Interview mit Erwin Kessler
Kantonsschularbeit von Linda Brgi, Effretikon (gekrzt)


Dr. Erwin Kessler ist ein berzeugter und erfolgreicher Tierrechtler, der durch seine provokative Art, sich fr die sprach- und wehrlosen Geschpfe einzusetzen, Bekanntheit in allen Teilen des Landes erlangt hat. Sein Buch Tier- Fabriken in der Schweiz liefert wertvolle Hintergrundinformationen und regt zum Denken an.

Waren Sie schon als Kind im Tierschutz aktiv?
Nein, aber ich habe von Kindsbeinen an mit Tieren zu tun gehabt. In den Ferien half ich oft auf dem Hofe meines Onkels mit, wodurch eine intensive Beziehung zu den Tieren entstand.

Folglich wohnten Sie in der Stadt. Hatten Sie dennoch Haustiere?
Ich wuchs in der Stadt Zrich auf. Haustiere hatte ich keine, weil diese meiner Ansicht nach -als reine Wohnugstiere gehalten - ihre natrlichen Bedrftnisse nicht ausleben knnen.

Wann und wieso haben Sie den Verein gegrndet?
1989 grndete ich den VgT, weil ich merkte, dass es nicht mglich war, mit den bereits bestehenden Tierschutzvereinen zusammenzuarbeiten. Diese waren anders orientiert, zu schwerfllig und einfach zu wenig militant. Die Nutztierprobleme sollte man vermehrt auf aggressivere Art angehen. Man kann dies nicht gleich behandeln wie ein entlaufenes Bsi. Das Fleischgeschft ist ein Milliardengeschft, dessen Interessen politisch effizient vertreten sind. Mein Vorbild war seit jeher Greenpeace

Welche Hilfmittel und -Krfte standen Ihnen damals zur Verfgung?
Nichts. Im ersten Jahr arbeitete ich allein mit einer Parlamentarierin aus dem Thurgau zusammen. Ein Jahr spter zhlten wir rund 50 Mitglieder. Die Arbeit damals bestand noch hauptschlich aus dem Schreiben von Leserbriefen.

Haben Sie die Leitung des Vereines zu Ihrem Beruf gemacht?
Vor 2 Jahren gab ich meinen Job als Ingenieur auf und widmete mich vollamtlich dem Verein.

Hatten Sie noch nie Gedanken wie Jetzt ist dann genug. Ich hre auf.?
Doch. In den ersten paar Jahren dachte ich das alle 14 Tage. Das war halt schon eine harte Zeit. Obwohl ich an sich ein Gegner des Selbstmordes aus rein psychischen Grnden bin, htte ich mir damals zweimal beinahe das Leben genommen. In letzter Zeit probiere ich damit zu leben und lehne Vieles einfach ab, damit ich nicht zu arg in Stress gerate. Ich versuche mich einfach irgendwie zu schtzen, damit es geht. Ursprnglich wollte ich dies ja sowieso nur fr ein paar Jahre machen. Ich htte nie gedacht, dass ich meinen Beruf aufgeben wrde. Schliesslich habe ich damals auch gut verdient. Und jetzt wurde mir dies schicksalhaft zur Berufung, weil ich sah, dass es jemand machen musste. Letztendlich macht Geldverdienen allein auch nicht glcklich. Es war schon ein schwieriger Entscheid, und ich muss auch stndig aufpassen, dass ich es psychisch verkrafte.

Erhielten Sie Drohungen?
Schon, aber die haben mich nicht sehr belastet. Es war vielmehr der Stress. Ich wurde mit Dingen belstigt, die berhaupt nicht in meinen Bereich gehrten und zudem auch nicht wichtig waren.

Sind Sie auch im Welschland ttig?
Vor einem Jahr grndeten wir eine Westschweizer Sektion des VgT: ACUSA, Association contre les Usines d'Animaux. Unser Einsatz ist im Welschland beinahe noch ntiger als hier. Man ist dort durch die Einwirkung der franzsischen Mentalitt (Frankreich ist das Land der Gnsestopflebern) in solchen Sachen eher unterentwickelt

Wie weit sind Sie selber auch aktiv?
Ich leite sowohl Kundgebungen, die beim Einschreiten der Polizei zT. recht heikle Situationen heraufbeschwren, als auch das Auskundschaften von Missstnden in Stllen. Dies ist bisweilen eine lebensgefhrliche Sache. Auch friedliche Kundgebungen sind angesichts der Brutalitt der Fleischmafia gefhrlich. Letzten Sommer wurden vier VgT-Aktivistinnen, die friedlich ein Spruchband Essen Sie heute vegetarisch - den Tieren und Ihrer Gesundheit zuliebe aushngten, von sechs Metzgern und Mstern angegriffen und zusammengeschlagen, weil sie ihnen das Geschft ruinieren wrden.

Sind sie auch im Ausland ttig?
Vor vier Jahren habe ich geholfen den VgT Oesterreich zu grnden. Dieser luft jetzt selbstndig unter der Leitung eines sehr fhigen und engagierten Tierarztes.

