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Inhaltsverzeichnis


Entgegnung von Erwin Kessler zu "Der Leberstreit geht an die Nieren" in der Sonntags-Zeitung vom 29. August 93:

Gänsestopfen: perverse Tierquälerei

In der französischen Schweiz verbreiten die Medien systematisch folgendes Märchen zur Rechtfertigung des brutalen Gänsestopfens: Auch in der Natur würden sich Gänse vor langen Flügen eine Fettleber anfressen. 

Fest steht demgegenüber: Beim Gänsestopfen schwillt die Leber um das Mehrfache ihrer natürlichen Grösse an. Das Resultat ist ein völlig krankes, überdimensioniertes Organ. So etwas gibt es in der Natur nicht. Jede Art von Zwangsfütterung ist etwas völlig anderes als wenn sich Tiere - in begrenztem Umfang und langsam über längere Zeit - Fettreserven anlegen. Der Stopfvorgang selbst ist extrem brutal: Dem Tier wird ein langes Rohr in den Hals bis direkt in den Magen gesteckt (dieses Erlebnis ist allen Stopfleber-Liebhabern inkl Bundesrat Delamuraz auch einmal zu gönnen) und dann ein Futterbrei hineingepresst. Wer selbst jemals gesehen hat, wie die Tiere nach dieser Prozedur nach Atem ringen, zittern und mit weit aufgerissenen Augen, vor Schmerz gepeinigt herumtorkeln, der wird sich von keinerlei Verharmlosungsversuchen davon abbringen lassen, dass es sich hier um eine Bestialiät von ungeheurem Ausmass handelt. Das Zitat von Nationalrat Herbert Maeder, er habe nichts gegen Stopflebern, wenn die Tiere artgerecht gehalten würden, kann ich nur als fatales Missverständnis verstehen. 


Kampf gegen fürstliches Schweine-KZ geht weiter:

Gespräch mit Fürst Hans Adam II von Liechtenstein gescheitert

von Erwin Kessler

Am 30. August fand ein Gespräch einer Delegation des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) mit Fürst Adam von und zu Liechtenstein statt. Thema war dessen Schweinefabrik in Niederösterreich, wo rund 10 000 Tiere unter grässlichen Umständen in fensterlosen Fabrikhallen dahinvegetieren. Der VgT war vertreten durch Tierarzt Dr Franz-Joseph Plank, Geschäftsführer VgT Oesterreich und Vorstandsmitglied VgT Schweiz, sowie Hans Palmers, Präsident VgT Österreich und Vizepräsident VgT Schweiz. Hans Palmers versuchte gleich zu Beginn, das Herz des Fürsten zu erreichen und erzählte von der Sensibilität der Schweine und deren Ähnlichkeit zum Menschen in vielen Bereichen. Der Fürst jedoch, welcher in Niederösterreich 3 000 Hektar Ackerfläche und in ganz Österreich rund 13 300 Hektaren Wald besitzt, betrachtet die Schweine vorwiegend aus wirtschaftlicher Sicht. Immerhin gab er offen zu, dass "diese Art Intensivhaltung nicht artgerecht ist - keine Frage". Eine artgerechte Schweinehaltung sei aber nicht wirtschaftlich. Er lehnt nicht nur die Freilandhaltung, sondern auch die artgerechten Stallsysteme, die in neuerer Zeit in der Schweiz immer mehr aufkommen, für seinen Betrieb als wirtschaftlich nicht tragbar ab. Insgesamt hörte sich der Fürst alle Argumente zugunsten der leidenden Tiere immerzu höflich lächelnd an, liess aber keinerlei Anzeichen erkennen, seinen Betrieb in naher oder ferner Zukunft tierfreundlich zu gestalten. Der VgT wird deshalb mit Protest-Aktionen weiterfahren; die nächsten sind bereits geplant.


