VN 2002-1

Rechtliche Beurteilung der Tierhaltung auf dem   Klosterhof Disentis

Nachtrag: Der Kloster-Betrieb wurde inzwischen saniert.
Siehe www.vgt.ch/vn/0302/disentis.htm

Die B�ndner Staatsanwaltschaft hat die durch eine Strafanzeige des VgT gegen den Landwirtschaftsbetrieb des Klosters Disentis ausgel�ste Strafuntersuchung eingestellt. Die vom VgT geltend gemachten Verletzungen des Tierschutzgesetzes wurden nicht gepr�ft; es gen�ge, wenn sich Tierhalter nach der Tierschutzverordnung richten, ohne das �bergeordnete Gesetz zu beachten. Damit gilt in diesem Staat einmal mehr nicht das, was der "Souver�n" beschliesst (Tierschutzgesetz), sondern was der Bundesrat will (Tierschutzverordnung). Mit der geltenden Tierschutzverordnung hat der Bundesrat das vom Volk mit �berw�ltigender Mehrheit gutgeheissene Tierschutzgesetz auf weiten Strecken aufgehoben. Dass einer Verordung Vorrang gegeben wird gegen�ber dem �bergeordneten Gesetz widerspricht grundlegenden Prinzipien eines Rechtsstaates. Und der systematische Nichtvollzug des Tierschutzgesetzes auf allen Stufen widerspricht elementaren Grunds�tzen eines demokratischen Rechtsstaates. Der VgT wird nun erst recht eine breite Aufkl�rung der Bev�lkerung �ber die himmeltraurigen Zust�nde auf dem Klosterhof betreiben und die VgT-Nachrichten in alle Haushaltungen im Kanton Graub�nden und weit dar�ber hinaus verteilen.

In der durch die Tierschutzanzeige des VgT ausgel�sten Strafuntersuchung war die Frage zu pr�fen, ob die Schweine und K�he auf dem Klosterhof bisher gesetzeskonform gehalten wurden oder nicht. Weil die Tierschutzverordnung des Bundesrates in sich widerspr�chlich ist und insbesondere das (�bergeordnete) Tierschutzgesetz verletzt, wird diese Frage anders beantwortet, je nachdem welcher Artikel der Tierschutzverordnung beigezogen wird. Die Tierhalter und die meistens mit ihnen unter einer Decke steckenden Landwirtschaftsbeamten verdrehen die Tierschutzvorschriften regelm�ssig so, dass die Tiere letztlich gar nichts mehr vom Tierschutzgesetz merken und weitverbreitet Zust�nde herrschen wie in L�ndern, die kein Tierschutzgesetz haben. Als der VgT Anzeige erstattete, erteilte der B�ndner Kantonstierarzt dem Kloster sofort einen Persilschein. Da Tierschutzorganisationen kein Klagerecht haben, kommt es praktisch nie zur einer gerichtlichen �berpr�fung dieser gesetzwidrigen Vollzugspraxis.

Jenseits von jeder Gesetzesauslegung ist es auf jeden Fall besch�mend, dass auf einem im Eigentum eines Klosters stehenden Landwirtschaftsbetrieb eine tierqu�lerische Intensivschweinemast betrieben wird unter Ausn�tzung der leider bestehenden Vollzugsm�ngel. F�r ein solches Verhalten braucht es wahrlich keinerlei christlicher Ethik. Das ist simpler profaner Materialismus.

