7. Juli 2007, mit Nachträgen bis 2008                                                                          web-code: 100-115

Die neue Inquisition:
Gefängnis für den Sterbehelfer Dr Peter Baumann

Einerseits Staatsterror gegen legale Sterbehilfe - andererseits staatlich unterstützte Massenermordung Lebenswilliger

von Erwin Kessler, Präsident VgT

Dem Psychiater und Sterbehelfer Dr Peter Baumann (www.suizidhilfe.ch) ist seine Mitmenschlichkeit zum Verhängnis geworden. Ein von christlicher Intoleranz und Heuchelei geprägtes Inquisitionsgericht hat ihn als Verbrecher stigmatisiert und geächtet.

Als Psychiater hat Peter Baumann erkannt, wie wenig die Psychiatrie - ausser mit Drogen (Psychopharmaka) - chronisch Depressiven helfen kann. Als Mensch respektiert Peter Baumann das Selbsbestimmungsrecht jedes Menschen.

Reporter des Schweizer Fernsehens haben Peter Baumann mit der Kamera begleitet, mit Einwilligung der invaliden Frau Heidi T, die ihn um Sterbehilfe gebeten hat. Heidi T war eine hübsche, lebensfrohe Frau - bis zu ihrem schweren Unfall, der sie für den Rest ihres Lebens gelähmt an den Rollstuhl fesselte. Nach langen Jahren des endlosen Leidens war Heidi T fest entschlossen, ihr Leben zu beenden. Niemand, der diese eindrückliche Fernsehreportage gesehen hat, kann im Ernst den klaren Todeswunsch dieser Frau anzweifeln, ebenso wenig ihr klares Bewusstsein, ihre Zurechnungsfähigkeit und ihre Dankbarkeit gegenüber ihrem Sterbehelfer, der ihr behilflich war, ihren lang gehegten Wunsch zu erfüllen, was nur mit fremder Hilfe möglich war.

Intolerante christliche Kreise haben Jahrhunde lang Andersdenkende mit unfassbarer Unmenschlichkeit und Grausamkeit verfolgt (Inquisition, Folter, Scheiterhaufen, Kreuzzüge). Wie die Verurteilung von Peter Baumann zeigt, sind diese Geister immer noch da. Dass sie heute weniger Unheil anrichten können, ist nicht ihrer geistigen Entwicklung zu verdanken - eine solche gibt es offensichtlich nicht -, sondern dem Umstand, dass die Macht der Kirche glücklicherweise abgenommen hat.

Niemand hat etwas dagegen, wenn fanatische Christen möglichst lange in ihrem unheilbar kranken Körper dahinvegetieren wollen, weil sie glauben, Gott wolle das so (Ist Gott ein Saddist?). Diesen Glauben aber anderen Menschen gegen deren Willen aufzwingen zu wollen, ist eine ungeheuerliche Arroganz, der gleiche missionarische Un-Geist, der schon soviel entsetzliches Unrecht und Leiden über diese Welt brachte.

In der Stadt Basel, wo dieses unsägliche Urteil gegen Peter Baumann gesprochen wurde, werden täglich hunderte von jungen, gesunden, lebensfrohen Rindern und Schweinen am Fliessband hingemetzelt - zum einzigen Zweck, dass sich die Masse der egoistisch-rücksichtslosen Menschen daran krank fressen können - unter ihnen auch die christlichen Fanatiker, die eine ach so riesengrosse Achtung vor dem Leben haben. Die von ihnen gepriesene absolute Unantastbarkeit des von Gott geschenkten Lebens kehrt sich genau an der Spezies-Grenze ins Gegenteil: Mitgeschöpfe, welche nicht zur menschlichen Rasse gehören, dürfen beliebig und masslos abgeschlachtet werden - bloss eines ungesunden kulinarischen Gaumenkitzels wegen.

In der Schweiz ist Beihilfe zum Suizid grundsätzlich nicht strafbar - ein gewaltiger Dorn im Auge der christlichen Heuchler, die sich die Inquisition zurückwünschen zur Disziplinierung aller Suizid-willigen und deren Helfer.

Beihilfe zum Suizid ist nur strafbar, wenn sie aus eigennützigen Motiven erfolgt oder wenn der Suizid-willige nicht urteilsfähig ist. Diese an sich vernünftige Einschränkung missbrauchen die Inquisitoren dazu, die Straflosigkeit der Suizid-Hilfe insgesamt auszuhebeln. Dazu wird jeder, der nicht körperlich todkrank ist, aber aus anderen Gründen Suizid begehen will, genau aus diesem Grund als unzurechnungsfähig definiert.

Im Fall Peter Baumann wurde zur Sicherheit noch ein zweiter Trick erfunden: Peter Baumann habe Publizität gesucht und darum eigennützig gehandelt, indem er seine Arbeit habe vom Fernsehen filmen lassen - mit ausdrücklicher Zustimmung der Sterbewilligen, wohlgemerkt. Die Basler Staatsanwaltschaft ist sogar soweit gegangen, die angebliche Eigennützigkeit Baumanns darin zu sehen, dass dieser in einem Interview erklärt hat, es gebe ihm Befriedigung, solchen Menschen helfen zu können. Damit wird der Begriff Eigennutz ad absurdum geführt. Der Zweck heiligt die Mittel. Das war schon immer der Leitsatz der Inquisitoren.

Da die "peinliche Befragung" (Folter), das Hauptinstrument der Inquisition, abgeschafft ist, konnte die neue Basler Inquisition den "Beweis" nicht beibringen, dass Peter Baumann im Bund mit Hexen und dem Satan stehe und gestanden habe, jeweils in der Vollmondnacht durch die Luft zu fliegen, um an deren Zeremonien teilzunehmen. Es besteht deshalb noch die Hoffnung, dass ein oberes Gericht diesen Inquisitionsprozess wieder auf den Boden des freiheitlichen Rechtsstaates herunterholt und dieses fatale erstinstanzliche Urteil aufhebt.

Wo das Gesetz nicht reicht: Staatsterror und Einschüchterung mit Gestapo-Methoden:

Am 18. Februar 2003 ist der mutige Pionier, Dr Peter Baumann, Präsident des Vereins Suizidhilfe, der nichts Rechtswidriges getan hat, verhaftet worden. Drei Monate lang wurde er unter fadenscheinigem Vorwand in Basel in Untersuchungshaft gehalten. Im Mai wurde er ohne Vorankündigung plötzlich freigelassen. Als der Überraschte mit seinen sieben Sachen vor der Gefängnistür stand, wurde ihm noch der Ratschlag mitgegeben, er solle sofort verschwinden, sonst werde er wieder hereingenommen wegen Erregung öffentlichen Ärgernis. Sichtlich bewegt und erschüttert berichtete Peter Baumann an der darauf folgenden Mitgliederversammlung: "Untersuchungshaft war es erst in dritter Linie. In erster Linie war es Entwürdigung, in zweiter Linie Demütigung." Peter Baumann musste vor seiner Entlassung noch versprechen, dass er bis zum Abschluss des Verfahrens keine Sterbehilfe mehr leistet. Ungeheuerlich! Beihilfe zu Selbstmord ist nach schweizerischem Recht ganz klar erlaubt. Und da kommt ein Basler Staatsanwalt und erzwingt von einem unrechtmässig Verhafteten als Vorbedingung seiner Entlassung das Versprechen, er müsse auf Handlungen verzichten, die nach Gesetz erlaubt sind.

Das sind die schweizerischen Gestapo-Methoden gegen politisch Unbequeme, den Nazis genau abgeschaut: Überraschende Verhaftung aus politischen Gründen. Terrorhaft von ungewisser Dauer. Und schliesslich Entlassunge des Eingeschüchterten mit Drohungen. 

Dieser Unrechtsstaat schreckt vor nichts zurück. Wenn gewisse mächtige Kreise im Hintergrund die Fäden ziehen, wird die Justiz zum willigen Mittel der Politik. Gestapo-Methoden, wie sie auch gegen mich und den VgT angewendet werden (siehe die lange Liste der Justiz- und Verwaltungswillkür unter www.vgt.ch/justizwillkuer). Bei den schlimmsten Tierquälern und den korrupten Beamten gibt es nie Verhaftungen! Auch die für die Verhaftung Peter Baumanns verantwortlichen Gestapo-Beamten beziehen vom Staat weiterhin ihr nicht gerade kleines Gehalt und sind weiter in Amt und staatlicher Würde.

Während gesunde, lebensfreudige Tiere massenhaft mit staatlicher Unterstützung getötet werden, dürfen lebensmüde Menschen nicht erlöst werden. Töten auf Verlangen aus Mitleid wird in dieser scheinheilig-anthropozentrischen Gesellschaft kriminalisiert. Der Berner Strafrechtsprofessor Karl-Ludwig Kunz schreibt kritisch dazu:  "Das Verbot der aktiven Sterbehilfe trotz Erlösungswunsch eines in der Sterbephase befindlichen schwer leidenden Menschen stützt sich auf die angebliche Uneinschränkbarkeit des Fremdtötungsverbotes... Dieses Verbot bezieht seine Legitimität aus der Unerträglichkeit einer Fremdbestimmung über das Sterbenmüssen, wie sie der Euthanasiepraxis der Natonalsozialisten und ihrem Verständnis eines 'lebensunwerten' Lebens zugrunde lag. Ob hingegen aus dem Fremdtötungsverbot eine Fremdbestimmung über das Lebenmüssen des nicht anders von seinem Leiden erlösbaren Sterbewilligen folgt, dürfte schwerlich begründbar sein, würde damit doch die nationalsozialistische Fremdbestimmung über das Sterbenmüssen durch die Fremdbestimmung über Lebenmüssen ersetzt."  (Sterbehilfe: Der rechtliche Rahmen und seine begrenzte Dehnbarkeit, in: Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte, Festschrift für Stefan Trechsel, 2002)

Mit anderen Worten: Die Netten, Sozialen, Gottesfürchtigen können mit ihrem Wahn, andere Menschen zu ihrem Glück und Seelenheil, dh zum hoffnungslosen Leiden,  zwingen zu müssen, so grausam sein, wie die Nazis, obwohl sie denken, das Gegenteil solcher Unmenschen zu sein. Les extrêmes se touchent.


Auszüge aus Berichten von Peter Baumann

Mai 2003

Liebe Freunde

Die schwarze Spinne mit den haarigen Beinen hat mich nicht mehr! Nach der Entlassung aus 3-monatiger Haft möchte ich Euch darüber berichten. Es war v.a. eine Entwürdigungs-, Demütigungs-, Einschüchterungs-, eine Willkür-Vorstrafhaft  ohne Urteil, auf blossen Verdacht hin, eine Deprivationshaft, und sie soll auch Untersuchungszwecken gedient haben (U-haft). Ein Mensch, der nicht gefestigt, in familiäre und berufliche Verantwortung und Liebe eingebunden ist, müsste wohl seine in unendlichen Kränkungsnächten produzierten Rachebedürfnisse auf fürchterliche Weise umsetzen, wenn nicht in Pathologie, Verwahrlosung, Suizidalität o.ä. So aber werde ich wie vorher, nur mit stark vermehrtem Einsatz, an der öffentlichen Bewusstseinsbildung arbeiten.

Meine Frau rief dreimal dem Staatsanwalt an. Dabei habe er anscheinend gemerkt, dass ich die 4 Jahrzehnte wirklich als Arzt gearbeitet habe, dass meine Praxis nicht nur Deckmantel für Anderes gewesen sei! Beiden, Staatsanwalt wie Kommissär ist von vornherein klar, dass ihr Tatverdacht Beweis ist , kein Anschein von Unschuldsvermutung, und dass ich Entlastungsbeweise (Indizien interessieren nicht) selber zu stellen habe. Und wie aktiv die Wahrnehmung solcher sehr handfester Beweise verhindert wird, werde ich an einem Beispiel darstellen. Der Staatsanwalt unterrichtete meine Frau, dass er gemäss Strafprozessordnung verpflichtet sei, entlastenden Indizien ebenso sorgfältig nachzugehen, und war der Ueberzeugung, er komme dieser Pflicht nach. Wie klotzig er dagegen verstiess, wird Sache einer Beschwerde meines Anwalts sein. Die Art seines Danebenverstehens kann ich nur als Produkt methodisch hochgeschulter Verstehens-Unwilligkeit zu lesen versuchen. 

