25. September 2001

Willk�rurteil des B�ndner Verwaltungsgerichts zugunsten des Klosters Disentis:
Kl�sterliche Tierqu�lerei verletze keine religi�sen Gef�hle anderer

Nachtrag: Der Kloster-Betrieb wurde inzwischen saniert.
Siehe www.vgt.ch/vn/0302/disentis.htm

In einem gestern zugestellten Urteil weist das Verwaltungsgericht des Kantons Graub�nden einen Rekurs der von Dr Erwin Kessler pr�sidierten Glaubensgemeinschaft militanter Tiersch�tzer HEIFRA gegen die Gemeinde Disentis ab.

Der die HEIFRA hat sofort staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht erhoben. In der Begr�ndung heisst es unter anderem:

1. Sachverhalt

1.1 Auf dem Gutsbetrieb des Klosters Disentis werden die Schweine, Gesch�pfe Gottes wie der Mensch, in artwidriger, KZ-artiger Weise gehalten. Die Mitglieder unserer Glaubensgemeinschaft werden dadurch in ihren religi�sen Gef�hlen gest�rt.

1.2 Artikel 4 Ziffer 1 des b�ndnerischen Ruhetagsgesetzes lautet:
"An �ffentlichen Ruhetagen sind alle T�tigkeiten untersagt, die geeignet sind, die dem Tag angemessene Ruhe und W�rde oder den Gottesdienst zu st�ren oder die religi�sen Gef�hle anderer zu verletzen".
Das Gesetz schr�nkt die Art und Weise einer Verletzung der religi�sen Gef�hle nicht ein. Entscheidend ist einzig und allein der Umstand, dass die religi�sen Gef�hle anderer verletzt werden.

1.3 Der Beschwerdef�hrer erstattete am 14. April 2001 beim Gemeinderat von Disentis Anzeige wegen St�rung der Sonntagsruhe mit dem Antrag: "Es sei zu veranlassen, dass die Kloster-Schweine an Sonntagen Stroheinstreu und Auslauf ins Freie erhalten."

1.4 Gegen die Abweisung der Anzeige durch den Gemeindevorstand erhob der Beschwerdef�hrer am 26. April 2001 Rekurs an das Verwaltungsgericht.

1.5 Das Verwaltungsgericht h�lt in seinem Urteil fest, dass die Gemeinde Disentis zu Unrecht geltend macht, die Abweisung der Anzeige stelle keine Verf�gung im rechtlichen Sinne dar und k�nne deshalb nicht angefochten werden. Weiter stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die Gemeinde es zu Unrecht unterlassen habe, ihrem Entscheid eine Rechtsmittelbelehrung beizuf�gen. Das Verwaltungsgericht ist deshalb auf den Rekurs des Beschwerdef�hrers eingetreten.

2. Beschwerdegr�nde

2.1 Das Verwaltungsgericht bezeichnet es als zweifelhaft, ob eine Glaubensgemeinschaft legitimiert sei, eine Verletzung des Ruhetaggesetzes geltend zu machen, ohne aber diese Frage abschliessend zu beurteilen. Im Gegenteil hat sie den Rekurs als zul�ssig erachtet und damit anerkannt, dass die beschwerdef�hrende Glaubensgemeinschaft durch den Entscheid der Gemeinde "ber�hrt ist und ein schutzw�rdiges Interesse an seiner Aufhebung" hat. Indessen kann der Beschwerdef�hrer nur dann durch den ablehnenden Entscheid der Gemeinde betr Sonntagsruhest�rung ber�hrt sein und ein schutzw�rdiges Interesse an dessen Aufhebung haben, wenn er auch durch die Sonntagsruhest�rung selbst ber�hrt ist und an deren Beseitigung ein schutzw�rdiges Interesse hat. Indem das Verwaltungsgericht das erste bejaht und das zweite als "h�chst zweifelhaft" bezeichnet, ist das Urteil widerspr�chlich und willk�rlich und deshalb aufzuheben, insbesondere weil der Beschwerdef�hrer dadurch im Unklaren gelassen wird, was nun definitiv gilt.