Die Schweinehaltung

Die intelligenten, empfindsamen Schweine - hoch entwickelte S�ugetiere - sehnen sich wie wir nach ein bisschen Lebensfreude. Sie m�chten herumspringen und spielen, an der Sonne liegen, Neues erkunden - �hnlich wie Kinder. Es sind ja junge Tiere, die Mastschweine im Klosterhof, voller Spiel- und Lebensdrang. Sie sind vom Sch�pfer nicht dazu erschaffen worden, in extremer Enge und Eint�nigkeit ihr ganzes Leben zu verbringen, im Dauergedr�nge mit Artgenossen, und immer nur die gleichen vier W�nde zu sehen. 0,6 Quadratmeter Lebensraum gew�hrt ihnen die Tierschutzverordnung des Bundesrates - eine Verh�hnung des vom Volk vor �ber zwanzig Jahren mit grossem Mehr gutgeheissenen Tierschutzgesetzes, welches gem�ss Artikel 1 f�r das "Wohlbefinden" der von Menschen gehaltenen Tiere sorgen soll und in Artikel 2 vorschreibt: "Tiere sind so zu behandeln, dass ihren Bed�rfnissen in bestm�glicher Weise Rechnung getragen werden. Wer mit Tieren umgeht, hat, soweit es der Verwendungszweck zul�sst, f�r deren Wohlbefinden zu sorgen."

Um diese vom Volk beschlossenen grundlegenden Bestimmungen k�mmern sich weder Tierhalter noch Tierschutzbeamte. Dass Schweine in einer brutalen Intensivhaltung wie auf dem Klosterhof in Disentis krass entgegen ihren angeborenen Verhaltensweisen und Bed�rfnissen st�ndig am selben Ort koten, harnen, fressen und schlafen m�ssen, sei "gesetzeskonform", heisst es. Dabei ist bekannt und wissenschaftlich erforscht, dass Schweine - wenn sie es k�nnen - Kot- und Liegeplatz sauber trennen. Am Abend m�chten sie sich in ein weiches, warmes Nest kuscheln. Im Freigehege tragen sie Stroh, Laub und Zweige zusammen und bauen sich ein gemeinsames Schlafnest. Im Schweine-KZ des Klosterhofes Disentis k�nnen sie davon nur tr�umen. Wenn sie ihren Kopf zum Schlafen m�de auf den Boden legen, liegt ihre Nase dort, wo sie vorher koten und harnen mussten. Die Tiere liegen auf einem harten, geschlitzten Betonrost (in der Fachsprache: Vollspaltenboden), direkt �ber den G�llenkan�len. Die elementarsten Bed�rfnisse der Tiere werden so unterdr�ckt - entgegen dem Tierschutzgesetz, entgegen elementarster ethischer Verantwortung und entgegen religi�sem Mitgef�hl. Dies verletzt nicht nur Artikel 2 des Tierschutzgesetzes sondern auch Artikel 1 der bundesr�tlichen Verordnung, der lautet: "Tiere sind so zu halten, dass ihre K�rperfunktionen und ihr Verhalten nicht gest�rt werden und ihr Anpassungsf�higkeit nicht �berfordert wird. F�tterung, Pflege und Unterkunft sind angemessen, wenn sie nach dem Stand der Erfahrung und den Erkenntnissen der Physiologie, Verhaltenskunde und Hygiene den Bed�rfnissen der Tiere entsprechen."

Gem�ss dem Stand Wissenschaft ist demnach die Intensivhaltung von Schweinen auf Vollspaltenb�den ganz klar verboten. Der Bundesrat hat Vollspaltenb�den jedoch nur bei Neubauten verboten, f�r bestehende Tierfabriken jedoch weiterhin, zeitlich nicht befristet, erlaubt. Damit hat der Bundesrat nicht nur Artikel 1 seiner eigenen Tierschutzverordnung missachten, sondern auch Artikel 2 des Tierschutzes. Deshalb ist diese Erlaubnis von Vollspaltenb�den gesetzwidrig und damit nichtig. Die Justiz hat die Gelegenheit, am Beispiel "Klosterhof Diesentis" klarzustellen, dass im demokratischen Rechtsstaat Schweiz die vom "Souver�n" beschlossenen Gesetze massgebend sind und nicht irgendwelche unter dem Einfluss einer m�chtigen politischen (Agro-)Lobby zustande gekommenen gesetzwidrigen Verordnungen!