Staat sparte 40 Rappen: Am 16. Hafttag las ich von Heidi, meiner Frau, sie habe noch keine Post von mir. Da legte ich mich fast um. Wie das kam? Am 1. Tag konnte ich nicht schreiben, ich sass 5 Std. in der Wartezelle. (N.B.: ohne zu wissen, warum!) Am 2. + 3.  Tag schrieb ich etwas davon – ohne zu wissen, dass alles schon in den Zeitungen stand, Von wem wohl hineingegeben? Ausser mir, der Basler und der Zürcher Polizei wusste ja niemand davon. Da man aber nicht über das Verfahren schreiben darf, wurden diese Briefe zu den Akten gelegt. Das wurde mir am 7. Tag mitgeteilt, ohne Angabe,  w a s  ich denn Unerlaubtes geschrieben hätte. So waren die vom 4. + 5. Tag meine „ersten zwei“ Briefe. Da ich auf diese ein Recht habe, frankiert sie mir der Staat. Da er – nach den nötigen Zensur-Verzögerungs-Tagen  natürlich – B-Post frankierte, kam der erste am 12. Tag an. Dabei hatte ich mitgebrachtes Geld auf meinem Gefängniskonto, und sauber A vermerkt, was sauber durchgestrichen wurde. Heidis Notbrief – was ist auch mit Dir, warum schreibst Du nie?! – war soeben abgegangen, und erreichte mich eben (Zensur – Verzögerung!) am 16. Tag.  – Das schreibe ich Euch als ein Beispiel der Mätzchen, die im System eingebaut sind. Den Satz, ich solle doch froh sein, dass der Staat spare, es seien schliesslich auch meine Steuern, hörte ich dann zweimal. Der eine Sohn erfuhr die Verhaftung zufällig aus dem Internet, der andere aus der Presse; meine Frau erhielt am Tag nach der Verhaftung ein Telefon aus Basel mit dem Hinweis, wo ich mich befinde. 

Damit die 2 Suizidbegleitungen überhaupt strafbar wären, müssten mir selbstsüchtige Motive nachgewiesen werden. Materielle: die Beträge, die ich mir habe zahlen lassen, reichen nicht aus. Dann eben immaterielle: dass ich publizitätssüchtig sei, oder dass ich verdeckte sadistische Bedürfnisse befriedigte. Dass ich Menschen elend leidend sterben sehen will. Also psychiatrische Begutachtung. Sie soll die Fortsetzungsgefahr beurteilen und, für den Fall, dass mir strafmildernde Umstände zugesprochen würden, ob Massnahmen angezeigt seien. Der Kundige wittert Verwahrung, die kann lebenslang dauern. Verflucht!! Dass Du mich auf  d e m  Fuss erwischen wolltest, auf die Idee bin ich noch nicht gekommen. Damit hast Du mich weitere 8 Wochen drin, denn weniger dauert sowas nicht. Und das in Basel, der Klinik, die extrem Suizidhilfe-feindlich ist. Geschlossene Psychi, aufbewahrt werden, bis ich mich pathologisch genug aufgeführt habe? Jeder Psychiater kann jedem Exploranden genug Pathologie nachweisen, wenn er will, und „Gesundheit“ ist schwer feststellbar.

Aeusserst schwer erträglich war mir folgendes: Ich bekam sehr viele wunderbar bestärkende Briefe und dachte dabei, wenn „die“ das lesen, müssen sie doch merken, dass ich so eine üble Ausgeburt nicht sein kann. „Sie“ fanden aber einen Weg, das nicht an sich herankommen zu lassen. Sie beschieden mir kurz, „Fanpost“, = alles, was nicht Baumann als Absender trägt, werde fortan ungeöffnet zu meinen Effekten gelegt und mir bei Entlassung ausgehändigt. Eine unglaubliche Beleidigung von Euch Schreibern. Geöffnet war es dann zwar teilweise doch... Und ich solle mich auch „wesentlich einschränken“ mit Schreiben. – Wieviel das sei? – Da lege man sich nicht fest, bei Fremdsprachigen, mit Dolmetscher, seien es 2 Briefe pro Woche, aber bei mir nehme man es nicht so genau. – Das sei aber ziemlich willkürträchtig, ich hätte lieber eine bestimmte Beschränkung. Da wurde er ganz böse. Er lasse sich von mir nicht über den Tisch ziehen, fauchte er. (Oho, der hat Angst vor mir! Gefährlich!)

Demütigung ohne Ende. Jede Einvernahme macht dir dauernd das Gefühl, du seist ein Fötzel, Trottel, Lügner. Wenn ich wörtlich diktierte, wartete er gelassen mit schreiben, bis ich mich verhaspelt hatte, und fragte dann „wie hat jetzt der Satz angefangen?“ Die Orthographie korrigierte ich ihm schliesslich, darauf konnte er es wesentlich besser, aber die Stilverzerrung blieb. Ich gab zu Protokoll, es sei willkürlich verzerrend abgefasst, da drohte er, er schreibe nur noch nach Diktat. Ich nahm ihn beim Wort – aber da konnte er plötzlich jeden Diktierfehler genau mitschreiben..

In der ganzen Zeit musste ich, um nicht kaputt zu gehen, meine Trotzkraft pflegen und das Nachgeben, Eiche und Schilfhalm. Jeden Tag machte ich die Wu Chi – Uebungen. Seit 13 Jahren denke ich, ich müsste sie regelmässiger, am besten täglich, machen; doch fand ich kaum die Disziplin für mehr als ein Mal pro Woche. Es ist ein Programm von etwa 5 / 4 Std., ideal aufgebaut, dehnt, kräftigt, zentriert, durchwärmt, fördert den Lebensfluss, pflegt die Atmung, erlaubt das Weiter-kreisen-Lassen der Gedanken, und lässt sie weniger wichtig werden. „Nei, so ring leget er mi nid um“, dachte ich bei jedem neuen Mätzchen, jeder fiesen Unterstellung, lernte, zu mir Sorge zu tragen, und die Zeit verrinnen zu lassen. Ist mir doch schnorz, noch ein paar Wochen mehr, oder Monate, und wenn’s Jahre werden. Lese hier, was ich will – die Bibliothek ist sehr gut, die Benutzungsvorschriften natürlich ein klein wenig schikanös gehandhabt. Wenn ich in die Auflehnung ging, bekam ich Nächte voller unerträglicher Hals-Kopf-Schmerzen, als ob mich ein Dämon mit scharfen Klauen demütigend niederdrückend am Nacken packte. Es lupft dir abends um elf schier den Schädel, du drückst nach langem den Alarmknopf und bittest um eine Tablette. „Ist leider unmöglich, das hätten Sie vor der 21 h – Medi-Tour sagen müssen, dann hätten wir Ihnen ein Zäpfchen geben können. Jetzt ist halt das Haus schon abgestellt, niemand mehr da.“ Hätte ich Zirkus gemacht, wären bald zwei dagewesen, mich in den Bunker zu tun, in die Isolierzelle. – Und wenn ich dem Staatsanwalt etwas schriftlich klar machen wollte und auf den fantastischen Grad von Danebenverstehen stiess, merkte ich bald: da wirst verrückt, paranoid, drehst durch, das musst dem Anwalt überlassen. 

Die krank machende Kost (maximal Darmfäulnis-fördernd) kam dazu. Geschmacklich gut, jedes Essen für sich recht, des undifferenzierten Schweizers Normalkost im Exzess: Meist 2 x / Tag Fleisch und viel Weisses. Extrem ballaststoffarm, sehr wenig Salat und Früchte, wenig Gemüse. Das aber ohne Normalschweizers Magenmittel Alkohol, Abführtabletten, Kopfwehtabletten.... Als ich einmal die Abend-Cervelat weniger achtsam ass – ich hatte einen schönen Brief bekommen und las zum Essen – stank ich über Tage und v.a. Nächte derart infernalisch, dass ich kaum zu atmen wagte; dazu fürchterliches Kopfweh über rheumatische Mechanismen, und das Gefühl, wie der Krebs im Bauch sich zurechtmacht, die Leber kaputt geht..... Mit der Zeit lernte ich, Obst, Knäckebrot, Nüsse, Dörrfrüchte, Salat, Joghurt dazuzukaufen – dienstags liefert ein Lädeli, wenn man Geld hat – und alles Weissmehlzeug und das Abendfleisch zurückzuweisen oder in den Müll zu schmeissen. Das ist sehr schwer zu lernen!

Noch zur einschneidenden Deprivation: Kalter Entzug und Alkoholfreiheit sowieso, und für die, die kein Geld haben, auch Nikotin. Das allein bricht natürlich jeden Widerstand – aber zum Glück war ich nicht süchtig. Motorik auch – das Wu Chi ist die allereinzigste mir bekannte Form von Körperarbeit, die in der Zelle möglich ist. Sie passte fast zentimetergenau! Dass man nicht, nie und unter keinen Umständen telefonieren kann, mag ja nötig sein. Dass man die Ein- und Ausgangszensur gleichentags erledigen könnte, wäre offenbar unmöglich zu organisieren. So braucht ein Brief hin und her allerwenigstens eine volle Woche. Dass der erste Besuch meiner Frau – 1 Stunde, mit Trennscheibe, nach Schleuse für sie analog Flughafen und mit Mitseher und -hörer – erst nach 5 Wochen möglich war, wurde mit „Kollusionsgefahr“ begründet. Inwiefern wurde die nach 5 Wochen wohl geringer? Intellektuell: dass man am Freitag hätte Bücher bestellen können, erfahre ich am Freitag abends. U.s.w. 

Anderseits bin ich, per Fehlleistungen, manchmal wunderbar mit dem Unbewussten von  Beamten verbunden gewesen. Der beim Filzen sieht im Mantelsack das Buch „Final Exit“, die neuste Suizidanleitung, zuckt kurz – und lässt es mir. Und der nächste sagt „sogar das hat man Ihnen gelassen, und den Gürtel auch!“ Wie gründlich habe ich das dann gelesen und in langen Nächten weiter entwickelt.

Das Positive dieser Zeit wiegt wohl auf Dauer für mich schwerer. Der brutale, ungerechtfertigte Einbruch in unser Leben liess mich meine Nächsten auf ganz neue, unendlich kostbare Weise erleben. Das Nicht-ausweichen-Können presste eigene neue Erlebnisweisen aus mir heraus, zu denen ich sonst kaum je gekommen wäre – „was dich fast tötet, macht dich stark“ ist ein zynischer, einerseits wahrer Spruch. Die erzwungene abstinente Zeit will ich neu integrieren. Das Traumleben, das vorher sehr lange darbte, ist in Bewegung gekommen – in der Haft einige sehr schöne Erlebnisse, wichtige; seit der Entlassung eine noch ungekannte Art von Horror, dem ich mich wiederum sehr widmen muss. Eiche und Schilfhalm und trostbedürftiges Menschenkind. Mich wieder einmal, und radikaler als je zuvor, mit dem Paranoiden um mich herum und in mir auseinandersetzen müssen. Vielleicht war es das nötige Schwellenerlebnis, die nötige Initiation ins Alter?

Ein wichtiger Aspekt der Haft war auch der Kontakt mit Mitgefangenen – nach einiger Zeit belastete er mich zu stark, sodass ich ihn vermeiden musste. V.a. Asylbewerber, die nicht von derart vielfältiger Liebe gestützt werden wie ich, nie Besuch bekommen, mit niemandem normal reden können, und wegen Kleindelikten oft unmässige Konsequenzen tragen müssen. 