2.2 In materieller Hinsicht macht das Verwaltungsgericht folgendes geltend:
"Aufgrund der nicht abschliessenden Aufz�hlung in Art 4 Abs 1 lit a-d RTG ist ersichtlich, welche Handlungen die �ffentliche Ruhe und W�rde des Ruhetaggesetzes, den Gottesdienst oder die religi�sen Gef�hle anderer verletzen k�nnen. Demnach sind insbesondere l�rmende oder mit anderen st�renden Immissionen verbundene Veranstaltungen, Arbeiten und Verrichtungen, Bau-, Grabungs- und �hnliche Arbeiten, Feld- und Waldarbeiten sowie das Hausieren untersagt... weshalb die Schweinehaltung nicht darunter f�llt."

Das Verwaltungsgericht weist selber darauf hin, dass die Aufz�hlung st�render Handlungen im Gesetz nicht abschliessend ist. Es gen�gt deshalb offensichtlich nicht - wie es das Verwaltungsgericht getan hat -, nur zu pr�fen, ob ein roher Umgang mit Tieren, wie es das qualvolle Einsperren in gr�sster Enge und unter artwidrigen, tierqu�lerischen Bedingungen darstellt, unter eines der im Gesetz aufgez�hlten Beispiele subsummiert werden kann. Indem das Verwaltungsgericht auf die Kernfrage des vorliegenden Verfahrens, ob ein roher Umgang mit Tieren die religi�sen Gef�hle anderer und die W�rde eines Feiertages verletze, hat es das rechtliche Geh�r verletzt. Der Beschwerdef�hrer hat zu diesem zentralen Punkt, den er im Rekurs deutlich hervorgehoben hat, keine Antwort erhalten und weiss damit letztlich nicht, warum eine Verletzung des Ruhetaggesetzes verneint worden ist.

2.3 Der Beschwerdef�hrer hat - ungeh�rt - schon vor dem Verwaltungsgericht auf folgendes hingewiesen: Man kann durchaus geteilter Meinung sein, ob der gesetzliche Schutzbereich des Ruhetaggesetzes zu weit gefasst ist, indem die "St�rung religi�ser Gef�hle anderer" pauschal und vorbehaltlos gesch�tzt werden, obwohl "religi�se Gef�hle" eine sehr subjektive, rechtlich kaum fassbare Sache sind. Die Einschr�nkung eines zu weit gefassten Gesetzes ist indessen Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der Justiz. Indem das Verwaltungsgericht so tut, als ob der gesetzliche Schutz der Ruhetage sich auf die ausdr�cklich verbotenen l�rmigen Arbeiten und das Hausieren beschr�nke, legt es dieses Gesetz willk�rlich aus, denn Hausieren und l�rmige Arbeiten haben nichts mit religi�sen Gef�hlen zu tun, sondern eher mit der W�rde des Tages, aber auch dies nicht selbstverst�ndlich; darum sind diese speziellen Verbote ausdr�cklich erw�hnt. Wenn der Gesetzgeber nur die Ruhest�rung h�tte verbieten wollen, dann h�tte er dies so formulieren m�ssen. Gesch�tzt sind aber nach geltendem Gesetz ausdr�cklich "die religi�sen Gef�hle anderer" und das Verwaltungsgericht hat mit keinem Wort dargelegt, warum diese durch den rohen Umgang mit Tieren nicht gest�rt werden und warum der Gesetzgeber mit "st�renden Immissionen" nicht auch ideelle Immissionen gemeint haben soll, wo es doch um religi�se Gef�hle geht. Das Nichteingehen auf diesen zentralen Punkt des Rekurses stellt eine willk�rliche Rechtsanwendung und eine Verweigerung des rechtlichen Geh�rs dar.
Im �brigen hat - wie schon im Rekurs erw�hnt - die Gemeinde Disentis eine Kundgebung des VgT gegen die Schweinehaltung des Klosterhofes in einer unbestimmten Umgebung der Kirche gest�tzt auf das Ruhetaggesetz durch Nichtbewilligung verboten und also auch ideelle "St�rungen" wie Hinweise auf Tierqu�lerei als Sonntagsruhest�rung aufgefasst (www.vgt.ch/news/010410.htm). Es kann ja nicht im Ernst behauptet werden, dass eine ruhige und friedliche Kundgebung gegen Tierqu�lerei religi�se Gef�hle verletze, die Tierqu�lerei selber aber nicht!