Ehrverletzungsklage des Zuger Kantonstierarztes Othmar Kamer:

Freispruch!

von Erwin Kessler

Während die Opfer in den Zuger Schweine-KZ weiter leiden und immer noch nichts vom Tierschutzgesetz merken, welches das Schweizervolk im Jahr 1978 mit grossem Mehr beschlossen hat, beantragte die Staatsanwaltschaft zwei Monate Gefängnis für mich, weil ich den verantwortlichen Kantonstierarzt kritisiert hatte. Am 28. September 1993 kam das Bezirksgericht Münchwilen zu einem Freispruch auf der ganzen Linie. Zahlreiche VgT-Aktivisten mit T-Shirts und Ballons "Stop den Tierfabriken" wohnten der Verhandlung bei und feierten nachher den Freispruch.

In meinem knapp einstündigen Plädoyer zeigte ich neue, schreckliche Bilder aus Zuger Schweine-KZ und machte folgende Ausführungen (hier leicht gekürzt wiedergegeben):

Strafanzeige des VgT gegen eine Zuger Schweinefabrik

Am 12. Juli 1990 erstattete ich im Namen des VgT Strafanzeige gegen Wendelin Kieser, Besitzer einer Schweinefabrik in Büessikon ZG. Gemäss Untersuchungsbericht des Verhöramtes Zug fand die Polizei meinen Vorwurf der fehlenden Beschäftigung (Artikel 20 der Tierschutzverordnung) bestätigt. Trotzdem wurde die Strafuntersuchung eingestellt und der Fehlbare nicht bestraft. Ja, es wurde nicht einmal die Herstellung vorschriftsgemässer Zustände angeordnet. Zu diesem Versagen des Tierschutzvollzuges und der Justiz hat wesentlich die sachlich falsche, tendenziöse Stellungnahme von Kantonstierarzt Kamer beigetragen. Kamer hat in seinem Schreiben zuhanden des Verhöramtes den Anschein erweckt, es sei gar nicht möglich, die Beschäftigungsvorschrift zu erfüllen, da Wissenschaft und Technik hiefür noch keine geeignete Lösungen gefunden hätten. Aus der Tatsache, dass zehn Jahre nach Inkrafttreten der Tierschutzverordnung unsere Stichproben im Kanton Zug ergaben, dass die Beschäftigungsvorschrift weitherum nicht erfüllt wurde, und aufgrund der sonderbaren Auffassung des Kantonstierarztes, dies sei quasi gar nicht möglich, reichte ich namens des VgT beim Chef des Saniätsdepartementes des Kantons Zug eine Disziplinarbeschwerde (keine Strafanzeige, damit liegt auch keine falsche Anschuldigung im Sinne des StGB vor!) gegen den Kantonstierarzt ein, in der ich - nach ausführlicher Darlegung der Sachlage - schrieb: "10 Jahre nach Inkraftreten der Tierschutzverordnung ist eine solche Behauptung eines Kantonstierarztes - der mit dem Vollzug der Tierschutzvorschriften beauftragt ist! - geradezu skandalös, denn damit bringt er zum Ausdruck, dass er in diesen Jahren kaum etwas getan hat, um diese Vorschrift durchzusetzen. Dies erfüllt unseres Erachtens sogar den Straftatbestand der ungetreuen Amstführung."

Zuger Regierung deckt Kamer

Ohne auf unsere Vorwürfe näher einzugehen, wies Regierungsrat Birchler, Chef der Sanitätsdirektion des Kantons Zug, unsere Beschwerde als angeblich haltlos ab. Kamer seinerseits benutzte diese Unterstützung durch die Regierung dazu, mich wegen Verleumdung, übler Nachrede und falscher Anschuldigung einzuklagen.