In Disentis - ganz auf Abwehr und Verdr�ngung eingestellt - kursiert das Ger�cht, die vom VgT ver�ffentlichten Bilder aus dem Schweinestall des Klosterhofes seien gef�lscht, es handle sich um Aufnahmen aus dem Ausland. Manche m�gen das glauben, denn tats�chlich werden die Schweine auch in L�ndern so gehalten, die kein Tierschutzgesetz haben. Eine extremere Intensivhaltung ist gar nicht m�glich; die Tiere w�rden sonst nicht �berleben. Es ist wirklich kaum zu glauben, dass solche Bilder in der Schweiz aufgenommen worden sind, und erst noch in einem Kloster-Betrieb. Inzwischen ist aber im laufenden Untersuchungsverfahren die Echtheit der vom VgT ver�ffentlichten Bilder best�tigt worden.

K�he

Auf dem Klosterhof werden auch die K�he unter tierqu�lerischen Bedingungen gehalten. Die "Sauberkeit" des Stalles t�uscht Laien allerdings dar�ber hinweg: "Erziehung" der K�he mittels Elektroschocks, einem sogenannten "Kuhtrainer". Das ist ein elektrisch geladener B�gel eine Handbreite �ber dem R�cken der K�he. Zum Koten und Harnen machen K�he einen Buckel. Dabei ber�hren sie den B�gel und erhalten einen elektrischen Schlag. Mit der Zeit lernen sie, diesem Elektroschock auszuweisen, indem sie vor dem Koten und Harnen ein Schrittchen zur�ckweiche, soviel es die Anbindevorrichtung erlaubt. Damit wird erreicht, dass der Kot sch�n brav in den Kotgraben f�llt. Nun werden die armen K�he aber nicht nur beim Koten und Harnen elektrisiert, sondern auch bei sonstigen Bewegungen, insbesondere wenn sie sich Lecken wollen. Der Kuhtrainer f�hrt deshalb dazu, dass die durch die Anbindung ohnehin schon stark eingeschr�nkte Bewegungsfreiheit zus�tzlich eingeschr�nkt wird und die K�he st�ndig nat�rliche Bewegungen unterdr�cken m�ssen. Das f�hrt zu einer   einer st�ndigen Verkrampfung der Tiere. Wissentschaftliche Untersuchungen der eidgen�ssischen Forschungsanstalt f�r Betriebswirtschaft und Landtechnik haben nun aber schon vor vielen Jahren aufgzeigt, dass der Kuhtrainer einen verherenden Einfluss auf das Wohlbefinden der Tiere hat (Literatur: "Der Kuhtrainer", Bericht der eidg Forschungsanstalt f�r Betriebswirtschaft und Landtechnik). 

Agrotechnokraten verharmlosen den Kuhtrainer mit der Behauptung, dieser sei nicht immer eingeschaltet. Das hilft den Tieren jedoch wenig. Das intermittierende Einschalten der Kuhtrainer wirkt sich wie folgt aus:  Die Kuh Belinda sp�rt am hinteren K�rperteil ein l�stiges Jucken. Sie schwingt den Kopf r�ckw�rts, um mit herausgestreckter Zunge die juckende Stelle zu erreichen, bricht die Bewegung aber unter dem Schock eines elektrischen Schlages ab. Belinda ist unsanft daran erinnert worden, dass sie nicht frei auf der Weide steht, sondern angekettet an der Futterkrippe, von einem Elektrisierapparat zus�tzlich in der Bewegungsfreiheit eingeschr�nkt. Diesen elektrischen Schlag vergisst sie nicht so rasch wieder. Die n�chsten Tage verbringt sie bewegungsarm fast in Achtungstellung. Ihre nat�rlichen Bewegungen beim Aufstehen und Abliegen und zum Lecken von Hals und Kopf der Nachbarkuh oder ihres hinteren K�rperbereiches unterdr�ckt sie weitgehend bzw f�hrt diese nur noch verhalten und verkrampft ganz minimal durch. Nach ein paar Tagen hat sie diese elektrische Bedrohung nicht mehr st�ndig im Bewusstsein und wird in ihren Bewegung wieder etwas lockerer. Das merkt auch der Stallmeister, der deshalb den Kuhtrainer jetzt wieder einschaltet. Dies f�hrt auf die Dauer zu einer anhaltenden Verkrampfung und zu Fruchtbarkeitsst�rungen. Die Mehrzahl der Tier�rzte lehnt deshalb den Kuhtrainer ab, wie eine in der Fachzeitschrift SwissVet (Nr 5, 1992, Seite 25) publizierte Umfrage ergeben hat.