2.4 Das b�ndnerische Ruhetaggesetz sch�tzt ganz klar vor der "Verletzung religi�ser Gef�hle" an Ruhetagen. Indem das Verwaltungsgericht dies vereint und praktisch nur Ruhest�rungen als Verletzungen des Ruhetaggesetzes anerkannt, weicht es vom klaren Gesetzestext ab und Verletzt damit das Willk�rverbot. Es kann nicht im Ernst behauptet werden, die Existenz einer tierqu�lerischen, ausbeuterischen Schweine-Intensivhaltung durch ein Kloster ( siehe www.vgt.ch/vn/0201/disentis.htm) k�nne an Sonntagen die religi�sen Gef�hle anderer, deren Glaubens�berzeugung Mitleid gegen�ber Mitgesch�pfen beinhaltet, nicht verletzen. Die gegenteilige Behauptung des Verwaltungsgerichtes ist schlechthin nicht vertretbar und damit willk�rlich. Auch kann nicht im Ernst bestritten werden, dass der tierqu�lerische Umgang mit Gesch�pfen Gottes in einer kl�sterlichen Massenintensivtierhaltung, wo diese gezwungen werden, ihr ganzes Leben im eigenen Kot und auf einer Fl�che von nur 0.6 Quadratmeter pro Tier zu verbringen, die einem Sonntag angemessene W�rde krass verletzt. Ein derart w�rdeloser Umgang mit Tieren ist erst recht blasphemisch und verletzend, wenn er unter der Verantwortung eines Klosters betrieben wird. Das Verwaltungsgericht hat sich mit alledem �berhaupt nicht auseinander gesetzt und damit das rechtliche Geh�r verletzt.

2.5 Anstatt sich mit den Vorbringungen in der Rekursschrift zu befassen, l�sst sich das Verwaltungsgericht dar�ber aus, ob Verletzung von Tierschutzvorschriften eine Verletzung religi�ser Gef�hle darstelle. Dies hat der Beschwerdef�hrer gar nicht geltende gemacht. Der Beschwerdef�hrer hat in seinem Rekurs und dann nochmals in seiner Stellungnahme zur Rekursantwort der Gemeinde deutlich erkl�rt, dass er den rohen, tierqu�lerischen Umgang mit Tieren an Ruhetagen als Verletzung des Ruhetaggesetzes geltend macht, nicht die Verletzung von Tierschutzvorschriften, was bekanntlich nicht das Gleiche ist.
Was eine artwidrige, tierqu�lerische Haltung von Tieren ist, ist eine naturwissenschaftliche, allenfalls tierpsychologische Frage. Was dagegen in der Tierschutzverordnung des Bundesrates verboten wird, ist eine politische Frage. Deshalb gibt es viele objektiv als Tierqu�lereien feststehende Handlungen, welche in der Tierschutzverordnung erlaubt sind. Eklatantes Beispiel hief�r ist das Kastrieren von Ferkeln ohne Schmerzausschaltung, das der Bundesrat aus politischen Gr�nden. Gerade k�rzlich hat der Bundesrat eine �nderung des Tierschutzgesetzes in die Vernehmlassung geschickt, mit welcher er das �usserst grausame Sch�chten von S�ugetieren (rituelles Schlachten ohne vorherige Bet�ubung) legalisieren will - aus politischen Gr�nden, nicht weil dies keine Tierqu�lerei w�re. Die Verletzung religi�ser Gef�hle an Ruhetagen durch Tierqu�lerei ist deshalb objektiv unabh�ngig davon, ob der Bundesrat diese Tierqu�lerei (zB die Intensivhaltung von Schweinen auf engstem Raum auf Vollspaltenb�den wie im Klosterhof Disentis) als politisches Zugest�ndnis an die Fleischlobby erlaubt hat.
Indem das Verwaltungsgericht eine andere Rechtsfrage beurteilt hat, als der Beschwerdef�hrer mit seinem Rekurs aufgeworfen hat, n�mlich das Verh�ltnis zwischen Tierschutznormen und Ruhetaggesetz, nicht die Verletzung religi�ser Gef�hle durch Tierqu�lerei, hat es sich von Erw�gungen geleitet, die offensichtlich nicht massgebend sind, was willk�rlich ist. Ferner ist dadurch das rechtliche Geh�r gem�ss Bundesverfassung und Europ�ischer Menschenrechtskonvention verletzt worden.


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