Wie es weiter geht? Schreiben, Wissen verbreiten, die in Tatkraft verwandelte Wut nützlich umsetzen. Schreiben über die moralische Erlaubtheit von Suizid, und über die Suizidtechniken, bei denen man nicht invalidisiert überleben kann. Und dazu lernen, mein Alter beschaulich zu gestalten. Und hoffen, dass man nicht jedesmal, wenn’s grad passt und einer sich umgebracht hat, mich für einige Zeit versorgt wegen dringendem Tatverdacht.

Oft wurde mir in sehr bewegenden und bewegten Briefen geschrieben, wie fest an meine Integrität geglaubt wird,  auch von Menschen, von denen ich es nicht erwartet hätte. Und oft wurde ich gefragt, wie man mir die Solidarität zeigen, mich unterstützen könne. Das hat der Schreiber ja mit seinem Brief schon getan. Die nächste Form ist der Beitritt zum Verein SuizidHilfe, an meine Adresse oder per Mail (info@suizidhilfe.ch). Und die dritte ist Geld in jeder Menge. Die Vereinsgründung hat mich 50 000 Franken gekostet, die Anwaltskosten bisher 20 000, und sie laufen weiter. Kommt es nicht zu einem glatten Freispruch – wir nehmen das zwar fest an, aber ich habe doch schon einige blaue Wunder erlebt – dann werden Untersuchungs- und Gerichtskosten dazukommen, die mein dafür gedachtes Budget gewaltig überschreiten. – Uebrigens: ich habe EXIT schon im letzten Jahr beantragt, das zu übernehmen, weil es ja von meinen Aktivitäten laufend stark profitiert. Das wurde aber abgelehnt. Der Vorstand von Exit ist lieber bei den Behörden lieb Kind im Windschatten des kleinen bösen Bruders und malt sich aus, durch die weitere Liberalisierung, die unsere Oeffentlichkeitsarbeit bringt, über Gesetzesänderungen freien Zugang zum tödlichen Barbiturat zu bekommen. Zweifellos ein frommer Wunsch.

Noch ein Geschichtchen zum Schluss. Prof. M. Schär hatte in ähnlicher Sache Strafverfahren laufen, deretwegen ihm einstweilen die Praxisbewilligung entzogen wurde. Kürzlich, im Februar 2003, bekam er die vom 7.12.2000 datierten Einstellungsverfügungen! Für die fälligen Schadenersatzforderungen sei er aber wohl zu alt und zu müde... Auch von einem anderen Sterbehelfer hörte ich, er habe seine Einstellungsverfügungen unglaublich verzögert bekommen, einmal auch gar nicht, die habe er aus der Presse. Emmerdement wirkt fast so gut wie Strafe.

Jetzt geht’s mir im ganzen gut, gute Arbeitskraft und –lust, ordentlich speditives Erledigen. Noch etwas fragil: wenn etwas harzt, schlafe ich schlechter, an der Grenze des Erträglichen. Nach jedem Telefon von jemandem, der Beratung sucht, mässige Angst: soll ich dann an dem auch wieder Schuld sein? – Was mich doch sehr freut: bisher habe ich eine einzige Dreckschleuder-Aktion erleben müssen. Aber viel mehr von dem hätte nicht Platz! (Habe sie abwehren können.) 

Herzlichen Gruss!
Peter Baumann

Juni 2003
Mein Engagement in der Suizidhilfe

Die Schweiz stellt die Beihilfe zum Suizid nicht unter Strafe, ausser wenn sie aus selbstsüchtigen Motiven geschieht. Das ist die Grundlage für das segensreiche Wirken von Exit, dessen hauptsächliche Postulate heute zu einem grossen Teil akzeptiert sind: Patientenverfügungen gelten heute im Krankenhaus als Hilfe zur Ermittlung des „mutmasslichen Willens“, wenn ein Mensch  am  Ende seines Lebens nicht mehr imstande ist, diesen zu äussern; und ein terminal Kranker erhält, wenn er das will, eine letale Dosis eines Barbiturats.

In einem anderen grossen Teil musste Exit aber von seiner statutarischen Selbstverpflichtung abweichen. Steht ein Mensch nicht unmittelbar vor seinem unabwendbaren Tod, leidet aber sonstwie unheilbar unerträglich, so ist ihm die Hilfe mit dem tödlichen Schlafmittel verwehrt. Und dass Nichtkranke ihr Leben beenden möchten,  gibt es ohnehin nicht, da solche depressiv genannt werden, also durch einfache Definition zu „psychisch Kranken“ gemacht werden. Immerhin hat der Vorstand von Exit die Mitglieder zu der Problematik befragt, und eine erdrückende Mehrheit der Antwortenden befürwortete eine liberalere Haltung. 

Für diese depressiven – und dann gleich auch für alle anderen – „psychisch Kranken“ wird sodann eine Behandlungspflicht eingeführt und, falls sie dieser nicht freiwillig nachkommen, ein Behandlungszwang.  Suizidal-Sein gilt als zwingende Indikation für eine Behandlung mit Antidepressiva in angemessener Weise, also bei Nichtansprechen  Erhöhung der Dosen, dann Wechsel zu einem anderen Präparat, und das endlos. Verweigerung der Therapie gilt als selbstgefährdendes Verhalten, und damit kann jeder Arzt ohne weiters einen FFE, einen Fürsorgerischen Freiheitsentzug anordnen, eine Zwangseinweisung auf eine geschlossene Abteilung einer psychiatrischen Klinik, wo wiederum das Recht auf Zwangsmedikation besteht: Wart, dir will ich helfen.

Zugegeben, diese autoritäre Art von Freiheitsberaubung ist selten so ungeschminkt anzutreffen. Es ist aber eine paternalistisch-„fürsorgliche“ Grundeinstellung, die unsere Gesellschaft durchwirkt und verheerende Folgen hat. Sie ist der moderne Nachfahr des althergebrachten „Dein Leben ist dir geschenkt, und einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.“ Sie bewirkt, dass Leben nicht freiwillig ist, sondern Zwang, dem man sich „freiwillig“ und dankbar zu fügen hat. Ein Geschenk, das man keinesfalls und zu keiner Zeit zurückweisen, zurückgeben darf.  

Diese Grundeinstellung ist wohl die Grundlage jedes autoritären Zwingens, jedes Beherrschens und Beherrschtwerdens,  und damit steht für den Papst der Teufel, für den Kaiser die Insubordination zur Debatte. Wer über sein Leben und seinen Tod angstfrei verfügen kann, kann nicht mehr durch Angst regiert werden.  

Als Exit einer nicht körperlich kranken Frau zum erwünschten Suizid helfen wollte, wandte sich ein Verwandter an den Kantonsarzt, und dieser verfügte einen FFE – der „Basler Fall“ erregte höchstes Medieninteresse. Exit auferlegte sich ein „Moratorium für Psychischkranke“, das eigentlich den Bruch mit seinem Grundziel bedeutete, Menschen mit unerträglichen Beschwerden auf Wunsch zu einem menschenwürdigen Suizid zu verhelfen. Um das Problem zu bearbeiten, wurde eine Ethikkommission gegründet, zu der ich eingeladen wurde. Dort wurde mir sofort klar, dass drei Grundannahmen, die sich gesellschaftlich wenig reflektiert eingenistet haben, bewusst gemacht und damit aufgebrochen werden müssen – die oben beschriebenen:
   - wer suizidal ist, ist depressiv, psychisch krank
   - psychisch Kranke sind urteilsunfähig, und damit
   - psychisch Kranke haben das Recht auf einen anständigen Suizid verwirkt.

Klar wurde auch, dass ich damit Monopole nicht nur von Exit, sondern auch der Aerzteschaft und Justiz infrage stellen würde, nämlich ein  Verfügungsrecht über suizidale Menschen, über die Freiwilligkeit des Lebens schlechthin. Dass ich damit die Furcht vor der Freiheit ansprechen würde, die so dicht abgedeckelt ist. Und dass all das auch gewaltige Geldinteressen aufscheucht: eine Anwältin, deren Beistand ich suchte, sagte mir zu Beginn der ersten Besprechung, nachdem sie zwei meiner ersten Artikel gelesen hatte: „Ihre Philosophie gefällt mir nicht. Denn wenn sie gelten würde, hätte ich morgen die Hälfte meiner Klientel nicht mehr.“  - Und für die Berufe des Gesundheitswesens ist ein unheilbar Kranker oder Beschädigter eine verlässliche Verdienstquelle. 

Man kann es auch ökologisch ausdrücken: unsere Biosphäre erträgt die Masse an unfreiwilligem Leben, das seinen Sinnmangel mit unendlicher Gier nach Ersatzgütern zu kaschieren sucht, nicht mehr.

Oder psychotherapeutisch: Nur wer freiwillig lebt, wer über die Beendigung seines Lebens furchtlos verfügen kann, kann wirklich die Verantwortung für die Gestaltung seines Lebens übernehmen. Ich bin also der Ueberzeugung, mein Engagement für die Suizidhilfe sei zutiefst lebensbejahend, entstehe aus meiner ärztlichen Erfahrung, sei ethisch fundiert, und ziele zuvorderst auf die Entfaltung der „Gesunden“, der gesunden Seiten des Menschseins. Die psychotherapeutische Grundfrage „willst du wirklich leben?“ muss offen sein, muss auch mit der Möglichkeit rechnen, dass die Antwort nein heisst. Mit dem Jesuswort „eure Rede sei ja, ja, nein, nein, was darüber ist, ist von Uebel“: Ich fühle mich auch im besten Einklang mit wohlverstandener christlicher Einstellung.

Als deutlich wurde, dass Exit die nötigen politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzungen nicht weiter würde anstossen wollen, verdichtete sich mein Entschluss, dafür einen separaten Verein zu gründen, den Verein SuizidHilfe (www.suizidhilfe.ch). Dieser will das Wissen um Suizidmethoden entwickeln, die kein Rezept voraussetzen, sondern Jedem und Jeder zur Verfügung stehen, und die nicht zur Invalidisierung (missglückter Suizidversuch)  führen können. Ausserdem möchte der Verein dem, der das will, eine Bezugsperson vermitteln können, die bei den Lebensabschlussarbeiten und bei der Planung des Suizids hilft, im persönlichen Gespräch die Gründe für den Suizid sowie das Umfeld des Suizidwilligen noch einmal beleuchten hilft, beim Suizid auf Wunsch anwesend ist und die behördlichen Belange regeln hilft. Und schliesslich sind wir der Ansicht, dass diese kostbare Dienstleistung zu normalen Ansätzen honoriert werden darf, ohne dass damit der Tatbestand der Selbstsüchtigkeit erfüllt würde.

Zu der Frage, warum denn gerade ich diese heissen Kartoffeln aus dem Feuer nehmen solle, gehörte auch noch dieses: Nur ein Arzt kann das vorhandene medizinische Wissen über gewolltes und ungewolltes Sterben zuverlässig so übersetzen, dass es für Laien verständlich  wird.  Und wahrscheinlich ist nur ein Psychiater mit der Suizidproblematik genügend vertraut. Und nur ein Schweizer kann über gemachte Erfahrungen mit Beihilfe zum Suizid offen berichten.  Und es muss ein Arzt genau am Ende seiner Praxistätigkeit sein, da die nötigen Auseinandersetzungen mit den Behörden mit einer Praxisführung kaum vereinbar wären.

