, und ehe er noch still lag, kniete Robin bereits an
seiner Seite. Little John stützte sich auf die Hände, betrachtete sein
unbrauchbar gewordenes Bein und blickte Robin dann in die Augen. Sein Gesicht
sah plötzlich sehr jung und sehr ernst aus. “Robin", sagte er eindringlich,
"Euren Dolch! Bereitet mir ein schnelles Ende, lasst mich nicht in die Hände des
Sheriffs fallen!" "Verlieren soll ich dich? Nein, John", antwortete Robin. Er
stand auf, bückte sich und nahm alle seine Kraft zusammen für eine gewaltige
Anstrengung. "Hinauf mit dir, Junge! - Gilbert, hilf mir."
Gilbert eilte ihm zu Hilfe, und im nächsten Augenblick stand Robin aufrecht,
zitternd vor Anspannung unter dem Gewicht seines Freundes, der auf seiner
Schulter lag.
Der ganze Aufenthalt hatte nur kurze Zeit in Anspruch genommen, die Männer, die
um Little John herumstanden, hatten ihre Pfeile gegen die sich schnell nähernden
Krieger nur einmal abgeschossen; und dennoch hatten sie ihren Vorsprung zum
grossen Teil eingebüsst, als Robin wieder aufbrach. Wäre Little John nicht
kampfunfähig gemacht worden, so hätten sie den Wald vielleicht erreichen können;
doch jetzt würde es ihnen nicht mehr gelingen, - zu nahe waren die Männer des
Sheriffs gekommen, und sie selbst waren behindert durch die Last des
Verwundeten.
Robin rief seinen Männern zu, ihm zu folgen, wandte sich nach rechts und lief
taumelnd das Tal entlang auf die kleine feste Burg zu. Jetzt hing alles davon
ab, ob die Zugbrücke heruntergelassen war und ob die Bewohner der Burg sie
erkennen und schnell einlassen würden. Schon die kürzeste Kontrolle würde
genügen, sie ihren Verfolgern auszuliefern - und die waren eins zu vier in der
Überzahl. Atemlos rief Robin Alan A'Dale zu: "Alan, lauf schnell - die
Zugbrücke!"
Ohne ein Wort zu verlieren, rannte Alan los. Er war von ihnen allen der
schnellste Läufer, und die Reisigen seines Vaters würden ihn natürlich erkennen.
Verbissen lief Robin weiter, durch das Gewicht des Verwundeten auf seiner
Schulter stark behindert. Seine Männer schlossen sich um ihn zusammen, und
ausser dem Stampfen ihrer Füsse auf dem schmalen Pfad, ausser dem tiefen Dröhnen
ihrer Bogensehnen konnte er hören, dass die Verfolger immer näher und näher
kamen.
Auch Little John hörte sie und verlangte hartnäckig: "Setzt mich ab, Robin, ich
bringe den Tod über euch alle - besser einer als alle!" "Sei still, du Narr",
keuchte Robin und taumelte weiter. Das Blut dröhnte in seinen Ohren, er brach
unter seiner Last fast zusammen, doch die Burg war jetzt ganz nahe, und als er
um die letzte Biegung des Pfades bog und das Tor vor sich hatte, sah er, dass es
weit offen stand und dass einige Bewaffnete sich an den Ketten der Zugbrücke
bereithielten. Und mitten auf der Zugbrücke stand Alan A'Dale und neben ihm die
vertraute, graugepanzerte Gestalt seines Vaters.
Bei ihrem Anblick jubelten die Männer vor Freude, ein gellendes Wutgeschrei der
Verfolger war die Antwort. Knapp ein Dutzend Schritte von der Zugbrücke
entfernt, drehten sich die Männer noch einmal um und schossen ihre letzten
Pfeile ab. Dann rannten sie weiter, hohl dröhnte die Zugbrücke unter ihren
Füssen, und kaum war der letzte Mann drüben, begann sie sich mit einem schrillen
Quietschen der Ketten zu heben.
Dann stand Robin im Aussenhof der Burg und Sir Richard-at-Lea half ihm, Little
John von seiner Schulter zu heben. Auch Scarlet kam zu Hilfe, und miteinander
legten sie den Verwundeten auf das Pflaster, so behutsam wie möglich, um seinem
verletzten Knie nicht weh zu tun. Aber Little John fühlte keine Schmerzen mehr:
als Robin ihn über die Zugbrücke trug, hatte er das Bewusstsein verloren.
Hinter ihnen wurde die Brücke immer höher gezogen, die Ketten kreischten, die
Bolzen rumpelten. Und von jenseits, von der anderen Seite des Grabens, hörten
sie das wütende Geschrei der Leute des Sheriffs.
Fortsetzung im nächsten Heft.
Inhaltsverzeichnis VN1995-8
Archiv
VgT-Nachrichten
Startseite VgT
|