Thurgauer Verhörrichteramt:
Kritik an Kamer war nicht ungerechtfertigt und deshalb keine Verleumdung

Das Thurgauer Verhörrichteramt, welches den Fall zu behandeln hatte, erliess jedoch am 16. April 1992 eine Nichtanhandnahme-Verfügung, da (Zitat) "sich keine genügenden Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten" ergeben hatten. Gegen diesen Entscheid rekurrierte Kamer bei der Staatsanwaltschaft. Diese entschied, dass eine Strafuntersuchung durchzuführen sei. Das Ergebnis dieser Untersuchung war wieder negativ, nämlich, dass meine Kritik an Kamer (Zitat) "nicht ungerechtfertigt" gewesen sei. Bei den Untersuchungsakten liegt ein Gutachten des stellvertretenden Thurgauer Kantonstierarztes, Dr med vet Rudolf Fritschi, worin festgehalten ist, dass die Erfüllung der Beschäftigungsvorschrift schon immer möglich und üblich gewesen sei, einfach und ideal mit Stroh, mit dem sich die Tiere sehr gerne beschäftigen. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass die Auffassung des Zuger Kantonstierarztes unzutreffend und meine Kritik berechtigt war. Am 11. Januar 1993 erliess deshalb das Verhörrichteramt eine Einstellungsverfügung.

Zwei Monate Gefängnis?

Gegen die erneute Einstellungsverfügung führte Kamer erneut Beschwerde, und die Thurgauer Anklagekammer wies die Staatsanwaltschaft an, gegen mich Anklage zu erheben, damit der Fall gerichtlich beurteilt würde. In der Anklageschrift an das Bezirksgericht Münchwilen, datiert vom 6. Mai 1993, wird mir vorgeworfen, ich hätte Kamer gegen besseres Wissen eines unehrenhaften Verhaltens und eines Vergehens beschuldigt, indem ich in meiner Disziplinarbeschwerde gegen Kamer folgende Vorwürfe erhoben habe:

1. "Kamer habe zuhanden des Verhöramtes Zug eine sachlich falsche Stellungnahme abgeliefer."

Mein Kommentar dazu: Das Gutachten des stellvertretenden Thurgauer Kantonstierarztes wie auch die Fachliteratur belegen, dass ich dies zurecht gesagt habe. Die Anschuldigung gegen mich ist damit haltlos.

2. "Dr Othmar Kamer habe in den letzten 10 Jahren für die Durchsetzung der Bestimmungen in der eidgenössischen Tierschutzverordnung kaum etwas getan!"

Mein Kommentar dazu: Diese Behauptung habe ich so pauschal nie aufgestellt. Die Staatsanwaltschaft hat ungeprüft einfach eine Behauptung von Kamer übernommen! Ich habe mich lediglich zum Vollzug von Artikel 20 der Tierschutzverordnung, zu der Kamer die zitierte falsche Beurteilung abgegeben hat, geäussert, und zwar wie folgt (Disziplinarbeschwerde vom 23. Januar 1991 an den Chef des Zuger Sanitätsdepartementes; bei den Akten): "10 Jahre nach Inkraftreten der Tierschutzverordnung ist eine solche Behauptung eines Kantonstierarztes - der mit dem Vollzug der Tierschutzvorschriften beauftragt ist! - geradezu skandalös, denn damit bringt er zum Ausdruck, dass er in diesen Jahren kaum etwas getan hat, um diese Vorschrift durchzusetzen." Die Staatsanwaltschaft hält mir dagegen willkürlich etwas wesentlich anderes vor, das ich nie gesagt habe.

3. "Kamer habe durch sein Verhalten den Tatbestand der ungetreuen Amtsführung erfüllt."

Mein Kommentar dazu: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass der Vorwurf der ungetreuen Amtsführung berechtigt ist, da meine sachliche Kritik sich im Untersuchungsverfahren als berechtigt erwiesen hat. Eine tendenziöse falsche Stellungnahme gegenüber einer Strafuntersuchungsbehörde, um einen fehlbaren Tierhalter zu decken, erfüllt nach meiner Vorstellung als juristischer Laie jedenfalls den Tatbestand der ungetreuen Amtsführung, wenn nicht sogar der Begünstigung und der Irreführung der Rechtspflege, insbesondere wenn es einen Kantonstierarzt betrifft, der von Amtes wegen den Tierschutz durchsetzen müsste. Zudem ist das Zitat in der Anklageschrift des Staatsanwaltes verfälscht, weil wieder einfach ungeprüft eine Behauptung Kamers in die Anklageschrift übernommen wurde. Ich habe mich in Wirklichkeit nämlich differenzierter ausgedrückt (Zitat aus der inkriminierten Disziplinarbeschwerde gegen Kamer): "Dies erfüllt unseres Erachtens sogar den Straftatbestand der ungetreuen Amtsführung."