In der angelsächsischen Welt gibt es solche Vereine längst. Da dort die Beihilfe zum Suizid strafbar ist, müssen sie verdeckt handeln. Der Suizidhelfer geht nach dem Tod, ohne Spuren zu hinterlassen, und organisiert vorher, dass der Gestorbene von der richtigen, informierten Person  zur rechten Zeit „aufgefunden“ wird, und dass entweder ein informierter Arzt einen unauffälligen Totenschein ausstellt, oder dass die Polizei so eingeschaltet wird, dass alles nach einem unbegleiteten Suizid aussieht. Da in der Schweiz ein solches Versteckspiel an sich nicht nötig wäre, wollte ich völlig offen handeln und informierte von vornherein die zuständige Staatsanwaltschaft und den Kantonsarzt. Ich bekam aber den Bescheid, dass mein Vorgehen wohl als Tötungsdelikt angesehen würde. Damit wusste ich, dass wohl kein Weg an einer gerichtlichen Rechtsfindung vorbeiführen würde.

Das Lager derer, die mein Anliegen bekämpfen, agiert bisher hauptsächlich, indem ich gezielt missverstanden, falsch zitiert werde, so dass das Anliegen absurd wirkt. Den initialen Paukenschlag gab der Tages-Anzeiger, indem er titelte Letzter freundschaftlicher Stups in den Suizid  - ohne Fragezeichen. Ich hatte im Vereinsrundbrief eine Frau besprochen, deren  Leiden eine seit langem unveränderte unerträgliche Entschlussunfähigkeit war – im Wesen und der Entstehung nach verständlich, auch ihr selbst, was ihr aber nicht half. Einerseits dachte sie an nichts als an Suizid, wünschte sich nichts anderes, bereitete ihn vor, führte ihn fast aus – und konnte ihn nicht ausführen. Anfänglich war sie mit einer kurzen Periode schweren Verfolgungswahns erkrankt, der mit Medikamenten soweit behandelt war, dass „nur“ noch ein unveränderlicher Residualzustand verblieben war. Alles war fad, grau, langweilig, alles hatte seine emotionale Qualität eingebüsst, Natur, Essen, Liebe, Farben, Zeitverlauf, Beruf, alles. Therapie bewegte nichts, eine lange intensive Auseinandersetzung mit mir bewegte nichts. Ich stellte mir, ihr und im Vereins-Rundbrief „die Frage, ob und wie wir bei einer derartigen, doch auch krankheitsbedingten Entschlussunfähigkeit auch den erwünschten letzten freundschaftlichen moralischen Stups geben dürfen“.

Im Text zitierte der Tages-Anzeiger diese Frage richtig. Kleben blieb aber der Titel, der aus der Frage eine – eben, skandalöse – Routine machte. Und diesen Satz zitiert seither der Journalist, der Moderator, die Reporterin, der Staatsanwalt im Fernsehbeitrag, die Germanistin in der Diskussionsrunde ...

Oder eine andere Form des Ad-absurdum-Führens. Der Klinikpsychiater sagt, er sei der Meinung, der Arzt müsse Hoffnungsträger bleiben. „Baumann ist der Meinung, die Lösung für diese depressiven Menschen ist der Tod.“ Unsinn. Ich bin aber der Meinung, dass diese Menschen nach jahrelangen Verläufen das Recht haben, sich für diese Lösung zu entscheiden und weitere Pharmakotherapie zu verweigern. Und dass sie dann das Recht auf Beistand haben sollen, wenn sie jemanden finden, dem sie diese Entscheidung einfühlbar machen können.

Oder der Familienvater wird erwähnt, der sich einfach so aus der Verantwortung schleichen will. Unsinn. Erstens ist der mir noch nicht begegnet – sollte es ihn geben, wird er seinen Suizid einsam begehen. Zweitens: Welcher bewusste, verantwortliche Mensch würde ihm dabei helfen wollen? Drittens: sollte es überhaupt je zu einem solchen Ansinnen kommen, wäre das offene Gespräch zweifellos die beste, ja die einzig wirksame Suizidprophylaxe. – Doch, eine einzige Mutter von Minderjährigen habe ich gesehen mit diesem Anliegen. Sie war seit mehr als einem halben Jahr in der Klinik wegen ihrer alles überdeckenden (Zwangs)- Suizidgedanken, und die häufigen Urlaube zu hause terrorisierten die Familie mittlerweilen derart, dass der Ehemann zuzustimmen geneigt war im Interesse der Entwicklung der Kinder. Gebt ihr doch die immer wieder geforderte „angemessene Hilfe“, wenn ihr sie habt! (Uebrigens kam es nicht zu einem zweiten Gespräch – mag sein, dass das erste irgendetwas bewirkte: vielleicht wurde die Frau gewahr, dass es nunmehr Ernst galt.) 

Die Erfahrung zeigte mir, dass Menschen, denen eine antidepressive Therapie oder ein gründlicheres Erwägen anderer Auswege aus einer aktuellen Konfliktsituation anzuraten wäre, sich kaum je an Exit oder an den Verein SuizidHilfe wenden. Es sind fast ganz getrennte Menschengruppen. Die einzelnen Ausnahmen nahmen die Einwände bereitwillig auf – Ausnahmen übrigens, die sicher auch jedem lebenserfahrenen Nicht-Fachmann als solche auffallen. Die allermeisten meiner Gesprächspartner schätzten ihre Lebensbilanz und ihre Prognose sehr realistisch ein.

Bisher habe ich ausserhalb von Exit zwei Menschen beim Suizid begleitet: Anfang `01 einen 45-jährigen, wegen einer schweren Zwangsneurose seit Jahren invaliden, körperlich gesunden Mann; und Ende `02 eine 60-jährige Frau, die seit 10 Jahren nach einer Apoplexie links fast völlig gelähmt war, und seither ein für sie sinnloses Leben im Pflegeheim führte. Da sie viele, zwangsläufig untaugliche Suizidversuche begangen hatte, galt sie als depressiv, war auch schon mehrmals  stationär (über FFE) psychiatrisch behandelt worden. Sie sagte mir, sie möchte gern, dass ihre Geschichte und ihr Entschluss öffentlich diskutiert würden, und es entstand ein sehr einfühlsames, aufwühlendes Fernsehporträt über sie bis unmittelbar vor Beginn der Suizid-Handlung, das im vergangenen Januar von der „Rundschau“ SF DRS ausgestrahlt wurde und grösste Beachtung fand.  Und noch ein weiterer Umstand war bei ihr brisant: sie wohnte in einem Heim ausserhalb von Zürich, unterstand also nicht der stadträtlichen Weisung, die ihr den Suizid im Heim ausdrücklich zugesichert hätte. Und obwohl die Pflegenden ihren Sterbewunsch und unsere Vorkehren zum endgültigen Weggehen  ausdrücklich billigten, kam ein Suizid im Heim nicht in Frage, da dieses sich als christlich definiert – kein Sterberaum in der Herberge, eine furchtbare Illustration der christlichen Zwiespälte. Wir mussten die Frau abholen und in die Wohnung ihrer einzigen Freundin in Basel führen. 

In beiden Fällen legte ich alle die Unterlagen bereit, die bei Exit-Suiziden der Polizei erlauben, den Fall als klaren Suizid anzusehen und keinen weiteren Verdacht auf Illegales zu hegen, rief nach Eintritt des Todes die Polizei und wartete am Ort auf sie. Im ersten Fall, wo kein weiterer Zeuge anwesend war, nahm ich den ganzen Vorgang auf Video auf. Die Polizei antwortete aber mit dem ganzen Aufwand, der bei Tötungsdelikten üblich ist, mit extrem feindseligen Einvernahmen, Hausdurchsuchung, Praxisdurchsuchung, Beschlagnahme der ärztlichen Akten und aller administrativen Unterlagen. 

Schon vor der zweiten Begleitung und umsomehr nach derselben war mir klar, dass damit alle Fragen an die Justiz gestellt waren, und dass bis zur abschliessenden Klärung derselben für mich keine weiteren Suizidbegleitungen in Frage kamen. Dies nicht nur aus politisch-legalen Gründen, sondern natürlich auch, weil solche Verfahren persönlich extrem belastend sind. Und ich hatte mit den beiden Fällen alles nötige Wissen erworben - erfahrenes Wissen, über Vorgänge und Verfahren, in der Literatur beschrieben, die aber auf die Schweizer Verhältnisse zu übertragen sind. Es geht dabei  einerseits um die Kombination von Plastikbeutel und Schlafmittel: ein Erstickungstod, wobei die Erstickungsgefühle  durch die Bewusstlosigkeit vermieden werden. Anderseits um das Atmen von reinen reizlosen, an sich ungiftigen Gasen (Helium, Stickstoff, Lachgas). Dabei tritt durch den plötzlichen, unmerklichen totalen Sauerstoffentzug die Bewusstlosigkeit ein, ohne dass ein Anstieg der Kohlensäurekonzentration Erstickungsgefühle bewirkt.

In den Fernsehbeiträgen, die über diesen Suizid gesendet wurden, erwähnte ich die Benützung von Helium nicht, und die Benützung des Schlafmittels nicht eingehend. Dadurch entstand die verständliche allgemeine Meinung, dass diese „Plastiksackmethode“ eine unwürdige Sterbeform wäre. Insbesondere distanzierten sich auch die Verantwortlichen von Exit davon. Ich wollte sie als erste eingehend darüber informieren, wozu es aber wegen der sich überstürzenden Ereignisse nicht mehr kam. Eigenartig, dass kein Diskussionsleiter oder –teilnehmer je konkret wissen wollte, wie das Sterben von Frau Heidi T. wirklich war. 

 

 Neujahrsbrief 05

Verschon uns Gott mit Strafen
Und lass uns ruhig schlafen
Und unsern kranken Nachbar auch

Liebe UnterstützerInnen,
Freundinnen und Freunde,

Lange Zeit ists um mich ruhig gewesen, für manche von Euch verdächtig ruhig. So möchte ich wieder einmal berichten. Zuerst der Verlauf der Strafuntersuchungen. 

Seit der Entlassung aus der Untersuchungshaft im Mai 03 sind weitere entlastende Fakten eingetreten: 

Das gerichtsmedizinische Gutachten über den Luzerner Fall ist eingetroffen. Ein Mann hat die Frau des Verstorbenen angerufen, ihr Mann sei jetzt gestorben, und der Staatsanwalt nimmt an, dieser Mann sei ich gewesen. Das Gutachten hält aber nun fest, dass der Verstorbene frühestens fünf Stunden nach dem Zeitpunkt dieses Anrufs gestorben sein kann. 

Das ausführliche psychiatrische Gutachten über mich ist noch nicht geschrieben; es wird erst nach einer allfälligen Anklage erstellt. Eine „Vorgängige Stellungnahme“ der Gerichtspsychiaterin trug wesentlich zum Entscheid der Haftrichterin bei, mich zu entlassen. Dieses Kurzgutachten bestätigt, dass keine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Die testpsychologische Untersuchung bestätige mein Selbstbild: verlässlich, stabil, lebensbejahend, bewusst handelnd und immer wieder reflektierend (Supervision/Intervision), als offen, „manchmal zu offen und unklug“, konsequent, aber nicht unbelehrbar, lasse sich auch etwas sagen, sei nicht fanatisch. Begeisterungsfähig, setze gern Ideen um. Kein Anhalt für sadistische Neigungen. Um Legalität bemüht. Aufgeschlossen, extravertiert, begeisterungsfähig und experimentierfreudig,.. aber in der Lage, Extrempositionen verlassen zu können. – Damit erledigen sich wohl die Versuche, mich als sadistischen, nekrophilen Triebtäter oder als fanatisch/missionarisch oder geltungssüchtig zu pathologisieren.

Was nach 1 1/2 Jahren noch fehlt, ist ein gerichtsmedizinisches Gutachten zu den Fragen, ob die zwei von mir begleiteten Personen urteilsfähig gewesen seien, und ob die einseitig gelähmte Frau Heidi T. mit nur einer Hand den Saum des Atembeutels habe von der Stirn auf den Hals herunterstreifen können.