Planen Sie auch in Deutschland und Frankreich irgendwelche Aktivitten oder Niederlassungen?
Diesen Plan gab ich auf, als ich merkte, dass die meisten Tierschtzer weder die Fhigkeit noch die Zeit dazu haben, selbstndig und effizient zu arbeiten. Schliesslich kann ich nicht auch noch die Leitung einer Sektion im Ausland auf mich nehmen, da ich in meiner direkten Umgebung bereits alle Hnde voll zu tun habe.

Was ist eigentlich Ihre Energiequelle? Sie sind ein von allen Seiten angefochtener aber unermdlicher Einzelkmpfer. Wie schaffen Sie es, mit einer derart konstanten Hartnckigkeit unbeirrt Ihr Ziel zu verfolgen?
Mein frheres Hobby - Musizieren- musste ich aufgegeben. Ich war zu gestresst. Was ich jetzt mache, um zu relaxen, ist Gartenarbeit, Holzen im Wald, Wandern, Yoga und Meditation und dreimalwchentlich Kampfsport. Hobbys zur Unterhaltung habe und brauche ich nicht mehr. Abenteuerfilme im Fernsehen finde ich geradezu langweilig vor dem Hintergrund meiner eigenen Erlebnisse.

Wieso hat das Schchten einen so wichtigen Platz in ihrer Arbeit eingenommen?
Das habe ich in diesem Umfang nicht vorgehabt, sondern ist eine Folge der jdischen Hetzkampagnen gegen mich. Ich konnte natrlich die stndigen Behauptungen, Schchten sei nicht tierqulerisch und verdiene religise Toleranz, nicht einfach stehen lassen. Ich wollte einzig die Bestrebungen, das Schchtverbot aufzuheben, verhindern. Leider konnte ich nicht verhindern, dass der Bundesrat letztes Jahr das Geflgelschchten in der Schweiz offiziell erlaubt hat. Das wurde nicht zuletzt deshalb mglich, weil mit Ruth Dreifuss ein Jdin im Bundesrat vertreten ist, welche das Schchten gutheisst. Ausserdem ist das Schchten weltweit gesehen ein wichtiges Thema. Die grsslichen transeuropischen Schlachttiertransporte bis in den Nahen Osten hngen damit zusammen: Die dortigen Moslems wollen kein Khlfleisch, sondern lebende (bei der Ankunft allerdings eher halbtote) Tiere zum Schchten.

Sehen sie Unterschiede zwischen Menschen und Tieren?
Diese Frage ist meiner Ansicht nach falsch gestellt. Es scheint mir innerhalb der Menschheit grssere Unterschiede zu geben als vom Menschen zum nchsten Tier. Ich wrde sogar behaupten, der Uebergang vom Schimpansen zum Menschen sei fliessend. Schimpansen, die brigens zu 98 Prozen die gleiche Erbsubstanzen haben wie der Mensch, knnen aus anatomischen Grnden zwar weder lesen noch schreiben, sind aber dennoch ausserordentlich hoch entwickelte Tiere mit wissenschaftlich bewiesenem Selbstbewusstsein. Die technische Ueberlegenheit des Menschen hat ethisch gesehen nicht den geringsten Wert, was folglich eine Wertung auf dieser Ebene ausschliesst. Vergliche man aber den seelischen Wert einer Schimpansenmutter mit dem eines Schwerverbrechers, so wrde die Schimpansenmutter besser abschneiden als der Schwerverbrecher. Ich vergleiche ein Tier immer mit einem Kleinkind. Wo ist der Mehrwert eines Erwachsenen gegenber einem Kleinkind, das nicht schreiben und rechnen kann? Das Kleinkind kann genausowenig lesen wie ein Hund. Intellektuell ist der Hund dem Kind also nicht unterlegen, und seelisch scheinen sie mir auf der gleichen Ebene zu sein. Ob ich also einen Hund, ein Schwein oder ein Kleinkind qule, ist ethisch kein entscheidender Unterschied. Hhere Sugetiere empfinden Angst, Trauer und Schmerz genau gleich wie wir. Folglich habe wir kein Recht, diesen Wesen Schmerz zuzufgen.

Was wre Ihre utopische Weltvorstellung?
(spontan) Dass es keine mehr gibt. (nach kurzem Nachdenken) Diese Frage kann ich nicht beantworten, da ich wirklich langsam eingesehen habe, dass sich das Paradies auf Erden nicht verwirklichen lsst. Dies ist den Weltgesetzen grundstzlich entgegengesetzt, denn die Natur ist halt einfach etwas Brutales. Daher werden wir den ewigen Frieden und das Paradies nach meiner Ueberzeugung hchstens irgendwo im Jenseits finden.

Das Recht der Tiere ist von allen hheren Vlkern und Menschen seit je anerkannt worden. Ihnen erwchst der Schutz des Tieres als sittliche Pflicht. Gerade die starken, die schaffenden Geister haben sich immer dazu bekannt, Menschen von klugem Rat und mutiger Tat, von warmem Gemt: die Voll- und Edelmenschen.
Paul Frster


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