Selbst der mir zu Unrecht unterstellte pauschale Vorwurf, Kamer hätte in all den Jahren kaum etwas getan, um die Tierschutzvorschriften durchzusetzen, wäre nicht abwegig. Anders ist es nämlich nicht erklärbar, dass 10 Jahre nach Inkrafttreten der Tierschutzverordnung und bei Ablauf der letzten Uebergangsfristen im Kanton Zug noch massenhaft Tierschutzvorschriften verletzt wurden, wie aufgrund amtlicher Erhebungen in den Zeitungen gelesen werden konnte: Zuger Nachrichten vom 6.9.90 und Zuger Zeitung vom 21.2.91. Insbesondere und auffallenderweise gehört zu den massenhaft verletzten Vorschriften auch die im vorliegenden Verfahren zur Diskussion stehende Beschäftigungsvorschrift für Schweine (Art 20 TSchV)! Niemand kann wohl ernsthaft die Meinung vertreten, Kamer habe sein Amt pflichtgemäss ausgeübt, nur weil er im Laufe von 10 Jahren zwei oder dreimal kurze Rundschreiben an die Tierhalter verschickte, in denen auf die Tierschutzvorschriften aufmerksam gemacht wurde. Eigentliche Vollzugsmassnahmen wie die Selbstdeklaration der Tierhalter und die Inspektionen von Massentierhaltungen wurden erst nach meiner öffentlichen Kritik und nach Einreichung der inkriminierten Disziplinarbeschwerde gegen Kamer eingeleitet - wesentlich später als zum Beispiel im Kanton Thurgau. Allerdings wurden auch mit diesen Massnahmen die Missstände landauf landab im Kanton Zug immer noch nicht beseitigt, wie neue Erhebungen des Vereins gegen Tierfabriken erst kürzlich wieder ergeben haben.