Die „NZZ am Sonntag“ zitierte im Febr. 04 in einem Artikel voller grober, absichtlicher Falschdarstellungen die Staatsanwaltschaft, die Untersuchung sei abgeschlossen, und die Anklage sei unmittelbar, noch im Frühling 04, zu erwarten. Beides traf also nicht zu und trifft auch heute nicht zu. Der Entscheid über Anklageerhebung oder  Einstellung des Verfahrens kann aber jetzt hoffentlich bald gefällt werden. Nachher kann  die aktuelle Frage, welche psychisch Kranken urteilsfähig seien, endlich besser beantwortet werden. 

Wie es mir jetzt geht? Lange schien es, dass die Untersuchung noch sehr lange dauern werde, bevor die Entscheidung über Anklage oder Einstellung getroffen wird. Das kann zermürbend wirken und soll es wohl auch. Und ich möchte ja die Einstellung oder den Freispruch, vor allem aber die fällige gerichtliche Bearbeitung der heute offenen Rechtsfragen, bekommen, bevor ich aus dem Verfahren wegsterbe... Die Zwickmühle war, ob ich versuchen sollte, das Verfahren zu beschleunigen, oder ob ich es, das sei prozesstaktisch günstiger, schleifen lassen solle. Wir entschieden uns dann für’s Beschleunigen. Dieweil wird mir immer deutlicher, wie das Angeschuldigtsein ein Grundzustand ist wie etwa ein Zivilstand. Rational ist nichts dran, bin ich unschuldig, emotional wird der Grundstock von Uralt-Schuldgefühlen, von realer Schuld und von Nicht-recht-Sein durch jeden Zwischenfall so heftig verstärkt, dass die Arbeitsfähigkeit für ein paar Tage sehr eingeschränkt ist. So muss ich sehr Sorge tragen zu mir – wenigstens habe ich Erfolg damit, d.h. ich schlafe recht und bin sonst gesund. Zum Glück habe ich die Schuldgeschichten schon früher möglichst gründlich beackert, so wirken sie jetzt nicht verheerend. Eine nächste Bearbeitungstranche ist mir aber  so vom Schicksal zwingend verordnet worden. Gerade denke ich darüber nach,, in welcher Beziehung Demut, Gedemütigtwerden und Depression zueinander stehen, ob Antidepressiva auch gegen Gedemütigtwerden und gegen Ungerechtigkeit einzusetzen sind ...

Schon vor der U-Haft versuchte ich, das ganze Thema als Buch darzustellen. Das hätte ich kaum konsequent genug tun können, jetzt kommt aber die Arbeit langsam stetig voran. Endlich musste ich dafür auch den Compi einigermassen brauchen lernen, wodurch die Gefahr des Neuen Altersanalphabetismus gebannt ist. – Einige schöne Therapien laufen noch weiter, das ist pensionierterweise eine reine Freude. – Schliesslich noch das Schönste, Wichtigste: der äussere Feind hat das Liebesnetz mit meinen Angehörigen, das Aufeinander-Angewiesensein und die Anhänglichkeit, sehr verstärkt.

Zusammengefasst also: es geht mir gut.

Der Verein SuizidHilfe war seit meiner U-Haft nach aussen nicht aktiv. Da ich bei Entlassung versprechen musste, bis zum Abschluss des Verfahrens keine Suizidhilfe zu leisten - was ohnehin auch vorher schon feststand – muss ich seither alle Anfragen (die selten geworden sind) kurz abweisen. Das hat auch sein Gutes, bin ich doch nur dadurch frei zum Schreiben – und das, dünkt mich, ist vorerst auch die zentrale Vereinsaktivität, neben dem Erdauernhelfen des Verfahrens, und dem nötigen weiteren theoretischen Durchdringen des ganzen Felds. 

Zum Ende vom 04 habe ich mich leicht verbrannt an meiner Wärmelampe. Ich hoffe, dass das eine Kurzreinigung gewesen sei und nicht ein Omen auf schwerere Verbrennungen oder selbstschädigende Fehlleistungen, und dass uns in diesem Jahr persönliche schwere Schläge erspart bleiben, dass uns die Erinnyen gnädig seien. Und dass es uns Momente völligen Einsseins mit uns selber bringe, Glück. Dass das Knacken im Gebälk nicht stärker werde.

Mit herzlichem Gruss
Peter Baumann


Am 6. Juli 2007 wurde Peter Baumann vom Basler Strafgericht zu drei Jahren Gefängnis verurteilt (vom Obergericht dann auf vier Jahre erhöht). Die inquisitorische Begründung: Baumann habe aus Publizitätssucht gehandelt, also aus eigennützigen Motiven. Verantwortlich für dieses mafiose Urteil: Gerichtspräsident Lukas Faesch (die weiteren Verantwortlichen werden wir noch zu ermitteln versuchen).

Dazu schrieb VgT-Präsident Erwin Kessler an Peter Baumann:

Hochgeschätzer Peter Baumann,
tief betroffen und aufgewühlt habe ich soeben von ihrer unfassbaren Verurteilung gehört. Eine Mischung aus Mitleid mit Ihnen und einer ungeheuren Wut gegen die Verantwortlichen erfüllt mich.
Es bleibt der Trost: Vor ein paar hunderte Jahren wären Sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.
Bitte senden Sie mir 10 Exemplare Ihres soeben erschienen Buches. Ich hoffe sehr, dass Ihre so wichtige Arbeit einiges bewegen wird.
Seit über 20 Jahren bin ich bei Exit Mitglied auf Lebzeit. Das feige Abseitsstehen in Ihrem Falle ist typisch für den anpasserischens Zustand, in welchen diese Organisation nach der Pensionierung ihrer Pioniere übergegangen ist.
Herzlichste Grüsse
Erwin Kessler


Weitere Berichte von Dr Peter Baumann
Anmerkung von Erwin Kessler: Man wähnt sich beim Lesen zurückversetzt in den Schau-Prozess gegen die Hitler-Attentäter vor dem Nazi-"Volksgerichtshof", dem berüchtigten Freisler-Gericht, benannt nach dem vorsitzenden Richter Freisler

Rundbrief 18.7.07 (hier leicht gekürzt)

Liebe Freunde, Interessenten,

Das Gericht hat in erster Instanz gesprochen, der Pulverdampf hat sich fürs Erste verzogen, ich kann meine Reaktion und die der Öffentlichkeit wahrnehmen. Es wird mir kaum möglich sein, sie einigermassen darzustellen.

Ich bin gesund, schlafe, esse, erlebe nachts keine Überfälle aus dem Unbewussten, und weiss nach der zehntägigen heftigen Gewissensprüfung umso sicherer, dass ich recht getan habe und recht habe.

Zuerst das Strafmass – es wurde von einigen Medien sehr missverständlich referiert, und manche meinen, ich sitze schon. Von den drei Jahren Freiheitsstrafe sind zwei bedingt, bleiben nach Abzug der U-Haft 9 Monate, evtl. als Hausarrest zu verbringen, zuzüglich Kosten von 65000 Franken, und natürlich Wegfall der Entschädigung meiner ebenso hohen Anwaltskosten und der U-Haft.

Ob ich appelliere, muss ich 10 Tage nach Erhalt der Urteilsbegründung entscheiden, die „nach 14 Tagen oder nach 14 Monaten“ kommt. Das Strafmass würde ich wegstecken, um alles vorbei sein zu lassen. Aber die Ehrverletzung, die bürgerrechtliche und menschenrechtliche Katastrophe, die verheerende Auswirkung auf die Allmacht der Medizin und auf ihre Vertrauenswürdigkeit, die faktische Aufhebung der Straffreiheit der Beihilfe zum Suizid, einfach so kurz durch Richterrecht (nachdem sie sich zur Regelung durch Bund wie Kantone als zu schwierig erwiesen hat) – all das verlangt nach Berufung, wenn ich denn die Ausdauer dazu habe.

Vor dem Prozess machte ich mir klar, dass es drei gleich unwahrscheinliche Ausgänge gibt: Schuldspruch, Freispruch und „kleinen Schuldspruch“: ein kleines Strafmass, das mich aber immerhin zum Appellieren zwingen würde, wodurch die heisse Kartoffel an die zuständigen oberen Instanzen weitergereicht würde. Und dass die Begründung eines solchen extrem kränkend sein würde. Genau das ist eingetreten.

Von der Beteiligung am Suizid an Herrn B. A., dem alten Mann im Luzerner Hotelzimmer mit einem Fingerabdruck von mir auf dem Plastiksack, wurde ich freigesprochen. Damit dispensiert sich das Gericht davon, sich von einem Obergutachter sagen lassen zu müssen, dass dieser Fingerabdruck nicht notwendigerweise von mir sei. Aber auch in diesem Fall: mit extremem Misstrauen wurde jeder Teil meiner Alibikette zerzaust, und der Staatsanwalt musste sich vom Gericht in keiner Weise anhören, er hätte etwa wichtige Untersuchungspflichten versäumt, indem er Entlastendes einfach nicht zur Kenntnis nahm geschweige denn selber suchte, und sein Anklagegebäude entbehre jeder Plausibilität.

Dass Herr A. U. urteilsunfähig gewesen sei, wird von einem Gutachten des IRM Basel, Dittmann/Wyler, behauptet. Von einem Gegengutachten von PD Dr. Mario Gmür, einem ebenso renommierten Psychiater und zugelassenen Gerichtsgutachter, berichtete ich Ihnen bisher nicht, da wir es erst zuletzt einbringen wollten. Es legt mit messerscharfer Begründung dar, weshalb Herr U. nachweislich nicht nur nicht nachweislich urteilsunfähig, sondern darüber hinaus klar nachweislich urteilsfähig war; und dass er nachweislich gerade nicht, geschweige denn schwer, depressiv war. Ferner weist es dem IRM-Gutachten Merkmale flüchtiger (mündlich würde man eher sagen: liederlicher) Machart und oberflächlicher Bewältigung des Auftrags nach, und findet die Schlussfolgerungen bezüglich der Beurteilung der Urteilsfähigkeit nicht nachvollziehbar. Das wurde vom Gerichtspräsidenten (!) ohne weitere Begründung mit der Bemerkung abgetan, der Begriff Depression sei heute weiter gefasst. Woher er wohl das verbindlich weiss? Unglaubliches neues Recht.

Dass Herr U. (gemäss Video) auf die Schwierigkeiten bei den ersten Suizidversuchen mit wacher und sachlich-pragmatischer Kooperation und mit immer adäquatem Affekt reagierte, zeigt für PD Gmür seine soziale Kompetenz, für den Gerichtspräsidenten seine absolute willenlose Abhängigkeit von mir.

Unverständlich war für das Gericht meine diagnostische Grundeinstellung, dass ich den Äusserungen eines Gesprächspartners (Hr. U.) solange glaube, wie nichts dagegen spricht, statt Vorakten dazu anzufordern (als Gutachter müsste ich das). Dass mir Hr. U. gesagt hatte, er habe alle möglichen Therapien teils lange Zeit gemacht und es habe sich nur verschlechtert, wurde konsequent überhört – das Verweigern weiterer Therapieversuche musste ein Beleg für seine Urteilsunfähigkeit bleiben.

Ein Schriftwechsel belegt, dass Prof. Dittmann voreingenommen und damit als Gutachter nicht zulässig war. Das wurde mit der Begründung abgeschmettert, ein Gerichtsgutachter oder sein Gutachten könne nur angefochten werden, wenn es in sich selber widersprüchlich sei. (Das stimme nicht, sagt mir ein in der Sache spezialisierter, empörter Anwalt.)

Dass ich meine mit der „dilettantischen Diagnostiziererei“ (6 Vorgespräche von total 5 ½ Std. Dauer) gewonnene Meinung zur Urteilsfähigkeit auch noch selber glaubte, bewirkt, dass mein Töten nur fahrlässig war, nicht vorsätzlich. Damit soll der Öffentlichkeit meine totale fachliche Inkompetenz belegt werden.