 Diese Foto zeigt den Einsatz des Kuhtrainers im Kloster Fahr (im Klosterhof Disentis ist es gleich):

fahr3.jpg (169539 Byte)

Der Verzicht auf den grausamen Kuhtrainer h�tte lediglich einen etwas gr�sseren Arbeitsaufwand beim Misten zur Folge. Arbeitsrationalisierung halte ich jedoch nicht f�r einen hinreichenden Grund, um Tiere zu qu�len - besonders nicht in einem Kloster. Auf Biobetrieben ist der Kuhtrainer verboten, also sollte er auch auf einem Klosterbetrieb verzichtbar sein.

Elektrischen Z�une auf der Weide sind hingegen unproblematisch, weil die Tiere den elektrischen Schl�gen nach kurzer Lernphase ausweichen k�nnen, ohne unnat�rliche Verhaltensweisen anzunehmen. Im Stall dagegen unterdr�ckt der Kuhtrainer nat�rliche, angeborene Verhaltensweisen.

„�berforderung des Anpassungsverm�gens" ist die wissenschaftliche Ausdrucksweise f�r den landl�ufigen Begriff Tierqu�lerei. Da auch f�r den Kuhtrainer wissenschaftlich belegt ist - und zwar nicht durch irgend ein unbekanntes ausl�ndisches Institut, sondern durch die wissenschaftliche Sektion des Bundesamtes f�r Veterin�rwesen an der eidg Forschungsanstalt in T�nikon -, dass das Anpassungsverm�gen der Tiere �berfordert wird, verletzt die Duldung dieser Tierqu�lerei den Artikel 2 des Tierschutzgesetzes und ausdr�cklich auch den Artikel 1 der Tierschutzverordnung, der lautet 

Tiere sind so zu halten, dass ihre K�rperfunktionen und ihr Verhalten nicht gest�rt werden und ihre Anpassungsf�higkeit nicht �berfordert wird. F�tterung, Pflege und Unterkunft sind angemessen, wenn sie nach dem Stand der Erfahrung und den Erkenntnissen der Physiologie, Verhaltenskunde und Hygiene den Bed�rfnissen der Tiere entsprechen.

Laut Propaganda der Agro-Lobby hat die Schweiz das beste Tierschutzgesetz der Welt. Indessen ist der in der Schweiz (gesetzwidrig) geduldete Kuhtrainer in anderen L�ndern ausdr�cklich verboten, so zB in Schweden und im deutschen Bundesland Niedersachsen. Das Landwirtschaftsministerium in Hannover begr�ndete das Verbot mit den „wiederholten erheblichen Schmerzen und Leiden oder Sch�den", die den Tieren mit dem Kuhtrainer zugef�gt werden. Leiden Schweizer K�he unter elektrischen Schl�gen weniger als schwedische oder nieders�chsische? Ist eine Tierqu�lerei, die in der Schweiz begangen wird, keine Tierqu�lerei, nur weil der Bundesrat glaubt, st�ndig Konzessionen an die Agro-Mafia machen zu m�ssen? In der revidierten bundesr�tlichen Tierschutzverordnung ist der Kuhtrainer auf Druck der Agro-Mafia weiterhin erlaubt worden. Dabei missachtet der Bundesrat sowohl seine eigenen Vorschriften (Artikel 1), insbesondere aber das �bergeordnete Tierschutzgesetz (Artikel 1 und 2).


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