Meine Behauptung, Kamer habe seine falsche Stellungnahme wissentlich abgegeben, stützte ich darauf, dass es ganz einfach nicht vorstellbar ist, dass ein Kantonstierarzt gutgläubig auf einen derartigen Unsinn kommt. Dass Kamer in seiner Stellungnahme die Beschäftigungsvorschrift für Schweine wenigstens dem Wortlaut nach richtig zitierte - wie ich erst durch spätere Akteneinsicht im Rahmen des von ihm gegen mich angestrengten Verfahrens lesen konnte - entschuldigt es nicht, dass er mit einer so falschen und verwirrenden Aussage eben gerade diese geltende Vorschrift aufzuweichen und so darzustellen versuchte, als könne sie in der Praxis gar nicht eingehalten werden, als seien vorher noch wissenschaftliche Forschungen nötig. Dass Kamer nicht daran interessiert war, dass über unsere Strafanzeige gegen den Mäster richtig entschieden würde, geht auch daraus hervor, dass er gegen den Fehlentscheid nichts unternommen und tatenlos zugesehen hat, wie ein objektiv fehlbarer Tierhalter geschützt wurde und die Missstände weiter andauern. Zumindest hätte er gegen die angeblich "einseitigen" Zitate aus seiner Stellungnahme im Entscheid des Verhöramtes Vorbehalte und Richtigstellungen einreichen müssen, wenn er - wie er jetzt behauptet - seiner Ansicht nach im Entscheid des Verhöramtes Zug unvollständig und ungenügend zitiert worden ist. Auch hätte er gegen anderen Unsinn in diesem Entscheid Berichtigungen anbringen müssen, um mindestens künftig solche Fehlentscheide zu verhindern. Zum Beispiel begründet das Verhöramt seinen "Freispruch" des Mästers unter anderem damit, die Polizei habe bei den Tieren trotz ungenügender Beschäftigung keine Verhaltensstörungen feststellen können. Nach der gleichen Logik dürfte Trunkenheit am Steuer nicht bestraft werden, solange es nicht zu einem Unfall kommt. Darüberhinaus ist es sehr zweifelhaft, ob die Polizei (!) in der Lage ist, aufgrund eines kurzen Blicks in eine düstere, mit mehreren hundert Tieren überfüllte Schweinefabrik festzustellen, ob Verhaltensstörungen auftreten. Hiefür würde sogar ein ausgebildeter Nutztierethologe Stunden und Tage benötigen. Ein Kantonstierarzt ist zweifellos in der Lage - wenn er will -, die tierschützerische Unhaltbarkeit dieser Argumentation im Entscheid des Verhöramtes zu erkennen, dient doch - wie er wissen muss - das Tierschutzgesetz gemäss Artikel 1 und 2 ausdrücklich dem "Wohlbefinden" der Tiere - und dazu ist eine artgerechte Beschäftigung notwendig -, nicht bloss der Vermeidung von Schäden und Verhaltensstörungen. Aber gegen all diesen offensichtlichen Unsinn hat Kamer nichts unternommen, nichts berichtigt. Auch hat er nicht einmal die Behebung der Missstände angeordnet, was seine Amtspflicht gewesen wäre. Daraus ist nur ein Schluss möglich: er wollte so verstanden werden, dass der fehlbare Tierhalter nicht bestraft werde. Sein Motiv ist offensichtlich: Er sieht es nicht gern, wenn Tierschützer den Ställen in seinem Kanton nachspüren und Missstände aufdecken. Die falsche Stellungnahme Kamers hielt ich als massgeblich für den Fehlentscheid des Verhöramtes, weil darin genau die von mir kritisierte Stelle zitiert wurde. Man muss wohl annehmen dürfen, dass in der Begründung eines Entscheides das zitiert wird, was massgebend ist!

Der Thurgauer Staatsanwalt, welcher diese liederliche Anklageschrift gegen mich verfasst hat, fordert als Bestrafung zwei Monate Gefängnis. Der gleiche Staatsanwalt, Dr Raess, beantragte dagegen kürzlich nur 200 Fr Busse für einen Mäster, der mich tätlich angegriffen hatte. Ebenfalls der gleiche Staatsanwalt erhob im bekannten Fall um den Schweinestall der Landwirtschaftsschule Arenenberg Anklage gegen mich und mehrere Journalisten wegen angeblichem Hausfriedensbruch, weil wir die Missstände in diesem staatlichen Schweinestall aufgedeckt hatten. Das Obergericht sprach mich und alle anderen Angeklagten frei, samt Entschädigung. Nun hat man wieder diesen Staatsanwalt auf mich losgelassen. [Nachträgliche Anmerkung: Dieser unfähige Thurgauer Staatsanwalt Dr Raess wurde später von den konservativen Zürcher Tierschutzvereinen zum Tierschutzanwalt für den Kanton Zürich gewählt!]