Anhand des Falls Frau H. T. waren mir die selbstsüchtigen Motive nachzuweisen. Dazu musste meine Wesensart so dargestellt werden, dass ich die Beihilfe nur ausführte, um meine Mediengier, die Gier nach Berühmtsein, zu befriedigen, um ein Exempel zu statuieren und ein Experiment zu machen. Dass sich der TV-Journalist an mich gewendet hatte, nachdem Frau T. mir ihren Wunsch nach Öffentlichkeit gesagt hatte, und nie ich mich an die Medien – heisst nichts. Dass nach juristischer Lehre ein Überzeugungstäter eo ipso altruistisch handelt, was Selbstsüchtigkeit ausschliesst – kein Argument.

Dass beide, Herr U. wie Frau T., mir nie einen ärztlichen Auftrag erteilten – kein Argument.

Es ging so weit, dass Staatsanwalt wie Gerichtspräsident mir beide vorwarfen, dass ich Herrn U. nicht NaP. verschrieben habe – als wüssten sie nicht, dass das ein Rechtsbruch gewesen wäre. Und dass ich den Suizid nicht lege artis, nach dem Gesetz der Kunst, begleitet habe – als ob es das schon gäbe!

Während der unglaublich strengen ersten drei Einvernahme-Tage bewunderte ich das Gericht für seine fast unfassbare Aufmerksamkeit und Genauigkeit, und fand es recht offen, wenn auch der Präsident Belastendes deutlich genauer wissen wollte und mehr zur Kenntnis nahm als Entlastendes – aber das war im Rahmen. Nie wurde ich unterbrochen, nie wirkte ein Richter abwesend.

Das Plädoyer meines Sekundanten und Verteidigers, Herrn Dr. Niklaus Ruckstuhl, war ein Genuss durch seine Klarheit und Überzeugungskraft. Dr. Ruckstuhl machte klar, dass nur ein Freispruch in allen Punkten zu Lasten des Staates infrage kommt.

Aber was war dann? Welche Gruppendynamik spielte dann wohl während der Tage der Urteilsberatung? Kann es sein, dass die Richter sich von Gefühlen wegschwemmen liessen, weg von jeder Vernunft? Aber von Gefühlen welcher Art? Der Abscheu nur eines Präsidenten, der es nicht ertrug, einem freiwilligen Tod im Video mehrmals zuzusehen? Dass es, wie empörend, Herrn U. und mir sogar noch einige Schwierigkeiten machte (die wir ja aber bewältigten,) dieses Leben zu beenden? Vielleicht zeigten die Expertenbefragungen, wie furchtbar dünn alles ist, und dass man aus dem kaum Beantwortbaren nach irgendwo vorne flüchtete? Haben die Schutzengel ihren Auftrag anders aufgefasst als wir? Ist es, wie eine Kollegin schreibt, dass solche Fragen nur von jemandem beantwortet werden können, der keine Angst vor dem Tod hat?

Auf jeden Fall ist es ein Glaubenskrieg, sind es Glaubenswelten.

Sowohl das Urteil und seine ziemlich unfassliche Begründung wie auch die zum Teil fast karikierende Berichterstattung einiger Medien wirken sich natürlich massiv aus. Unendliche Unterstützung erhalten meine Frau und ich, lange berührende Briefe von ganz unerwarteten Seiten. Immer wieder höre ich: wer mich kenne, sehe natürlich sofort, wie da manches an den Haaren herbeigezogen sei, dass ich völlig falsch gezeichnet wurde, dass da Gesinnungsjustiz geübt wurde. Empörung ist das Häufigste, und Schock. Aber auch von Leuten, die mich nicht persönlich kennen, höre ich solches. Ein Beispiel: „... Du wirst so oder so viel aufmerksame Kenntnisnahme verursacht haben. Die vorgegebene Begründung, Du hättest diese zu Deinen Gunsten angezettelt, ist so weit hergeholt und zielt an der Sache vorbei, dass die Selbstbehauptungsnot des Gerichtes unübersehbar wird.“

Enorm wohltuend war für mich während der ganzen Verhandlung die stetige Begleitung durch Ueltsch Arnd, der die Pausen durch seinen konstruktiven Humor zu Pausen machte.

Aber zu viele zu profilierte Leute aus allen Fächern merken, um was es geht. Und mein Buch kommt sehr gut an, bei Fachleuten wie Laien – es wird auch in der Öffentlichkeit seine Wirkung tun. Besonders freut mich, wie es in jedem Leser wieder ganz neue Seiten anspricht. Hoffen wir, dass zur wichtigen Zeit nicht gerade die Rechtslastwelle auf ihrem höchsten Stand ist. Dass ich schlussendlich doch zur rechten Zeit gekommen sein werde, und nicht zu früh.

Und es sei doch einmal klar gesagt: heute wären Herr U., Frau T. und auch Herr A. klare, vom Bundesgericht dies Jahr ausdrücklich geschützte „Exit-Fälle“. Jedes von ihnen würde von der Exit-Zentrale an einen Vertrauensarzt verwiesen, der sie/ihn zu mir schicken würde zur Begutachtung bezüglich Urteilsfähigkeit, und dann würde der andere Arzt ein NaP-Rezept machen.

Zwei Angebote habe ich schon bekommen, dass mir jetzt bei der dringend nötigen Sponsorensuche für die schon entstandenen und noch entstehenden Prozesskosten geholfen werden soll. Diese können sich auf über 200 000 Franken belaufen – oder auf Null bei einem Freispruch. Schon bisher haben viele von Ihnen, besonders bei den Jahresbeiträgen, kräftig zugelegt, was mich jedesmal sehr freut und dankbar macht. Aber jetzt geht es um eine andere Grössenordnung, als angenommen werden konnte. Ich werde zuerst Zusagen für Unterstützungsbeiträge sammeln, die dann erst bei Rechtskraft des Urteils bei einem Schuldspruch zu realisieren sind (anteilsweise bei „Überzeichnung der Anleihe“!). Wer hat z.B. eine Beziehung zu einer entsprechend orientierten Stiftung oder sieht eine andere Möglichkeit?

 

Das Buch "Suizid und Suizidhilfe" ist jetzt im Handel: Taschenbuch, erschienen bei Books on Demand, 320 Seiten, CHF 36.80. ISBN 978-3-8334-8215-1. Bei Online-Bestellung (www.bod.ch) ist es um das Porto, Fr. 10.--, teurer, als wenn man es in der Buchhandlung holt.

26. August 2007:
Sehr geehrter Herr Dr Baumann,
ich habe soeben Ihr Buch fertig gelesen. Sehr scharfsinnig, ja genial, eindrücklich, mutig, menschenfreundlich, unentbehrlich, not-wendig. Gut, dass es Sie gibt! Lassen Sie sich von   Heuchlern, Tyrannen, Unmenschen und Bush-Affen nicht einschüchtern!
Dr Erwin Kessler

 

3. Oktober 2007:
Rundbrief von Peter Baumann an die Mitglieder des Vereins SuizidHilfe zum Urteil der zweiten Instanz

Ein schwarzer Tag für das Schweizerische Recht

Vorgestern, am 1. Okt, fand vor dem Appellationsgericht Basel die zweitinstanzliche Beurteilung der Anklage gegen mich statt.

Die erste Instanz hatte mich am 6. Juli 07 in zwei Punkten schuldig gesprochen: der fahrlässigen Tötung von Hr. A. U., und der Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord bei Frau H. T. Dagegen war ich im Fall B.A., deswegen ich im 03 drei Monate in Untersuchungshaft gesessen hatte, freigesprochen worden. Die Strafe war festgesetzt geworden auf drei Jahre Freiheitsstrafe abzüglich U-Haft, davon zwei Jahre bedingt unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren, und den Kosten. Der Staatsanwalt hatte im ersten Fall auf (eventual)vorsätzliche Tötung, im zweiten auf Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord aus selbstsüchtigen Motiven geklagt und acht Jahre gefordert.

Dagegen appellierten der Staatsanwalt und ich: ersterer, weil er die Fahrlässigkeit nicht akzeptierte, die überdies bewirkt hätte, dass am kommenden 20. Oktober die Verjährung eingetreten wäre. Ich dagegen, weil nach klarer Überzeugung meines Anwalts etwas anderes als ein Freispruch auch in den beiden verbleibenden Fällen nicht sein konnte.

Zum Fall H.T., bei dem das Gericht unserem Antrag folgte und selbstsüchtige Motive verneinte, ist hier nicht viel zu sagen. Interessant wird sein, wie das Gericht begründet, warum Eigensucht nicht vorlag. Der Streit ging nur um Herrn A. U.. Experten und Juristen stritten um die Fragen
1. ob der gerichtsmedizinische Gutachter Prof. V. Dittmann befangen sei
2. wenn nein, ob sein Gutachten den minimalen Standards entspreche und brauchbar sei
3. wenn ja, ob sein Schluss, Herr A. U. sei urteilsunfähig gewesen, nachvollziehbar sei, und überzeugender als der Gegengutachter PD Dr. M. Gmür, der nicht nur Urteilsunfähigkeit verneinte, sondern Urteilsfähigkeit klar nachwies, und schliesslich
4. ob mir in diesem Fall nachzuweisen sei, dass ich wissentlich in Kauf genommen hätte, dass Herr A. U. urteilsunfähig sein könnte.

Dass unser Befangenheitsantrag angenommen würde, konnten wir nicht wirklich hoffen, trotzdem Prof. Dittmann wie zur Ergänzung unserer übrigen Argumente (nach der 1. Instanz) einem andern Experten gegenüber die unfassbare Äusserung getan hatte, er habe in diesem Fall doch nicht so sehr die Urteilsfähigkeit von Hr. U. beurteilt als meine Art, diese zu beurteilen. Und das könne man einfach nicht in einer halben Stunde. Ausgewiesen sind 4 ½, davon 3 in direktem Gegenüber.

Die geforderten Qualitäten eines gerichtspsychiatrischen Gutachtens hat Prof. Dittmann zwar in mehreren Publikationen beschrieben, im konkreten Gutachten aber krass ausgelassen: keine früheren Krankenakten angefordert, die Unterlagen nicht adäquat benützt, keine Differentialdiagnose diskutiert, die Schlussfolgerung nicht begründet, dazu mehrere sinnentstellende Schreibfehler.
Dazu die extrem und ungewöhnlich schleppende Erledigung in 2 1/3 Jahren.
Aus einem von mir aufgenommenen einstündigen Video, auf dem man Herrn U. mehrmals Fehlschläge verarbeiten, kreativ den nächsten Weg mit suchen und sich zum nächsten Versuch entschliessen sieht, entnahm der Mediziner 9 Zeilen Material, und der Psychiater D. unterzeichnete das: dass die Aufnahme nicht geschnitten ist, keine aktiven Handlungen meinerseits; dass Hr. U. bei klarem Bewusstsein zu sein „scheint“. Dass keine Äusserungen, Gesten oder Handlungen zu erkennen sind, die auf Zweifel von Hr. U. hindeuten; dass mehrere Versuche abgebrochen wurden, bis beim letzten der Tod eintrat. – Meine Notizen aus den Gesprächen, hurtig hingeworfen und voller medizintypischer Abkürzungen, zuletzt gar mit dem Vermerk „15.35 Exitus“, missdeuteten die Experten als Notizen von Hr. U., der zwanghaft-sorgsam schreibt, fast malt. Zu diesem Lapsus sagte Prof. D. in der ersten Verhandlung lapidar, sie seien keine Schriftexperten. In der zweiten nun sagte er, das hätte nichts verändert, da ich ja wörtlich die Äusserungen des „Pat.“ aufgeschrieben hätte. Ich bat dann das Gericht, auch zu sehen, dass diese Verwechslung heisst, dass der Mediziner wie auch Prof. D. es sicher nicht recht gelesen haben – was doch auf eine liederliche Arbeitsweise hindeute.

Wenn Prof. D. sich anschickte, etwas zu antworten, nickte der eine Richter schon beifällig; wenn PD Gmür sich anschickte, etwas zu antworten, atmete die Präsidentin ein, um bald zu unterbrechen.

Wie es kam, dass demgegenüber das klare, stringente Gutachten von PD Gmür, das das gerade Gegenteil belegt und nachvollziehbar begründet und diskutiert, beim Gericht nicht einmal Zweifel zu erregen vermochte, werden wir in der schriftlichen Begründung lesen, und ebenso den Beweis für meinen Eventualvorsatz. (Der Staatsanwalt genierte sich nicht, eine starke Probe seines Denkens zu geben: er versuchte, PD Gmürs Qualität mit der Andeutung in Frage zu stellen, wir wüssten ja nicht, wie viele Gutachten ich bestellt hätte, bis ich ein brauchbares gehabt hätte! Und niemand sagte, er solle sich bitte an Fakten halten.)

Noch eine neue gewollte gängige Begriffsverschluderung wurde mir deutlich: „kein sichtbarer depressiver Affekt“ heisst neu „fast etwas euphorisch“, d.h. „euphorisch“, mitgedacht „im Sinne von manisch“, also „ein umso deutlicherer Beleg für die Depression, die ja manchmal in ihr Gegenteil kippt“. Als ich den Unterschied zwischen diesen drei Dingen unterstrich (höflich!), hörte das Gericht mir wie immer höflich zu. Auch als ich sagte, dass die Dittmannsche Entmündigungslogik auf jeden, aber wirklich auf jeden konkret vorstellbaren Menschen angewendet werden könne. Und auch, als ich am Schluss meiner Hoffnung Ausdruck gab, dass dieser Tag kein schwarzer Tag für die Schweizer Rechtspflege werde. Warum? Indem ein immer eng umschriebener Begriff so ausgeweitet werde, dass er alles umfasse und wertlos werde (ausser für die Maximierung der Willkür-Breite, würde ich heute ergänzen).

U n d j e t z t ?

Mein Anwalt, Herr Prof. N. Ruckstuhl, ist ein hoch renommierter Strafrechtler. Er ist absolut ratlos, wie es bei dieser Sachlage zu diesem Urteil kommen konnte. Wenn ich mir das Denken in psychopathologischen Begriffen verbiete und das Gericht zu verstehen versuche, denke ich, was ein Freispruch bedeutet hätte: dass das, was ich tat, erlaubt ist. Und dass der Basler Gerichtsmediziner ein unverwertbares Gutachten produziert hat. Dass das die Basler nicht konnten, ist verständlich. Mag sein, dass sie diese beiden heissen Eisen ans Bundesgericht weiterreichen wollten? – War etwa die Logik von Herrn Prof. Ruckstuhl allzu restlos zwingend, so das die Richter/innen bockten: musst nicht meinen, dich wollen wir ein bisschen deckeln?

Manche von Euch sorgen sich um uns. Mir geht es auch jetzt erstaunlich gut, letztes Mal war ich eine Woche lang massiv geschlagen. Heidi ist wieder sehr kaputt, aber wir werden miteinander wohl durchhalten. Wir bekommen so sehr viel Unterstützung, so viel mehr als Gift. Ich traue sehr auf das Bundesgericht, das ja vor kurzem ein Urteil zur (ärztlichen) Suizidhilfe verfasst hat, das voll und ganz auf der gleichen Linie liegt wie meine Einstellung. Zwar waren die Fakten schon bei fünf Verhandlungen (mit den Haftverlängerungs-Verhandlungen) so klar, und doch erst im letzten Moment knapp genügend. Und wenn, was wiederum unmöglich scheint, das Bundesgericht den Entscheid des Appellationsgerichts segnet?

Dann, so glaube ich heute, würde ich wissen, dass das Recht sich in der Schweiz so entwickelt hat, wie es niemand wollte ausser den an grossem Willkür-Spielraum Interessierten. Und dass ich damit nicht zu rechnen brauchte, und mir keine Vorwürfe zu machen brauche. Und dass ich mit Gefängnis-Aufsehern und dem Gefängnis-Regime bestens zurechtkomme, und dass es sehr bei mir läge, wie ich mit den real bleibenden 2 1/4 Jahren zurechtkäme, und ob das Unrecht und seine Repräsentanten zum Krebs werden, der an meinen Eingeweiden oder gar an meiner Seele frisst. Und ich vergleiche meine Unbill mit anderen alterstypischen, die ich nicht habe, und will noch echter zufrieden werden.

Vorerst gilt die Unschuldsvermutung. Sicher noch etwa ein Jahr habe ich Zeit in Freiheit. Mit dem ersten Erwachen nach dem Urteil war mir klar, welche meine drei Aufgaben sind bis da:
1. nicht kaputt gehen daran, mit Heidi zusammen.
2. Mein Buch überarbeiten.
3. Den Blumenkohl einen Blumenkohl sein lassen, wie mir zwei nahe stehende Weise empfahlen: dem Übel und den Üblen immer weniger Beachtung zu geben lernen und sie so entmachten.
Und das Gute wahrnehmen, pflegen, die Liebe, j e t z t .

Bhüet Ech!
Peter Baumann
 

Erwin Kessler schrieb Peter Baumann dazu:

Sehr geehrter, geschätzer Herr Dr Baumann,
als ich das Urteil in der Zeitung las, packte mich eine ohnmächtige Wut. Was kann man da noch sagen. Jedes Wort ist ebenso überflüssig wie nutzlos. Ich kenne diese Art von Justiz nur allzugut, kann mich in jeden Satz von Ihnen bestens hineinfühlen, um so unerträglicher sind die Ereignisse für mich. Ich werde es nie lernen, mich an diese Willkürjustiz, die politischen Interessen dient und dazu das Recht hemmungslos beugt, zu gewöhnen. Jedesmal packt mich wieder die Wut. Und immer wieder diese entsetzlichen Parallelen zu Solschenizyns "Archipel Gulag". Dieses ohmächtige Ausgeliefert sein an eine stalinistische Justiz, im Jahr 2008 in der Schweiz. Unfassbar. Und allzuviele, die einfach wegschauen, solange es sie nicht trifft.
"Nicht kaputt machen lassen" ist der richtige Weg. Ich übe diesen nun schon 20 Jahre, seit ich es wagte, für die Schwachen und Wehrlosen in die Öffentlichkeit zu gehen und zu sagen, nicht was politisch korrekt und erlaubt ist, nein, was gesagt werden muss, weil - würde das nicht gesagt - alles nur noch unerträglicher wäre.
Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute.
Erwin Kessler

 

 Rundbrief Juni 2008 (gekürzt)

Liebe Mitglieder, Interessentinnen und Interessenten

Als ich den Rundbrief Ende Januar fertig geschrieben hatte, kam die Urteilsbegründung, die letzten Entscheidungsschritte, und der Entschluss zu appellieren, dazu der Umzug in neue Arbeitsräume. Und dann noch die Appellation des Staatsanwalts samt Begründung. Dieser behauptet nach wie vor, ich hätte eventualvorsätzlich in Kauf genommen, dass Herr A. Ue. hätte urteilsunfähig sein können, was die Tötung zu einer vorsätzlichen mache. Er hat das beantragte Strafmass von acht auf sechs Jahre reduziert. Mein Anwalt, Prof. Niklaus Ruckstuhl, ist nach wie vor überzeigt, dass das Urteil und die Sicht des Staatsanwalts vor den oberen Instanzen nicht durchkommen werden.

Die Folgen des Urteils
 
Ich bin nach der zehntägigen heftigsten Gewissensprüfung in der Hauptverhandlung und nach dem Studium der Urteilsbegründung und der Appellation des Staatsanwalts umso sicherer, dass ich im Wesentlichen recht getan habe, dass ich recht habe, und dass eine rechtskräftige Verurteilung ausschliesslich politisch motiviert wäre. Ein Glaubenskrieg in Glaubenswelten. Ich bin gesund, schlafe, esse, und erlebe nachts keine Überfälle aus dem Unbewussten. ... In einer Hinsicht hat das Gericht also recht: ich bin weiterhin „uneinsichtig“ und zeige keine Reue.
 
Was ich Ihnen bisher nicht schreiben konnte: es liegt ein gerichtspsychiatrisches Gegengutachten vor, das wir erst im letztmöglichen Moment der Hauptverhandlung einreichten, also nach der Experten-Einvernahme von Prof. Dittmann. PD Dr. Mario Gmür, ein renommierter  Gerichtspsychiater, legt darin exakt dar, dass Herr Ue. nicht nur nicht  nachweislich urteilsunfähig, sondern darüber hinaus klar nachweislich urteilsfähig war. Als erster Experte sah er das  Videoband, das dem IRM Basel 9 Zeilen Text wert war, richtig an, und er weist verständlich nach, dass Herr Ue. auf die Überraschungen verschiedener missratender Versuche mit stets angemessenem Affekt und konstruktivem Mitdenken einging. “Es gibt Hinweise auf das Vorliegen einer Depression, die allerdings nicht gesichert ist und keine schwere Form zeigt. Es gibt keine Hinweise dafür, dass Herr Ue. aufgrund der Zwangskrankheit oder einer depressiven Symptomatik nicht urteilsfähig war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass an die Annahme einer Urteilsunfähigkeit sehr hohe Anforderungen gestellt werden, (psychoseähnliche Zustände, hochgradiger Schwachsinn, Demenz etc.). Ein solcher Zustand ist bei Herrn Ue. weder in der Vorgeschichte noch für den Zeitpunkt des Suizids zu erkennen.“

Und weiter PD Gmür: „Das Gutachten des IRM Basel wirkt aufgrund einer oberflächlichen und flüchtigen Bearbeitung (auch mit mehreren markanten Flüchtigkeitsfehlern) mangelhaft. Vor allem sind aber die Ausführungen zur psychiatrischen Diagnose falsch, da sie auf nicht genügend soliden und nicht genügend qualifizierten Grundlagen beruhen und weil die Schlussfolgerungen bezüglich der Beurteilung der Urteilsfähigkeit nicht nachvollziehbar sind.“ So schludrig wie jenes Gutachten, so klar und überzeugend ist dieses. Es entspricht genau meiner Sicht, in meisterhafter Darstellung. Es überzeugte aber den Gerichtspräsidenten nicht, was er nicht begründet.

Nach der beidseitigen Appellation werden die oberen Instanzen nun zu entscheiden haben,
–     wie weit oder eng der Begriff der Urteilsunfähigkeit zu fassen  ist, und
–     wie locker oder liederlich Gutachten dazu sein dürfen.
Sollte die Folgerung des IRM Basel und das erstinstanzliche Urteil gedeckt werden, wäre das praktisch das Ende jeder offenen, geordneten Suizidbeihilfe für nicht körperlich Todkranke, es wäre faktisch eine Änderung des Strafgesetzes ohne Parlamentsbeschluss, ausschliesslich durch Experten- und Richterrecht. Es wäre eine bürgerrechtliche, eine menschenrechtliche und arztrechtliche Katastrophe. Vor allem würde es heissen, dass der Begriff Urteilsunfähigkeit allgültig, unumgrenzbar und damit wertlos würde. Es würde heissen, dass jeder Arzt im Prinzip bei jeder Äusserung von Suizidabsichten zur Zwangseinweisung in eine geschlossene psychiatrische Abteilung verpflichtet wäre, statt wie heute nur berechtigt. Das wäre schon nur deshalb eine ärztliche Idiotie, weil solche „Notfälle“ in der Regel am folgenden Morgen wieder entlassen werden. Und es wäre Mord am Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient auch dann, wenn das Gebot gar nie konkret durchgesetzt würde.

Appellieren? Oder ins Gefängnis gehen und zahlen?