Die ganze Affäre ist im grunde einfach, aber typisch. Das Tierschutzgesetz verlangt in Artikel 2 Absatz 1: "Tiere sind so zu behandeln, dass ihren Bedürfnissen in bestmöglicher Weise Rechnung getragen wird." Eine umfangreiche internationale Literatur über die Ethologie des Hausschweines enthält unbestreitbare Angaben darüber, welches die wesentlichen Bedürfnisse des Hauschweines sind und wie diese auf einfache und wirtschaftliche Art und Weise berücksichtigt werden können. In der Tierschutzverordnung hat der Bundesrat diesen Grundsatz des Gesetzes faktisch wieder aufgehoben und die in der Praxis üblichen tierquälerischen Haltungsformen wie Kastenstände, Vollspaltenböden, einstreulose, überfüllte Mastbuchten etc erlaubt. Die Tierschutzverordnung enthält nur wenige Vorschriften, welche die üblichen tierquälerischen Haltungspraktiken merklich einschränken. Eine dieser Vorschriften ist Artikel 20: "Schweine müssen sich über längere Zeit mit Stroh, Rauhfutter oder andern geeigneten Gegenständen beschäftigen können." Weil Schweine hochintelligente Tiere sind, ist diese Vorschrift für ihr Wohlbefinden entscheidend. Gemäss nutztier-ethologischen Erkenntnissen haben Schweine eine tägliche Aktivitätszeit von ca 10 Stunden. Das heisst, unter "längere Zeit" sind etwa 10 Stunden zu verstehen. Praktisch heisst das: Schweine müssen tagsüber frisches Stroh oder Ähnliches zur Verfügung haben. Hiefür sind im Handel Strohraufen erhältlich. Man kann das Stroh auch als Einstreu auf den Boden geben - weiss Gott keine Neuerfindung, welche Tierhaltern und Kantonsveterinären nicht bekannt war.

Bundesamt für Veterinärwesen deckt den säumigen Kantonstierarzt und missachtet seine Oberaufsichtspflicht - wie üblich

Die zur Zeit der vorliegenden Affäre gültigen Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVet) aus dem Jahr 1986 enthielten zur Beschäftigungsvorschrift folgende Erläuterungen: "...(Als Beschäftigung) eignet sich am besten die tägliche Verabreichung von Stroh. Geeignet sind auch Heu, Silage usw. Geeignete Gegenstände sind verformbare und benagbare Gegenstände wie zB Holzstücke, nicht jedoch nur Ketten und Pneus. Strohraufen eignen sich zur Verabreichung von Stroh dann gut, wenn ein Verabreichen von Einstreu am Boden nicht möglich ist." Eine Abbildung zeigte eine solche Strohraufe. Jedes Kind, jeder Laie versteht das und gutwillige Tierhalter haben damit keine Probleme. Das Bundesamt für Veteinärwesen behauptete jedoch zum Schutz des Herrn Kollega Kantonstierarzt, diese Richtlinie sei "nicht klar genug" - nachzulesen im Entscheid des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVet) vom 18. März 1991 zu unserer Aufsichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Zuger Verhöramtes. Ferner argumentierte das BVet - welches trotz nationalem Tierschutz-Vollzugsnotstand noch nie von seiner Möglichkeit der Amtsbeschwerde gebrauch gemacht hat - damit, man übe "Zurückhaltung" mit Amtsbeschwerden gegen kantonale Entscheide. Dieser Argumentation des BVet wurde kürzlich auf unseren Antrag hin sogar von der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates gerügt! (vgl Bericht der GPK an die eidgenössischen Räte über die Inspektionen und Aufsichtseingaben im Jahre 1992, vom 6. April 1993). Gegen diesen verfehlten und von der GPK jetzt gerügten Entscheid des BVet erhoben wir damals erfolglos Aufsichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement, dessen Vorsteher Bundesrat Delamuraz ist, offizieller Liebhaber von Gänsestopflebern, deren Produktion in der Schweiz tierschutzrechtlich verboten ist, die aber zur Freude von Delamuraz frei importiert werden dürfen. Kein Wunder, dass unter seiner Departementsleitung ohne sachliche Prüfung, nur mit ein paar faulen Sprüchen, das BVet gedeckt wurde. Schliesslich gelangten wir mit einer Eingabe an den Gesamtbundesrat, welcher aber offenbar auch nichts anderes im Sinne hatte als ohne sachliche Prüfung einfach Kollega Delamuraz zu decken. Damit waren alle aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Keine der angerufenen Instanzen setzte sich mit dem Fall materiell auseinander. Seit der VgT besteht, wurden sehr viele Aufsichtsbeschwerden bei den verschiedensten Behörden gegen Tierschutzvollzugsmissstände eingereicht. Keine einzige wurde ernsthaft geprüft. Die Behörden haben stets nur eines im Sinn: sich gegenseitig decken und den Anschein erwecken, alles sei in bester Ordnung in der Verwaltung und es gäbe keine Vollzugsmissstände. Gerichte können wir nicht anrufen, da Tierschutzorganisationen nicht legitimiert sind, gegen die Verletzung des Tierschutzgesetzes zu klagen. Das seit langem geforderte Klage- und Beschwerderecht für Tierschutzorganisationen wird vom konservativen politischen Establishment nicht umsonst vehement bekämpft! Die Missstände könnten nämlich nicht mehr so einfach vertuscht werden, wenn Gerichtsverfahren eingeleitet werden könnten. Die Klage von Kantonstierarzt Kamer gegen mich hat mich deshalb gefreut: Endlich kann ich vor einer richterlichen Instanz meine Beweise vorlegen. Ich bin sicher, dass spätestens das Bundesgericht anerkennt, dass ich Recht habe. Das wäre nicht das erste mal.

Die Missstände im Kanton Zug dauern an

Mit Hilfe von Luftaufklärung (mit einem Privatflugzeug) hat der VgT die Tierfabriken im Kanton Zug lokalisiert. Mit geübtem Auge lassen sich diese aus grosser Distanz erkennen. Aus einer ganzen Reihe von Schweinefabriken besitzen wir detaillierte Kenntnisse und Aufnahmen, auch wie es im Innern aussieht. Wie neue Recherchen diesen Sommer ergeben haben, wird die Beschäftigungsvorschrift nach wie vor nicht beachtet, wo man auch hineinschaut - auch in der hier zur Diskussion stehenden Schweinefabrik des Wendelin Kieser in Büessikon immer noch nicht! Im Kanton Zug werden die Schweine so gehalten, als gäbe es kein Tierschutzgesetz! Der Zuger Kantonstierarzt prozessiert lieber jahrelang gegen Tierschützer, als dass er sich um seine eigentliche Aufgabe, den Tierschutzvollzug, kümmern würde. Er vertraut offenbar dermassen darauf, dass ihn das politische Establishment schützen wird, dass er meine damalige Tatsachenbehauptung bis heute als Verleumdung verurteilt wissen will, obwohl diese Behauptung - dass er nämlich kaum etwas tut, um die Beschäftigungsvorschrift durchzusetzen - sogar heute noch im Kanton ZG zutrifft und besichtigt werden kann, wenn man nur bereit ist, heimlich in Schweinefabriken einzudringen. Da aber liegt der schwache Punkt und die Hoffnung Kamers sowie der ihn deckenden Behörden: die Missstände können nur mittels Hausfriedensbruch eingesehen werden. So ist es in der Schweiz: Gewerbsmässige Tierquäler werden von den Vollzugsbehörden geschützt und Tierschützer haben kein Klagerecht, sind deshalb gezwungen, illegal zu operieren. Was braucht es eigentlich noch alles, bis das Tierschutzgesetz in unserem Rechtsstaat Wirkung entfaltet? Während gegen Tierquäler von den Behörden nichts unternommen wird, werden Tierschützer beim geringsten Anlass strafrechtlich verfolgt, obwohl sie eine Tätigkeit von öffentlichem Interesse ausüben - ausüben müssen, weil die zuständigen Behörden ihre Pflicht nicht erfüllen. Der Verein gegen Tierfabriken ist praktisch die einzige Tierschutzorganisation in der Schweiz, die sich getraut, in Tierfabriken einzudringen und die Verantwortlichen öffentlich beim Namen zu nennen. Deshalb hat der VgT Erfolg. Deshalb ist er aber auch die von den Behörden und der Agro-Lobby meist gehasste Organisation und wird - aus Neid - auch von den etablierten Tierschutzorganisationen (Schweizer Tierschutz STS) bekämpft.

Siehe auch
www.vgt.ch/vn/9401/94-1.htm
www.vgt.ch/vn/9402/94-2.htm
http://www.vgt.ch/vn/vn95-3.htm#zug


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