Für’s Appellieren sprach, dass dieses falsche Urteil und das ihm zugrunde liegende Gutachten des IRM Basel nicht Rechtskraft bekommen dürfen wegen all der oben genannten Gründe.
Ob auch meine Ehre es verlangt? Vielleicht könnte ich mit intaktem Ehrgefühl für neun Monate ins Gefängnis hinein, und drin sein, und wieder heraus, wenn ich weiss, dass das Urteil falsch war, und warum. Und dass immer etwas kleben bleibt, könnte ich wohl auch verkraften in meinem Alter. Und wenn ich für sechs Jahre hin müsste?

Ob auch mein Werk es verlangt? Ich wollte von Anfang an, dass in Sachen Urteilsfähigkeit endlich bekannt wird, was gilt. Bei Rechtskraft des Urteils wäre das festgelegt worden, allerdings in einem miserablen Sinn. Wenn das von der Öffentlichkeit, d.h. zuvorderst von Exit, in Kauf genommen wird, dann ist es nicht mehr meine Sache, „dann habt ihr den Dreck“, tönte es dann trotzig aus mir. – Und ich wollte mein Wissen in Buchform publizieren – das ist getan.

Gegen das Appellieren sprach die Stimme, die sagt „lass jetzt sein, gib’s auf, du hast deine Sache gemacht, das Weitere sollen andere. Und wenn sie es nicht wollen, warst du offenbar zu früh“. Und: „wenn du sitzen gehst und zahlst, hast du in einem Jahr alles hinter dir, und Ruhe.“

Die Vorbereitung der Entscheidung für oder gegen Appellieren ging an die Grund-Arbeitsfelder meines Selbstwerdungsweges, und auch der Suizidproblematik: welche Arten von Loslassen und von Durchhalten sind nötig, welche selbstschädigend? Wieviel Nackenverhärtung akzeptiere ich für meine Hartnäckigkeit? Ist Loslassen Aufgeben? Konkret habe ich mir als Resultat einer Vorstandssitzung unseres Vereins eine Expressserie von sechs Shiatsusitzungen durch freundliche Frauenhände besorgt, die ich jetzt wöchentlich fortsetze. Das ist Loslassen pur, Nahrung für das Fundament. 

Mein Buch „Suizid und Suizidhilfe“ wird sehr freundlich aufgenommen. Allerdings war ich bisher ganz zurückhaltend mit Publizität. Die DGHS, Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben, hat einen freundlichen Buchhinweis und ein ausführliches Interview gebracht, was 500 Exemplare absetzte: etwa jedes hundertste Mitglied, ist das viel oder wenig?  

Exit tat sich lange schwer mit einer Buchbesprechung im Info. Schliesslich erschien aber eine aus einer im Ganzen positiven Sicht geschriebene, sehr klar gedachte Kritik im Info April 08,  und dazu ein schriftliches Interview, das journalistisch genau und nach anständigen Regeln und mit durchdachten Fragen  geführt war.

So bekomme ich Auskunft, wie es ankommt, und das heisst: sehr oft sehr gut – negative Meinungen kommen kaum zu mir.

Am Ende der Hauptverhandlung gab ich das Buch auf seine Bitte dem Gerichtspräsidenten, der es gleich dem Staatsanwalt gab zu den Akten. In der Appellationsbegründung geht dieser mit keinem Wort auf das Buch ein, obwohl er natürlich Belege für meine Verworfenheit sucht und es sicher darauf hin durchgesehen hat. Ich darf also annehmen, dass er nichts Brauchbares darin gefunden hat. 

Einen ersten anonymen Brief, den ich erhielt, hat das Buch mir eingebracht. Weil er so stark, poetisch und gescheit ist, sei er hier abgedruckt. Er ist „anonym aus Angst, in ungerechte Polizeiakten zu geraten“: 

„Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich, seitdem ich Ihr Buch habe, näher am Leben bin als ich es war, bevor ich es hatte.

Es ist mir eine grösste Erleichterung, dass ich mich in meinen seelischen Schmerzen selbst entscheiden kann, ob ich sie ertrage oder ob ich sie beenden kann.

Das lässt die Schmerzen wirklich leichter ertragen!

Ich bin frei, sie – solange ich will – zu ertragen.

Das ist wunderbar und wieder ein grosses Stück Lebensqualität!“

Danke, lieber unbekannter Schreiber! Genau das meine ich mit der oft unverstandenen Aussage, mein Engagement sei lebensfreundlich.

Was ich zum Sterbefasten geschrieben habe, war ja erst eine Zusammenschau von Fakten, zu der noch die praktische Erfahrung fehlte, und eine politische Forderung. Das hat jetzt volle Bestätigung erfahren:

Der holländische Psychiater Dr. Boudewijn Chabot referierte über Erfahrungen von 97 Familien, von denen ein Verwandter durch Sterbefasten, „Voluntary Refusal of Food and Fluid“, = VRFF, gestorben war, und ausserdem über die Erfahrungen damit in Holland während fünf Jahren.

Deutsch scheint sich inzwischen der Begriff Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit, FVNF, durchzusetzen.

In Holland geschehen jedes Jahr 6700 „beschleunigte Tode“, d. h. in legalem offenem Rahmen gewollte, ohne die sonstigen Suizide. Es sind

- 1600 Mal Kombination von Schlafmittel und tötendem Medikament – das gilt nicht als ärztlich, obwohl beide Medikamente rezeptpflichtig sind.  Ich weiss nicht, weshalb dort nicht das viel bessere Pentobarbital verwendet wird.

- 2300 Mal Tötung auf Verlangen durch den Arzt, = ärztliche Euthanasie

- 2800 Mal, also mehr als beide andern Kategorien – Sterbefasten. 75 % der interviewten Angehörigen fanden diese Sterbeart eine gute.

Das Sterbefasten dauert 1 - 2 Wochen, wenn weniger als 50 cc  Flüssigkeit pro Tag genommen wurde, 3 - 4 Wochen, wenn die Flüssigkeitsaufnahme allmählich vermindert wird.

Von den beschleunigten Toden bei über 60-jährigen Menschen geschahen 80 % durch Sterbefasten.

Bei den „nichtärztlichen Methoden“ hatten 40 % eine tödliche Krankheit, 30 % eine schwere Krankheit wie MS oder Parkinson,  25 % eine schwere Behinderung wie Blindheit, Taubheit, Gehunfähigkeit.  Also anders als in der Schweiz: ein geordneter Beistand ist auch für nicht-tödlich Schwerkranke gängig, und sogar auch für Behinderte.

Vermutlich brachen 15 - 20 % der Patienten in Spitalpflege ihre Ansätze zu einem Sterbefasten ab, oft durch Druck von Verwandten.

In 60 % der Fälle wurden Medikamente dazu gegeben, bei 30 % davon Morphium. (Das heisst: es geht nicht ganz so einfach, wie ich es sehen möchte.)

Je die Hälfte davon geschah zu hause und in Altersheimen.

Die Hälfte der „nicht-ärztlichen“ hatte ihre Absicht nicht mit ihrem Arzt besprochen – bekamen aber ihre Pflege dann doch.

Im Endstadium braucht es tägliche professionelle Pflege, um Mundhöhlenprobleme, Durchliegen, Halluzinationen etc. zu erleichtern.

(Zitiert nach dem World-Right-to-Die-Newsletter Nr. 52, Dez. 07.)

 Äusserst eindrücklich dabei ist für mich, dass die ganze Welt unter dem „holländischen Modell“ die ärztliche Euthanasie versteht – und vom Ausland unbeachtet geschieht häufiger: das Normalste von der Welt, das unterstützte Sterbefasten.

Von einem weiteren Brief möchte ich Ihnen einen Teil weiterleiten, weil ich ähnliche Gedankengänge so oft höre. Herr Dr. Hans A. Staub, Zug, 81-jährig und alleinstehend, schreibt:

„ ... wieder einmal in Ihrem faszinierenden Buch gelesen und bin dankbar über die Klarheit, die Grundhaltung, und die umfassende und präzise Darstellung des Themas. Schade, dass  Sie nicht auch Sterbebegleitungen mithilfe von Helium machen können. Vor langem wurde ich von Meinrad Schär als Exit-Mitglied angeworben, und bin immer noch Mitglied. Aber diese ängstliche, anpasserische Selbstbeschränkung auf urteilsfähige Todkranke und auf Na-Pentobarbital reduziert den Wert dieser Mitgliedschaft für mich und andere doch recht stark. Was wir bräuchten, wäre eine Fusion von Exit und SuizidHilfe auf der Basis der fortschrittlicheren Orientierung und Erkenntnisse von SuizidHilfe. David sollte Goliath nicht töten, sondern ihn zivilisiert up-to-date bringen. Nur schon die Umstellung vom Barbiturat auf Helium, oder ein Nebeneinander der beiden Methoden, wäre eine Modernisierung, die für viele Menschen eine grosse Befreiung von der Angst vor der allmächtigen Ärzteschaft bringen würde. ...“

Über den Helium-Suizid wurde viel geschrieben in letzter Zeit. Dr. A. Brunner, Erster Staatsanwalt ZH, teilte der Presse mit, auf den bei Dignitas hergestellten Videobändern seien schwer zumutbare Krämpfe und Zuckungen zu sehen. Er liess sich gerne so missverstehen, dass es also ein qualvoller Tod sei. Natürlich sahen das nur Beamte der Staatsanwaltschaft, die Übles suchen. Aber der krasse Unterschied zu meinen Beobachtungen ist doch frappant. Aus dem Band betr. Herrn Ue. warfen mir die bösen Mächte auch einen grausamen Tod vor. Das immer länger aussetzende, vielleicht schnarrende Atmen kann man als Not missdeuten. Wir haben aber eingehend mit Dr. Richard Mc-Donald darüber gesprochen, der eine riesige Erfahrung damit hat. Er bestätigte, dass diese Phänomene, die „dann und wann“ auftreten, von den Angehörigen nie als ungut erlebt werden, wenn man sie ihnen vorher darstellt und sagt, dass sie ja in völliger Bewusstlosigkeit ablaufen. Das macht die Wichtigkeit eines erfahrenen und daher ruhigen Begleiters deutlich.

Ich weiss nicht, weshalb Dignitas die komplizierte Anordnung wählte (unter einer Art Coiffeurhaube frei ausströmendes Helium, mit hohem Überschussverbrauch „zur Sicherheit“), und ich sehe die Notwendigkeit dafür nicht. Herr Minelli kannte meine Überlegungen dazu gründlich und hat dann auch das Manuskript sorgfältig durchgelesen. Vielleicht wäre es bei blossem Atmen im Beutel allzu verführerisch einfach. Nicht undenkbar ist auch, dass die langsame Zunahme der Kohlensäure im geschlossenen Beutel  (durch die Atmung) als starker, aber nicht voll wirksamer Atemstimulus sogar die reflexhaft-unruhigen Bewegungen mindert. 

Eines meiner liebsten Gedichte möchte ich Ihnen schliesslich noch aufschreiben, von H. Hesse, aus „Klingsors letzter Sommer“:

Vom Baum des Lebens fällt
Mir Blatt um Blatt.
Oh taumelbunte Welt
Wie machst du satt,
Wie machst du satt und müd,
Wie machst du trunken.
Was heut noch blüht
Ist bald versunken.
Bald klirrt der Wind
Über mein braunes Grab.
Über das schlafende Kind
Neigt sich die Mutter herab.
Ihre Augen will ich wieder sehn!
Ihr Blick ist mein Stern.
Alles Andre mag gehn und verwehn,
Alles stirbt, alles stirbt gern.
Nur die ewige Mutter bleibt,
Von der wir kamen.
Ihr spielender Finger schreibt
In die flüchtige Luft unsre Namen.

Nun wünsche ich Ihnen, dass Sie in sich Frieden finden, schon vor dem grossen Loslassen. 
Mit herzlichen Grüssen 
Dr. P. Baumann


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